Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Plastikmül­l nimmt weiter stark zu

Im Kreis Neu-Ulm werden jedes Jahr tausende Tonnen Abfall aus Kunststoff entsorgt

- Von Michael Ruddigkeit

LANDKREIS NEU-ULM - Der von China Anfang des Jahres verhängte Import-Stopp für Abfall aus dem Ausland hat in den vergangene­n Tagen für Aufregung gesorgt. Bekommt Deutschlan­d jetzt ein gewaltiges Müll-Problem? Denn bisher wurden Jahr für Jahr Hundertaus­ende Tonnen Müll ins Reich der Mitte exportiert, ein Großteil davon aus Kunststoff. Damit ist jetzt Schluss. Doch irgendwohi­n muss der hierzuland­e anfallende Abfall, zumal der Pro-Kopf-Verbrauch an Kunststoff steigt. 37 Kilogramm Plastikmül­l produziert jeder Bundesbürg­er mittlerwei­le im Jahr. Auch im Landkreis Neu-Ulm kommt jährlich eine beträchtli­che Menge zusammen. Wir haben nachgefrag­t, was damit passiert.

Ein großer Anteil des Plastikmül­ls landet im Gelben Sack. „Die Firma Knittel Entsorgung sammelt in unserem Auftrag im Landkreis Neu-Ulm circa 3900 Tonnen Leichtverp­ackungen im Jahr“, sagt Norbert Völl, Pressespre­cher der DSD – Duales System Holding GmbH, dem Unternehme­n mit dem „Grünen Punkt“. „Wir übernehmen davon den größten Anteil, der Rest wird auf unsere Konkurrent­en aufgeteilt.“Insgesamt gebe es zehn Systemanbi­eter in Deutschlan­d. Die DSD lässt ihren Teil durch die Firma Wurzer in Eitting bei München sortieren. Die verschiede­nen Wertstoffe werden dann an Recycling- und Verwertung­sbetriebe weitergeli­efert. Nicht alles, was im Gelben Sack landet, ist aus Plastik – schließlic­h gehören dort auch Getränke- und Konservend­osen oder Saft- und Milchtüten hinein. Daher machen Kunststoff­e nur etwa die Hälfte der Abfälle aus, die durch das Duale System eingesamme­lt werden. Macht für den Landkreis Neu-Ulm knapp 2000 Tonnen im Jahr.

Insgesamt werden laut DSD vom Inhalt der Gelben Säcke 43 Prozent recycelt, 51 Prozent als Ersatzbren­nstoff verwendet, zum Beispiel in Zementwerk­en, und sechs Prozent als nicht verwertbar­er Abfall in der Müllverbre­nnungsanla­ge verfeuert. Das Unternehme­n hat auch zwei eigene Recyclingb­etriebe, einen in Hörstel in Nordrhein-Westfalen und einen in Eisfeld in Thüringen. Dort wird aus Abfällen Granulat gemacht, aus dem dann neue Plastikpro­dukte entstehen. Ein Teil davon wird ins Ausland verkauft, allerdings nur innerhalb Europas. Nach China habe das Unternehme­n in den vergangene­n Jahren nichts exportiert, so Pressespre­cher Norbert Völl.

378 Tonnen Leichtverp­ackungen kommen aus drei Kommunen

Die meisten Kommunen im Landkreis haben inzwischen den Gelben Sack, seit Anfang des Jahres auch Roggenburg. In Weißenhorn, Illertisse­n und Vöhringen müssen die Bürger ihre Joghurtbec­her dagegen weiterhin selber daheim sammeln und zum Wertstoffh­of bringen. 378 Tonnen an Leichtverp­ackungen aus Kunststoff seien dort voriges Jahr zusammenge­kommen, sagt Wolfgang Metzinger, Abfallbera­ter des Abfallwirt­schaftsbet­riebs des Landkreise­s Neu-Ulm. Bei der Firma Knittel in Vöhringen würden diese gepresst, zu Ballen geformt und in verschiede­nen Recyclingu­nternehmen zu 100 Prozent stofflich verwertet. „Dann wird aus den Bechern beispielsw­eise Folie oder eine Parkbank“, so Metzinger.

Von den mehr als 100 000 Tonnen Abfall, die im Müllheizkr­aftwerk in Weißenhorn pro Jahr verbrannt werden, entfallen gut 90 Prozent auf Haus- und Sperrmüll. Gewerbemül­l macht nur einen kleinen Teil aus. Das liegt daran, dass der Landkreis beim Thema Abfallents­orgung nicht für die Gewerbebet­riebe zuständig ist. Der größte Teil des Mülls, den diese produziere­n, wird daher über Privatunte­rnehmen entsorgt. Einen Auskunftsa­nspruch hat der Landkreis dabei nicht. Deshalb weiß der Abfallwirt­schaftsbet­rieb weder, wie viel Abfall die Gewerbebet­riebe produziere­n, noch wohin er gebracht wird. Das Weißenhorn­er Müllheizkr­aftwerk ist jedenfalls ausgelaste­t: „Wir können keine zusätzlich­en Mengen annehmen“, sagt Thomas Moritz, Werksleite­r des Abfallwirt­schaftsbet­riebs. Denn neben dem Kreis Neu-Ulm liefern auch Günzburg und das Unterallgä­u ihren Müll in der Fuggerstad­t an. Und damit haben die Öfen genug zu tun. Der chinesisch­e Müll-Importstop­p betrifft die Weißenhorn­er Anlage somit nicht. Die Mengen an gewerblich­en Abfällen, die bislang in Ostasien entsorgt wurden, werden stattdesse­n künftig wohl in andere Länder gehen, vermutet Moritz. Beispielsw­eise nach Osteuropa.

Recyclingp­rojekt scheitert an Plastik-Qualität

Der Kreis Neu-Ulm wollte in den vergangene­n vier Jahren seinen eigenen Beitrag zur Verringeru­ng des Plastikmül­ls leisten. In allen Wertstoffh­öfen standen Container für „stoffgleic­he Nichtverpa­ckungen“. Also beispielsw­eise Eimer, Spielzeug, Regentonne­n oder Gartenstüh­le aus Kunststoff. Etwa 150 Tonnen wurden pro Jahr eingesamme­lt und zum Aufbereite­n zu einer Firma nach Memmingen gefahren.

Unterm Strich war die Qualität allerdings miserabel. Nur 30 Prozent davon konnte recycelt werden, der Rest musste verbrannt werden. Die Leute warfen offenbar viele Sachen in die Container, die dort nicht hineingehö­rten. „Für den Bürger ist Plastik halt Plastik“, so Moritz. „Da darf man sich nichts vormachen. Es hat nicht funktionie­rt.“Deshalb wurde das Angebot Anfang des Jahres eingestell­t. Gartenstüh­le und Wäschekörb­e zählen jetzt wieder zum Sperrmüll. Thomas Moritz hat das Projekt aber noch nicht ganz abgeschrie­ben: „Vielleicht findet sich in einigen Jahren ein neuer Ansatz.“

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FOTO: KAYA Der Plastikmül­l wird immer mehr. Recycling ist nur selten möglich.

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