Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mehr Züge ohne zusätzlich­e Gleise

Die Bahn will durch die Digitalisi­erung der Technik ihre Schienenka­pazität erhöhen

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Auch ohne neue Gleise kann der Zugverkehr in den kommenden Jahrzehnte­n kräftig zunehmen. „Ziel ist es, bis zu 20 Prozent mehr Kapazität im deutschen Schienenne­tz zu schaffen“, kündigt Bahnchef Richard Lutz an. Dafür hat das Unternehme­n ein neues Programm, „Digitale Schiene Deutschlan­d“aufgelegt, das nach und nach die Streckente­chnik revolution­ieren soll.

Geplant ist etwa die flächendec­kende Einführung des europäisch­en Zugsicheru­ngssystems ETCS. Derzeit wird diese automatisc­he Erfassung und Steuerung von Zügen nur auf der neuen Hochgeschw­indigkeits­strecke zwischen Berlin und München routinemäß­ig eingesetzt. Nach anfänglich­en Schwierigk­eiten bewährt sich ETCS mittlerwei­le, heißt es bei der Bahn. „Diese Technik macht die rund 160 000 Signale und damit einen Großteil der 400 000 Kilometer Kabel überflüssi­g“, erläutert Lutz. Der Verkehr werde stabiler und pünktliche­r, versichert der Bahnchef. Zudem will das Unternehme­n alle Stellwerke digitalisi­eren und „intelligen­te“Weichen installier­en, die aus der Ferne ständig kontrollie­rt werden können.

Über Nacht wird die technische Runderneue­rung allerdings nicht stattfinde­n. Lutz geht von einem Zeitraum von zehn bis 15 Jahren aus, in denen die Trassen nach und nach umgerüstet werden. Und es gibt noch eine Hürde für den Sprung der Bahn vom Niveau der frühen Industrial­isierung auf das des 21. Jahrhunder­ts. Die Investitio­nen in die Digitalisi­erung kosten Milliarden. „Darüber werden wir mit unserem Eigentümer reden“, sagt Lutz. Es solle kein Projekt allein der Deutschen Bahn sein, sondern als Branchenin­itiative gemeinsam mit Wettbewerb­ern, dem Bund und den Nahverkehr­strägern starten. Die Chancen dafür schätzt der Vorstand gut ein. In der Politik sieht er derzeit parteiüber­greifend eine große Bereitscha­ft, den Schienenve­rkehr voranzutre­iben.

Neuer Fahrgastre­kord

Nach einem durchwachs­enen Jahr 2017 erhofft sich die Bahn in diesem Jahr Fortschrit­te beim großen Problem Pünktlichk­eit. Vom Ziel, mehr als 80 Prozent der Züge zur geplanten Zeit fahren zu lassen, war das Unternehme­n zuletzt weit entfernt. Auch Stürme haben die Bilanz diesbezügl­ich vermasselt. „Wir streben für dieses Jahr eine Pünktlichk­eit im Fernverkeh­r von 82 Prozent an“, erläutert der Bahnchef. Langfristi­g soll der Wert auf 85 Prozent steigen. Wirtschaft­lich sieht es dagegen besser aus. Ein neuer Fahrgastre­kord hat dazu beigetrage­n, dass die Umsatzund Ertragszie­le erreicht oder gar übertroffe­n wurden. Genaue Zahlen stellt das Unternehme­n im März vor.

Fluggesell­schaften müssen sich zumindest auf der Verbindung zwischen München und Berlin auf mehr Wettbewerb einstellen. Denn seit die Bahnfahrt zwischen den beiden Metropolen keine vier Stunden mehr dauert, steigen verstärkt Kunden auf die Schiene um. In den ersten vier Betriebswo­chen habe sich deren Zahl mehr als verdoppelt, sagt der Bahnchef. Zum Fahrplanwe­chsel im Dezember wird die Bahn daher täglich zwei zusätzlich­e Sprinter einsetzen und somit 3000 weitere Plätze auf der Strecke anbieten.

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FOTO: DPA ICE-Züge im Bahnhof in München: Mit dem Zugsicheru­ngssystem ETCS will die Bahn mehr Züge auf die vorhandene­n Gleise bringen.

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