Gomez bringt das Glück zurück
Stuttgarts neuer alter Starstürmer erzwingt den schmeichelhaften 1:0-Sieg gegen Berlin
●
STUTTGART - In der 40. Minute des relativ zähen Spiels zwischen dem VfB Stuttgart und Hertha BSC brachte Gästestürmer Salomon Kalou am Samstag das Kunststück fertig, aus fünf Metern mutterseelenallein vor dem Tor drüberzuköpfen. Es war eine Chance aus der Kategorie: Kann man nicht machen, muss man. In der 77. Minute beharkten sich dann VfB-Stürmer Mario Gomez und Niklas Stark im Strafraum, der Berliner hielt Gomez fest, der schlug einen Purzelbaum, Stark allerdings bekam das nicht mit und versuchte zu retten, was gar nicht gerettet werden musste: Mit der Stiefelspitze bugsierte der Verteidiger den Ball in hohem Bogen über den armen Torwart Rune Jarstein hinweg ins Netz. Es war ein Tor der Sorte: Kann man machen, muss man nicht, und ein Eigentor, dass dem VfB nach vier Niederlagen zuvor den erhofften 1:0-Befreiungsschlag zum Rückrundenstart brachte.
„Heute hatten wir Glück. Wir haben noch nie ein Spiel auf diese Art gewonnen, aber viele schon so verloren“, resümierte VfB-Trainer Hannes Wolf, und gefeiert wurde einer, der gar nicht so viel dafür konnte: Mario Gomez, der Purzelbaumschläger, der nicht nur das Tor Kraft seines Karmas erzwungen hatte, sondern bereits vor der Pause bei einem gefährlichen Kopfball, einem knappen Abseitstor und unermüdlichem Nachsetzen gezeigt hatte, das künftig wohl ein neuer, gefährlicherer Wind weht im Stuttgarter Angriff. 3157 Tage nach seinem letzten Spiel für den VfB hatte Gomez also das Glück zurückgebracht.
Natürlich stand der Rückkehrer danach im medialen Rampenlicht. Wie einst als Newcomer kam der 32-Jährige als Letzter aus der Kabine, stellte sich gut gelaunt vor („Ich bin der Mario“) und blieb ansonsten demütig. „Null Prozent“betrage sein Anteil am Tor. In der entscheidenden Szene „habe ich schon abgeschaltet und gedacht: Rot, Elfmeter. Gnädigerweise hat ihn dann der Berliner reingemacht.“Seine eigene Leistung sei „vollkommen egal“, räumte Gomez ein, viel wichtiger sei der Sieg und die Moral des Teams: „Ich kann jetzt schon sagen: Der Charakter der Mannschaft ist top, wir sind von der Qualität und vom Potenzial her nicht die Besten der Liga, aber wir haben Mentalität und werden deshalb auch noch ein paar Spiele gewinnen.“
Die Kollegen dagegen sahen die Gomez-Rückkehr sehr wohl als entscheidend an. „Mario hat sich das Tor erarbeitet“, fand Kapitän Christian Gentner, „er ist vor dem Tor unglaublich“, rühmte Co-Stürmer Daniel Ginczek, und Manager Michael Reschke sah sich in seinem Coup, den ExWolfsburg-Kapitän heim ins Schwabenland zu lotsen, bestätigt: „Er hat für den Club eine große Bedeutung, das hat er heute gezeigt: Er hat Bälle festgemacht, war gefährlich, stets präsent, er wird uns helfen. Mario hatte auch andere Möglichkeiten, aber er wollte zu keinem anderen Bundesligisten wechseln, nur zum VfB.“Noch mehr schwärmte Reschke allerdings von Verteidiger Timo Baumgartl, der (ohne Nebenmann Holger Badstuber übrigens, der erst spät kam) überragend gespielt habe, gut wie nie, „nationalmannschaftsreif “sogar und dem Team geholfen habe, als es wackelte.
Ein Sieg des Willens
Tatsächlich wackelte der VfB vor allem vor der Pause, als der Berliner Lazaro zudem noch den Pfosten getroffen hatte. „Wir hatten viel zu wenig Intensität und Sprints, das geht so nicht“, klagte Wolf, „in der zweiten Hälfte wurde es viel besser, auch wenn wir nicht die Sterne vom Himmel gespielt haben.“Gomez habe natürlich seinen Anteil am Sieg gehabt: „In der Szene, die das Spiel entschied, war er da. Sein Tempo auf die Abseitslinie zu bringen, ist seine große Stärke.“
Gomez selbst sprach von einem „Sieg des Willens. Für mich zählt nur, mit welcher Einstellung wir in die Spiele gehen. Wir haben den unbedingten Willen entwickelt, dieses Tor zu machen.“Speziell sei der Tag für ihn durchaus gewesen. „Ich musste über mich selbst schmunzeln, weil ich schon im Hotel gemerkt habe, dass es kribbelt wie einst mit 18, als die Bundesliga noch was Außerirdisches für mich war.“Dass er keine 18 mehr ist, sondern 32, spürte Mario Gomez, der sich früher auch mal ins Nachtleben stürzte, dann aber doch. „Wie heißen die Clubs hier gleich noch?“, fragte er schmunzelnd und kündigte an, er werde den Sieg ganz in Ruhe feiern.