Mit Drogendeals in die Sackgasse
Ein 37-jähriger Mann wurde jetzt wegen Rauschgifthandels vornehmlich am Karlsplatz verurteilt – Seine Rolle als Kripo-Informant hilft ihm da auch nicht mehr
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ULM - Um seinen Hang zu weichen Drogen zu finanzieren, hat ein 37jähriger Frührentner mit Heroin und Marihuana bevorzugt am Karlsplatz gehandelt und gleichzeitig Drogenfahnder über Dealer und ihre Lieferanten in der Ulmer Szene informiert. Die ließen ihn trotzdem auffliegen. Jetzt musste sich der aus der Türkei stammende Mann vor Gericht verantworten und wurde nach zweitägiger Verhandlung wegen 14fachen Handelstreiben und Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren verurteilt.
Der Staatsanwalt hatte fünf Jahre für die Fälle des einschlägig vorbestraften Mannes für angemessen gehalten. Sein Verteidiger hielt dessen Antrag für viel zu hoch. Wenn das Gericht diesem Antrag folgen würde, könne sich diese Strafe in einschlägigen Kreisen herumsprechen und mögliche Informanten und Geständige vor Gericht könnten sich gut überlegen, ob sie nicht künftig bei Vernehmungen lieber schwiegen beziehungsweise mit der Polizei noch zusammenarbeiten wollten. Der Angeklagte hatte nach seiner Festnahme Tabula rasa gemacht und bei der Vernehmung alles gestanden. Das ging weit über die Ermittlungen hinaus. „Hätte er nichts gesagt, wäre er vor dem Schöffengericht mit wesentlich geringerer Straferwartung gelandet“, betonte der Verteidiger in seinem Plädoyer.
In der Tat hatte die Kripo einen Marihuanakonsum von fünf Gramm ermittelt. Der Angeklagte gab zwei Kilo zu. Die Vita des 37-Jährigen kann man nur als tragisch bezeichnen. Er hatte in Deutschland keinen guten Beruf als gelernter Spengler und wollte mit seiner Frau eine Familie gründen, als diese ihn kurz nach der Heirat verließ. Es brach für ihn eine Welt zusammen. Er trank viel Alkohol, verlor seinen Job und musste wegen Angstzuständen, Depressionen, quälendem Tinnitus und Verfolgungswahn behandelt werden. Von Alkohol als Verdrängungsmittel stieg er auf Marihuana um und wurde täglicher Konsument, weil sich seine psychotischen Lebensumstände nicht wesentlich verbesserten. Es fehlte ihm an Geld für Rauschgift mit seiner Rente von 500 Euro. Also finanzierte er seinen Hang (nicht Sucht, wie der psychiatrische Sachverständige in seinem Gutachten betonte) mit Handeltreiben. Die Ware ließ er sich per Post schicken, doch immer wieder flog er auf. Er befand sich in einem Teufelskreis und hatte Angst, dass seine Psychose ohne Rauschgiftmittel zurückkehre.
Medikamente hatte er stets wegen der möglichen Nebenwirkungen verweigert, weil die bei Marihuana nicht bestünden. Ein Mal hatte er Kokain geschnupft, den Konsum aber dann gelassen. In den Handelskreisen am Karlsplatz geriet er Anfang des vergangenen Jahres an Heroindealer. So erfuhr er, dass die Marge bei harten Drogen weit höher sei und stieg in dieses Geschäft zwischen Februar und Juli 2017 ein. Er machte einen ermittelten Gewinn von 24 000 Euro. Endlich konnte er einen kleinen Urlaub in seinem Geburtsland Türkei machen.
Was sich als strafverschärfend herausstellte, war die Tatsache, dass bei der Hausdurchsuchung eine Schreckschusspistole und ein Pfefferspray gefunden wurden, die er bei seinen Geschäften angeblich mitgenommen habe. Der Vorsitzende Richter meinte in seiner Urteilsbegründung, mit so einer Waffe könne man ernsthaften Schaden anrichten. Das Gericht ging einen Mittelweg zwischen den Anträgen von Staatsanwalt und Verteidiger und kam zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Es folgte der Empfehlung des Gutachters, den Angeklagten in eine Entziehungsanstalt zu schicken. Wenn er als geheilt gilt, könne er schon in zwei Jahren wieder ein freier Mann sein. Dann muss er sich den Anforderungen der Justiz stellen, 24 000 Euro aus den Drogenverkäufen von 500 Euro Rente abzuzahlen.
Ein neues Gesetz verpflichtet die Gerichte in solchen Fällen zu diesen Maßnahmen. „Verbrechen dürfen sich nicht lohnen“, erklärte der Vorsitzende. „Wenn der Kauf von weichen Drogen wie Haschisch und Marihuana freigegeben würde, wie jetzt in immer mehr konservativen Ländern wie den USA, dann wäre mein Mandant nicht kriminell geworden“, sagte der Verteidiger.