Im Würgegriff des Geldes
Molières Komödie „Der Geizige“am Theater Ulm ist ein frecher Kostümspaß
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ULM - Die Goldhose hätte Elvis auch tragen können. Den Song hat der „King“sowieso berühmt gemacht. „Are You Lonesome Tonight?“, fragt der rätselhafte Sänger sehnsuchtsvoll mit dunkler Stimme, bevor es losgeht auf der Bühne. Liebessehnsucht haben in Molières Komödie „Der Geizige“, die nun im Theater Ulm Premiere feierte, fast alle. Nur das Herz der Titelfigur Harpagon, diesem Urbild des knickrigen Sonderlings, hängt eigentlich bloß an seinem Reichtum.
„Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles“, ließt Goethe das Gretchen in seinem „Faust“aufsagen. Der Franzose Molière wusste das schon früher: „Der Geizige“, uraufgeführt 1668, zeigt, wie zu viel Liebe zum Geld die Liebe zwischen den Menschen zerstören kann. Das bleibt heute noch genauso wahr, zu- mal damals wie heute eine bürgerliche Mittelschicht zwischen Gier und Abstiegsängsten gefangen war/ist. Regisseurin Cordula Jung und Ausstatterin Britta Lammers verzichten allerdings auf solche aktuellen Beziehungen.
Stattdessen verknüpft die sehenswerte Ulmer Inszenierung Barock und Fifties-Flair: Barock ’n’ Roll – vielleicht nicht mit dem letzten Twist, aber unterhaltsam und frech gespielt. Und mit immer wieder ein bisschen Musik dazu.
Die Handlung ist verworren: Harpagon hat im Garten einen Schatz vergraben, was ihm schlaflose Nächte bereitet. Seine Kinder plagen andere Probleme: Elise liebt heimlich Valère, der deswegen eine Stellung als Verwalter im Haus angenommen hat. Und Sohn Cléante liebt die schöne, aber leider mittellose Mariane. Der unbelehrbare Vater Harpagon hingegen will die Tochter ohne Mit- gift an einen italienischen Edelmann abgeben, den Sohn mit einer reichen Witwe vermählen – und aus Eitelkeit die für ihn viel zu junge Mariane selbst heiraten. Eine unlösbare Konstellation? Nicht bei Molière.
Dass die Vorlage 350 Jahre alt ist, spürt man in im Theater Ulm kaum, was auch an der von Regisseurin Cordula Jung bearbeiten Textfassung liegt, die vor allem in der zweiten Hälfte voll ist mit knackigen Zeilen („eine Frau muss ein bisschen Ekel ab und zu aushalten können“) und sich einen schönen Spaß damit erlaubt, dass fast jeder Beteiligte für seine Zwecke genau den Betrag zu brauchen scheint, der in Harpagons Schatulle liegt.
Das Bühnenbild ist ein fensterloser Raum, der mit barockem Mustertapeten bezogen ist. Die Kostüme zitieren den barocken Versailles-Chic aus Molières Zeiten samt Rüschen und Schuhschleifchen; bei den bei- den Kindern wird daraus hingegen Vintage-Look der 50er.
Die Darstellung der bockigen Teenies durch Neuzugang Franziska Maria Pößl (Elise) und Jakob Egger (Cléante) wird zum Vergnügen, besser noch agiert Fabian Gröver als einfältiger Koch und Kutscher mit Metzgerblick. Timo Ben Schöfer, dessen Rolle erst am Schluss klar wird, darf zwischendurch sein Singtalent beweisen.
Die insgesamt gute Ensembleleistung krönt Karl Heinz Glaser: Das Theater hat den Ruheständler als Gast reaktiviert, und er spielt den greisen Geizhals und Hagestolz Harpagon kantig und fiebrig – auch noch beim begeisterten Schlussapplaus. Dann drückt er noch einmal die Geldkassette an sich. Ja, es ist Liebe.