Vom Bürohengst zum Bodybuilder
Mit dem ersten M5 eröffnete BMW 1985 das Kräftemessen in der Businessklasse – Die sechste Generation startet im Frühjahr
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MÜNCHEN (dpa) - Wer in diesem Frühjahr zur ersten Ausfahrt mit dem neuen BMW M5 startet, kann selbst manchen Sportwagen abhängen: Mit 600 PS prescht er von 0 auf 100 km/h in 3,4 Sekunden, und bei Vollgas ist er so schnell, dass die Entwickler dem wilden Treiben spätestens bei 305 km/ h elektronisch einen Riegel vorschieben. An derart wild gewordene Business-Limousinen haben sich die Fahrer von Porsche und Co. mittlerweile gewöhnt. Denn es gehört vor allem bei den deutschen Nobelherstellern längst zum guten Ton, dass sie eine besonders sportliche Variante der designierten Dienstwagen auflegen.
Sportwagen mit vier Türen
Doch vor 33 Jahren war das noch ein bisschen anders. Da war die Überholspur noch fest in der Hand von Marken wie Ferrari, Maserati oder Porsche – bis BMW plötzlich seinen Bürohengst zum Bodybuilding abkommandierte und das Kräftemessen in der Businessklasse mit dem ersten M5 eröffnete. „Einen Sportwagen mit vier Türen hat damals keiner für möglich gehalten, das machte den Reiz der Sache aus“, erinnert sich Adolf P. Prommesberger, der im Frühjahr 1985 als Chef der M GmbH – nicht einmal ein Jahr nach dem Beginn der Entwicklung – auf dem Autosalon in Amsterdam das Tuch vom ersten M5 gezogen hat.
Atemlose Tester
Die feurige Limousine aus der Baureihe E28 war zwar nicht das erste Auto der Rennsportabteilung aus Garching. Doch es war das erste, das nichts als das „M“im Typenkürzel trug. Und es war eines, bei dem alles gepasst hat, sagt Prommesberger. Nachdem die Bayern bereits früher mit einem M535i und vor allem dem Sechser Coupé geübt hatten, gab es ein ausgesprochen souveränes Fahrwerk. Und als dann noch der Reihensechszylinder aus dem legendären M1 frei wurde, weil die Motorsportorganisation FIA das Rennreglement geändert und dem Bayern-Ferrari so den Garaus gemacht hatte, war der Business-Express perfekt: 3,5 Liter Hubraum, 286 PS und 340 Newtonmeter reichten bei kaum mehr als 1,4 Tonnen Gewicht für Fahrleistungen, die den Testern den Atem raubten: 6,1 Sekunden für den Spurt auf Tempo 100 waren in dieser Zeit für eine Limousine kaum denkbar.
Mit einer Spitze von 245 km/h konnte man zusätzlich Eindruck schinden, und während sich Sportwagenfahrer bislang in enge Coupés zwängen mussten, die bretthart über die Autobahn rumpelten, gab es hier Platz und Prestige in Hülle und Fülle. Die Sportsitze für Fahrer und Beifahrer waren komfortabel geformt und gepolstert. Wie die Mittelteile der Türtafeln waren sie mit einem hochwertigen Stoff bezogen. Feiner Velours bedeckte den Rest der Türen, den Boden und die Hutablage sowie den Kofferraum.
Wenn technisch lösbar, war der M5 mit allen Sonderausstattungen zu haben, die BMW für den 5er anbot, darunter auch der nagelneue Fahrerairbag. Mehr noch: „In der Innenraumgestaltung wird er – mit der Möglichkeit zur ganz individuellen Ausstattung – höchsten Ansprüchen gerecht“, meldeten die Münchner stolz in ihren Prospekten. Die Exklusivität hatte allerdings auch damals schon ihren Preis: Mit 80 750 Mark kostete der BMW M5 mehr als doppelt so viel wie ein BMW 528i und markierte so die Spitze im bayerischen Preisgefüge. Selbst ein Porsche 911 war deutlich billiger zu bekommen.
Lange Erfolgsgeschichte
Dem Erfolg des flinken Fünfers tat das keinen Abbruch, sagt Bernhard Santer, der Sprecher der M GmbH: Schon zwei Jahre nach dem Start meldete das BMW-Sportstudio die Produktion der Nummer 1000. Und als 1987 der letzte M5 auf Basis des E28 montiert wurde, standen über 2200 Fahrzeuge in den Büchern. Das ist beachtlich, aber nur das Vorwort einer langen Erfolgsgeschichte. Denn schon der 1988 auf Basis des E34 für anfangs 98 800 Mark verkaufte Nachfolger bringt es bis zum Ende seiner Laufzeit 1995 auf fast 12 000 Einheiten. Und wenn im Frühjahr der nächste M5 an den Start rollt, markiert er die sechste Generation. Die Produktionsziffer ist dabei längst auf dem Weg ins Sechsstellige.
Auch wenn der erste M5 nicht einmal halb so stark war wie das neue Modell, kann er im Fahrer dennoch ein lichterlohes Feuer entzünden: Dafür muss man den schön warm gefahrenen Motor nur einmal über 4500 Touren drehen. Dann zeigt die Limousine ihr zweites Gesicht, und man erlebt am Lenkrad jenen Überraschungsmoment, der Porsche-Fahrer einst zur Verzweiflung getrieben hat: Eben noch brav und bieder, wird die Limousine dann richtig bissig und böse und jagt davon, als müsse sie all die verlorene Zeit wieder gutmachen. Die 6,1 Sekunden für den Standardsprint glaubt man dem M5 plötzlich ohne jede weitere Nachfrage.
Was das Erlebnis noch reizvoller macht: der dezente Auftritt. Während das aktuelle Modell sich mäch- tig in die Brust wirft und die Muskeln bis zum Zerreißen spannt, gibt der Klassiker den Biedermann, wie er im Buche steht. Schweller und Spoiler außen oder Schalensitze innen sucht man bei dieser Limousine noch vergebens. Umso mehr sticht er heraus, wenn man einen der ersten M5 kaufen möchte. Zwar halten Fans und Sammler den Wagen noch immer für ein Schnäppchen, das unter Wert gehandelt wird und zum Beispiel deutlich billiger ist als der häufiger gebaute M3. Doch auf den üblichen Internetplattformen ist ein guter M5 aus den ersten Jahren kaum unter 50 000 Euro zu finden – und hat damit den alten Neupreis längst überschritten.