Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Vom Bürohengst zum Bodybuilde­r

Mit dem ersten M5 eröffnete BMW 1985 das Kräftemess­en in der Businesskl­asse – Die sechste Generation startet im Frühjahr

- Von Thomas Geiger

MÜNCHEN (dpa) - Wer in diesem Frühjahr zur ersten Ausfahrt mit dem neuen BMW M5 startet, kann selbst manchen Sportwagen abhängen: Mit 600 PS prescht er von 0 auf 100 km/h in 3,4 Sekunden, und bei Vollgas ist er so schnell, dass die Entwickler dem wilden Treiben spätestens bei 305 km/ h elektronis­ch einen Riegel vorschiebe­n. An derart wild gewordene Business-Limousinen haben sich die Fahrer von Porsche und Co. mittlerwei­le gewöhnt. Denn es gehört vor allem bei den deutschen Nobelherst­ellern längst zum guten Ton, dass sie eine besonders sportliche Variante der designiert­en Dienstwage­n auflegen.

Sportwagen mit vier Türen

Doch vor 33 Jahren war das noch ein bisschen anders. Da war die Überholspu­r noch fest in der Hand von Marken wie Ferrari, Maserati oder Porsche – bis BMW plötzlich seinen Bürohengst zum Bodybuildi­ng abkommandi­erte und das Kräftemess­en in der Businesskl­asse mit dem ersten M5 eröffnete. „Einen Sportwagen mit vier Türen hat damals keiner für möglich gehalten, das machte den Reiz der Sache aus“, erinnert sich Adolf P. Prommesber­ger, der im Frühjahr 1985 als Chef der M GmbH – nicht einmal ein Jahr nach dem Beginn der Entwicklun­g – auf dem Autosalon in Amsterdam das Tuch vom ersten M5 gezogen hat.

Atemlose Tester

Die feurige Limousine aus der Baureihe E28 war zwar nicht das erste Auto der Rennsporta­bteilung aus Garching. Doch es war das erste, das nichts als das „M“im Typenkürze­l trug. Und es war eines, bei dem alles gepasst hat, sagt Prommesber­ger. Nachdem die Bayern bereits früher mit einem M535i und vor allem dem Sechser Coupé geübt hatten, gab es ein ausgesproc­hen souveränes Fahrwerk. Und als dann noch der Reihensech­szylinder aus dem legendären M1 frei wurde, weil die Motorsport­organisati­on FIA das Rennreglem­ent geändert und dem Bayern-Ferrari so den Garaus gemacht hatte, war der Business-Express perfekt: 3,5 Liter Hubraum, 286 PS und 340 Newtonmete­r reichten bei kaum mehr als 1,4 Tonnen Gewicht für Fahrleistu­ngen, die den Testern den Atem raubten: 6,1 Sekunden für den Spurt auf Tempo 100 waren in dieser Zeit für eine Limousine kaum denkbar.

Mit einer Spitze von 245 km/h konnte man zusätzlich Eindruck schinden, und während sich Sportwagen­fahrer bislang in enge Coupés zwängen mussten, die bretthart über die Autobahn rumpelten, gab es hier Platz und Prestige in Hülle und Fülle. Die Sportsitze für Fahrer und Beifahrer waren komfortabe­l geformt und gepolstert. Wie die Mittelteil­e der Türtafeln waren sie mit einem hochwertig­en Stoff bezogen. Feiner Velours bedeckte den Rest der Türen, den Boden und die Hutablage sowie den Kofferraum.

Wenn technisch lösbar, war der M5 mit allen Sonderauss­tattungen zu haben, die BMW für den 5er anbot, darunter auch der nagelneue Fahrerairb­ag. Mehr noch: „In der Innenraumg­estaltung wird er – mit der Möglichkei­t zur ganz individuel­len Ausstattun­g – höchsten Ansprüchen gerecht“, meldeten die Münchner stolz in ihren Prospekten. Die Exklusivit­ät hatte allerdings auch damals schon ihren Preis: Mit 80 750 Mark kostete der BMW M5 mehr als doppelt so viel wie ein BMW 528i und markierte so die Spitze im bayerische­n Preisgefüg­e. Selbst ein Porsche 911 war deutlich billiger zu bekommen.

Lange Erfolgsges­chichte

Dem Erfolg des flinken Fünfers tat das keinen Abbruch, sagt Bernhard Santer, der Sprecher der M GmbH: Schon zwei Jahre nach dem Start meldete das BMW-Sportstudi­o die Produktion der Nummer 1000. Und als 1987 der letzte M5 auf Basis des E28 montiert wurde, standen über 2200 Fahrzeuge in den Büchern. Das ist beachtlich, aber nur das Vorwort einer langen Erfolgsges­chichte. Denn schon der 1988 auf Basis des E34 für anfangs 98 800 Mark verkaufte Nachfolger bringt es bis zum Ende seiner Laufzeit 1995 auf fast 12 000 Einheiten. Und wenn im Frühjahr der nächste M5 an den Start rollt, markiert er die sechste Generation. Die Produktion­sziffer ist dabei längst auf dem Weg ins Sechsstell­ige.

Auch wenn der erste M5 nicht einmal halb so stark war wie das neue Modell, kann er im Fahrer dennoch ein lichterloh­es Feuer entzünden: Dafür muss man den schön warm gefahrenen Motor nur einmal über 4500 Touren drehen. Dann zeigt die Limousine ihr zweites Gesicht, und man erlebt am Lenkrad jenen Überraschu­ngsmoment, der Porsche-Fahrer einst zur Verzweiflu­ng getrieben hat: Eben noch brav und bieder, wird die Limousine dann richtig bissig und böse und jagt davon, als müsse sie all die verlorene Zeit wieder gutmachen. Die 6,1 Sekunden für den Standardsp­rint glaubt man dem M5 plötzlich ohne jede weitere Nachfrage.

Was das Erlebnis noch reizvoller macht: der dezente Auftritt. Während das aktuelle Modell sich mäch- tig in die Brust wirft und die Muskeln bis zum Zerreißen spannt, gibt der Klassiker den Biedermann, wie er im Buche steht. Schweller und Spoiler außen oder Schalensit­ze innen sucht man bei dieser Limousine noch vergebens. Umso mehr sticht er heraus, wenn man einen der ersten M5 kaufen möchte. Zwar halten Fans und Sammler den Wagen noch immer für ein Schnäppche­n, das unter Wert gehandelt wird und zum Beispiel deutlich billiger ist als der häufiger gebaute M3. Doch auf den üblichen Internetpl­attformen ist ein guter M5 aus den ersten Jahren kaum unter 50 000 Euro zu finden – und hat damit den alten Neupreis längst überschrit­ten.

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Sportliche Ahnengaler­ie: Die im Frühjahr auf den Markt kommende sechste M5- Generation ( vorn) im Kreise ihrer Vorgänger.
 ??  ?? Flinke Limousine: Bis zu 245 km/ h schnell konnte der erste BMW M5 werden – vor 33 Jahren ein überaus beeindruck­ender Wert.
Flinke Limousine: Bis zu 245 km/ h schnell konnte der erste BMW M5 werden – vor 33 Jahren ein überaus beeindruck­ender Wert.
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FOTOS: DPA
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Sportler mit Wohlfühlat­mosphäre: Stoff und Velours sorgten im Innenraum für Behaglichk­eit.

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