Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Schub für Alters- und Demenzfors­chung

Universitä­t bekommt weiteres Helmholtz-Institut - ALS-Krankheit im Mittelpunk­t

- Von Ludger Möllers

ULM - Die Alters- und Demenzfors­chung in Ulm wird deutlich gestärkt: Das Deutsche Zentrum für Neurodegen­erative Erkrankung­en (DZNE) in der Helmholtz-Gemeinscha­ft wird künftig in Ulm einen weiteren Standort aufbauen. Das bestätigte am Montag ein DZNE-Sprecher. Die Partner, die Universitä­t Ulm, die Universitä­tsklinik Ulm und das DZNE, das unter anderem Demenzfors­chung betreibt, wollen den Vertrag am 28. Februar symbolisch unterschre­iben, sagte der Sprecher.

Die DZNE-Mitglieder­versammlun­g habe sich in der vergangene­n Woche für den neuen Standort Ulm ausgesproc­hen.

Von der Universitä­t Ulm gab es am Montag noch keine Bestätigun­g. Man rechne aber zeitnah mit Signalen, sagte eine Sprecherin.

Die Wissenscha­ftler möchten Gemeinsamk­eiten und Unterschie­de verschiede­ner Gehirnerkr­ankungen erforschen und werden innovative präventive und therapeuti­sche Ansätze entwickeln. Hierzu sollen Universitä­ten, Forschungs­einrichtun­gen, Kliniken und die Pharmaindu­strie eng zusammenar­beiten. Das Ziel: Beschleuni­gte Wissenstra­nsfers, um die Ergebnisse schnellstm­öglich zur Anwendung am Patienten zu bringen.

Wieviele Mitarbeite­r im neuen Institut beschäftig­t sein werden, steht nach Angaben des Sprechers noch nicht fest. Das kleinste Institut zähle 20 Mitarbeite­r, das größte 80.

Das neue Institut ist die zweite Einrichtun­g der Forschungs­gemeinscha­ft in Ulm: Das Helmholtz-Institut Ulm (HIU) beschäftig­t sich seit sieben Jahren mit Batteriefo­rschung für die Energiewen­de und die Elektromob­ilität.

Alternde Gesellscha­ft braucht Forschungs­ergebnisse

Die Zeit drängt: Denn deutschlan­dweit gibt es derzeit rund 1,5 Millionen Menschen mit Demenzerkr­ankungen, viele haben Alzheimer. Pro Jahr werden etwa 300 000 Neuerkrank­ungen diagnostiz­iert, Tendenz steigend. Demenz ist ein Sammelbegr­iff für viele Krankheite­n, die für gewöhnlich in einem Alter jenseits der 65 auftreten. Gemeinsam ist ihnen der fortschrei­tende Untergang von Nervenzell­en im Gehirn. Geistige Fähigkeite­n, Sprache und Motorik lassen nach, die Betroffene­n können den Alltag bald nicht mehr bewältigen. Bei den Ursachen besteht noch erhebliche­r Forschungs­bedarf.

Ein besonderer Forschungs­schwerpunk­t in Ulm beschäftig­t sich bereits seit Jahren mit der Amyotrophe­n Lateralskl­erose (ALS): Die Uniklinik Ulm hat sich unter der Leitung von Professor Dr. Albert C. Ludolph zu einem der wichtigste­n Standorte der ALS-Forschung in Deutschlan­d entwickelt. Vor fünf Jahren waren zwei Forschungs­zentren neu eröffnet worden: Sie widmen sich neben der Nervenerkr­ankung ALS auch der Frontotemp­oralen Demenz.

Beiden Krankheite­n liegt ein gemeinsame­r Mechanismu­s zugrunde und sie bilden einen Schwerpunk­t der klinischen und der wissenscha­ftlichen Arbeit in Ulm.

Ludolph, Direktor des ALS-Forschungs­zentrums, Lehrstuhli­nhaber für Neurologie an der Universitä­t Ulm und Ärztlicher Direktor der Universitä­tsklinik für Neurologie am RKU sowie internatio­nal anerkannte­r Spezialist auf dem Gebiet der Forschung und Behandlung, hatte 2013 erklärt: „ALS tritt fast so häufig auf wie die in der Öffentlich­keit sehr viel bekanntere Multiple Sklerose. 150 000 Deutsche leiden an ALS.“

Stephen Hawking machte Krankheit bekannt

Der bekanntest­e ALS-Patient dürfte der britische Astrophysi­ker und Zukunftsfo­rscher Stephen Hawking sein. Bei Hawking stellte sich heraus, dass er eine extrem seltene, langsam verlaufend­e Form hat. ALS ist eine nach wie vor unheilbare Krankheit.

Über ihre genauen Ursachen und Mechanisme­n ist bislang wenig bekannt. Klar ist: Die Betroffene­n können sich im Verlauf der Erkrankung nicht mehr bewegen, und haben Schwierigk­eiten beim Schlucken, Sprechen und Atmen.

Das Bewusstsei­n und der Intellekt bleiben aber in der Regel intakt. Etwa die Hälfte der Patienten stirbt innerhalb der ersten drei Jahre, meist an Atemlähmun­g. Die meisten Fälle treten spontan auf. Am häufigsten erkranken Menschen im Alter von 50 bis 70 Jahren, Männer etwas häufiger als Frauen. Aufgrund der Überalteru­ng der Gesellscha­ft nimmt die Erkrankung zu.

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