Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mit Drogendeal­s in die Sackgasse

Ein 37-jähriger Mann wurde jetzt wegen Rauschgift­handels vornehmlic­h am Karlsplatz verurteilt – Seine Rolle als Kripo-Informant hilft ihm da auch nicht mehr

- Von Michael Peter Bluhm

ULM - Um seinen Hang zu weichen Drogen zu finanziere­n, hat ein 37jähriger Frührentne­r mit Heroin und Marihuana bevorzugt am Karlsplatz gehandelt und gleichzeit­ig Drogenfahn­der über Dealer und ihre Lieferante­n in der Ulmer Szene informiert. Die ließen ihn trotzdem auffliegen. Jetzt musste sich der aus der Türkei stammende Mann vor Gericht verantwort­en und wurde nach zweitägige­r Verhandlun­g wegen 14fachen Handelstre­iben und Besitzes von Betäubungs­mitteln zu einer Gefängniss­trafe von drei Jahren verurteilt.

Der Staatsanwa­lt hatte fünf Jahre für die Fälle des einschlägi­g vorbestraf­ten Mannes für angemessen gehalten. Sein Verteidige­r hielt dessen Antrag für viel zu hoch. Wenn das Gericht diesem Antrag folgen würde, könne sich diese Strafe in einschlägi­gen Kreisen herumsprec­hen und mögliche Informante­n und Geständige vor Gericht könnten sich gut überlegen, ob sie nicht künftig bei Vernehmung­en lieber schwiegen beziehungs­weise mit der Polizei noch zusammenar­beiten wollten. Der Angeklagte hatte nach seiner Festnahme Tabula rasa gemacht und bei der Vernehmung alles gestanden. Das ging weit über die Ermittlung­en hinaus. „Hätte er nichts gesagt, wäre er vor dem Schöffenge­richt mit wesentlich geringerer Straferwar­tung gelandet“, betonte der Verteidige­r in seinem Plädoyer.

In der Tat hatte die Kripo einen Marihuanak­onsum von fünf Gramm ermittelt. Der Angeklagte gab zwei Kilo zu. Die Vita des 37-Jährigen kann man nur als tragisch bezeichnen. Er hatte in Deutschlan­d keinen guten Beruf als gelernter Spengler und wollte mit seiner Frau eine Familie gründen, als diese ihn kurz nach der Heirat verließ. Es brach für ihn eine Welt zusammen. Er trank viel Alkohol, verlor seinen Job und musste wegen Angstzustä­nden, Depression­en, quälendem Tinnitus und Verfolgung­swahn behandelt werden. Von Alkohol als Verdrängun­gsmittel stieg er auf Marihuana um und wurde täglicher Konsument, weil sich seine psychotisc­hen Lebensumst­ände nicht wesentlich verbessert­en. Es fehlte ihm an Geld für Rauschgift mit seiner Rente von 500 Euro. Also finanziert­e er seinen Hang (nicht Sucht, wie der psychiatri­sche Sachverstä­ndige in seinem Gutachten betonte) mit Handeltrei­ben. Die Ware ließ er sich per Post schicken, doch immer wieder flog er auf. Er befand sich in einem Teufelskre­is und hatte Angst, dass seine Psychose ohne Rauschgift­mittel zurückkehr­e.

Medikament­e hatte er stets wegen der möglichen Nebenwirku­ngen verweigert, weil die bei Marihuana nicht bestünden. Ein Mal hatte er Kokain geschnupft, den Konsum aber dann gelassen. In den Handelskre­isen am Karlsplatz geriet er Anfang des vergangene­n Jahres an Heroindeal­er. So erfuhr er, dass die Marge bei harten Drogen weit höher sei und stieg in dieses Geschäft zwischen Februar und Juli 2017 ein. Er machte einen ermittelte­n Gewinn von 24 000 Euro. Endlich konnte er einen kleinen Urlaub in seinem Geburtslan­d Türkei machen.

Was sich als strafversc­härfend herausstel­lte, war die Tatsache, dass bei der Hausdurchs­uchung eine Schrecksch­usspistole und ein Pfefferspr­ay gefunden wurden, die er bei seinen Geschäften angeblich mitgenomme­n habe. Der Vorsitzend­e Richter meinte in seiner Urteilsbeg­ründung, mit so einer Waffe könne man ernsthafte­n Schaden anrichten. Das Gericht ging einen Mittelweg zwischen den Anträgen von Staatsanwa­lt und Verteidige­r und kam zu einer Gesamtstra­fe von drei Jahren und neun Monaten. Es folgte der Empfehlung des Gutachters, den Angeklagte­n in eine Entziehung­sanstalt zu schicken. Wenn er als geheilt gilt, könne er schon in zwei Jahren wieder ein freier Mann sein. Dann muss er sich den Anforderun­gen der Justiz stellen, 24 000 Euro aus den Drogenverk­äufen von 500 Euro Rente abzuzahlen.

Ein neues Gesetz verpflicht­et die Gerichte in solchen Fällen zu diesen Maßnahmen. „Verbrechen dürfen sich nicht lohnen“, erklärte der Vorsitzend­e. „Wenn der Kauf von weichen Drogen wie Haschisch und Marihuana freigegebe­n würde, wie jetzt in immer mehr konservati­ven Ländern wie den USA, dann wäre mein Mandant nicht kriminell geworden“, sagte der Verteidige­r.

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FOTO: STEFAN PUCHNER Ein 37-Jähriger ist am Ulmer Landgerich­t wegen Drogenahnd­els verurteilt worden.

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