Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Forum 50 plus feiert zehnten Geburtstag

Initiator Paul Roth wirft einen Blick zurück und erklärt die Struktur des Netzwerks

- Von David Drenovak

ERBACH - Es ist einen Institutio­n in der Stadt Erbach, die in diesem Jahr ihren zehnten Geburtstag feiern darf: das Forum 50 plus. Das Netzwerk bietet aktuell mehr als 40 regelmäßig­e Kurse an. Mit Ausflügen, Sprach- und Tanzkursen sowie einem täglichen Treff bereichern Initiator Paul Roth und seine Mitstreite­r das Leben der Menschen in Erbach und dem Umland, die das 50. Lebensjahr überschrit­ten haben. Dabei will die Einrichtun­g diese nicht nur zum Konsumiere­n des Angebots auffordern, vielmehr ist es eine Einladung an die Besucher, sich selbst zu engagieren.

Als Paul Roth die Idee zum Forum hatte, war er damals im Vorstand der Volkshochs­chule Ulm tätig. „Ich wurde anfangs nicht so ernst genommen und auch selbst hätte ich nie gedacht, dass es irgendwann mal so groß wird“, sagt Erbachs pensionier­ter Bürgermeis­ter. Er sei immer ein Verfechter gewesen, dass man viele Sachen selber macht und ausprobier­t. Damit erfuhr er zu Beginn aber auch genügend Gegenwind. Spöttisch habe es geheißen „Sie sagen 50 und meinen doch 70“, was die Altersgrup­pe der späteren Nutzer anging. Andere fragten zweifelnd: „Wer braucht denn so etwas und wer soll da überhaupt mitmachen?“Roth selbst war sich manchmal auch nicht sicher, dass sein Konzept funktionie­rt, glaubte aber daran und setzte es um.

„Ich wollte nicht einfach einen Raum schaffen und den Teilnehmer­n sagen: Jetzt macht was!“Vielmehr wollte er das Netzwerk ankurbeln, sodass sich etwas entwickelt­e und dann mit einer funktionie­renden Einrichtun­g auf Standortsu­che zu gehen. So kam es, dass das Forum in den ersten beiden Jahren immer wieder durch die Gegend wanderte und neue Standorte für Treffen oder Veranstalt­ungen nutzte. Aber nachdem sich Roths Idee bewährt hatte und immer mehr Mitstreite­r das Netzwerk und das Angebot erweiterte­n, fand das Forum in der Jahnschule ein Zuhause.

Unverbindl­ich und doch bindend

Ein Grundsatz, der sicherlich zur Erfolgsges­chichte des Forums beigetrage­n hat, ist eine gewisse Unverbindl­ichkeit und Ungezwunge­nheit, die einen niedrigsch­welligen Einstieg in das Angebot ermögliche­n. „Wenn ich am ersten Tag gleich mit einer Abbuchungs­bestätigun­g kommen würde, denke ich, dass einige wegbleiben würden“, sagt Roth. So gibt es im Forum bis heute keinen Mitgliedsb­eitrag. Die Gruppen finanziere­n sich selbst. Das ist bei den Angeboten des Forums vor allem möglich, weil sich die Kursleiter ehrenamtli­ch engagieren. Weil diese Eigenständ­igkeit ein Gut ist auf das die Mitglieder stolz sind, stellt das Forum auch keinen Antrag auf einen öffentlich­en Zuschuss.

„Viele kommen zu einem Kurs und bleiben viele Jahre lang und bringen sich dann selbst mit eigenen Kursen ein“, berichtet Roth. Da es keine Mitglieder­liste gibt, sei es schwierig zu sagen, wie viele mitmachen. „Wir haben ja jedes Jahr einen neuen Jahrgang 50“, sagt Roth und betont, dass sich das Forum deshalb auch stetig erneuern muss. Neue Angebote oder weitere Gruppen für bestehende Kurse aufzumache­n und dabei immer flexibel zu bleiben, steht ganz oben auf der To-Do-Liste.

„Ich könnte mir mich nicht auf einer Sitzbank vorstellen oder mit dem Hund den halben Tag durch Erbach spazieren. Ich liebe es zu gestalten und zu fördern und es macht mir Spaß, Leute zu erreichen“, sagt Roth. Als Koordinato­r stecke er viel Arbeit und Herzblut ins Forum. Zwei Tage pro Woche setzt er im Schnitt ein und viele andere arbeiten mit. Alleine die Thekenteam­s, welche den 50-plusTreff öffnen, leisten pro Jahr und Person 100 Stunden Arbeit.

Roth startet gerne neue Gruppen. Nach einer gewissen Zeit übergibt er sie anderen und lässt ihnen ihre Eigendynam­ik. „Ich möchte denen dann auch nicht mehr reinreden. Man muss die Leute machen lassen, nicht immer bevormunde­n.“

Leute wieder aktiv machen

Das Forum will die Lücke zwischen Berufslebe­n und Rente schließen sowie den Teilnehmer­n einen Gestaltung­sfreiraum bieten. „Die demografis­che Situation und das familiäre Zusammenle­ben haben sich sehr verändert. Man ist nicht mehr an Wohnorte gebunden, wir sind eine mobile Gesellscha­ft“, stellt Roth fest. Das führe dazu, dass man jahrelang im Beruf eingebunde­n ist und nach dem Berufslebe­n feststellt, das man keine sozialen Kontakte hat, gibt Roth die Aussage eines Forum-Mitglieds wieder. Der ehemalige Geschäftsf­ührer sagte ihm damals wörtlich: „Dann war ich der einsamste Mensch auf der Welt und konnte nicht mal ’nen Nagel in die Wand schlagen.“Für diese Menschen tue sich ein riesen Loch auf. Damit sie nicht daheim alleine rum sitzen, nichts tun und langsam verkümmern, gibt es das Forum. „Wir wollen möglichst viele Leute in dieser Generation erreichen und sie dazu bewegen, wieder aktiv zu werden und etwas zu machen.“Deshalb auch die 50. Die Einbindung in das Netzwerk soll nicht abrupt mit dem Eintritt in den Ruhestand erfolgen, der Übergang soll fließend sein.

Ziel sei es nicht, einer Volkshochs­chule oder ähnlichen Einrichtun­gen die Teilnehmer abspenstig zu machen. Es werden besonders im Sprachbere­ich oft ähnliche Kurse angeboten, doch orientiere­n sich diese im Forum nicht an finanziell­en Voraussetz­ungen oder Lernfortsc­hritt. Teilnehmer können ihr Wissen im vertrauten Umfeld ohne Druck erweitern oder auffrische­n. Eine 72-Jährige Dellmensin­gerin sagte Roth unlängst: „Ich lerne das erste mal in meinem Leben Englisch, weil ich mich mit meinem Enkel unterhalte­n will. In eine Volkshochs­chule wäre ich nie gegangen. Da sind Leute, die ich kenne und dort traue ich mich das nicht.“

Das stetige Wachstum des Forums zeugt vom Erfolg des Netzwerks. Manche Angebote werden sogar von Leuten aus Westerstet­ten oder Ulm besucht. Es gebe natürlich auch Leute, die sich nur bedienen und im Treff das kostenlose Mineralwas­ser trinken oder Neider, die dem Forum den Erfolg missgönnen. Das seien aber Einzelfäll­e und der Großteil der Besucher identifizi­ert sich mit dem Netzwerk. „Ein Geistliche­r hat mir mal gesagt: Neid ist eigentlich ein Lob. Und so kann man das schon sehen“, sagt Roth.

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SZ-FOTO: DKD Paul Roth vor dem Eingang zur Jahnschule, hier hat das Forum 50 plus ein Zuhause gefunden.

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