Forum 50 plus feiert zehnten Geburtstag
Initiator Paul Roth wirft einen Blick zurück und erklärt die Struktur des Netzwerks
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ERBACH - Es ist einen Institution in der Stadt Erbach, die in diesem Jahr ihren zehnten Geburtstag feiern darf: das Forum 50 plus. Das Netzwerk bietet aktuell mehr als 40 regelmäßige Kurse an. Mit Ausflügen, Sprach- und Tanzkursen sowie einem täglichen Treff bereichern Initiator Paul Roth und seine Mitstreiter das Leben der Menschen in Erbach und dem Umland, die das 50. Lebensjahr überschritten haben. Dabei will die Einrichtung diese nicht nur zum Konsumieren des Angebots auffordern, vielmehr ist es eine Einladung an die Besucher, sich selbst zu engagieren.
Als Paul Roth die Idee zum Forum hatte, war er damals im Vorstand der Volkshochschule Ulm tätig. „Ich wurde anfangs nicht so ernst genommen und auch selbst hätte ich nie gedacht, dass es irgendwann mal so groß wird“, sagt Erbachs pensionierter Bürgermeister. Er sei immer ein Verfechter gewesen, dass man viele Sachen selber macht und ausprobiert. Damit erfuhr er zu Beginn aber auch genügend Gegenwind. Spöttisch habe es geheißen „Sie sagen 50 und meinen doch 70“, was die Altersgruppe der späteren Nutzer anging. Andere fragten zweifelnd: „Wer braucht denn so etwas und wer soll da überhaupt mitmachen?“Roth selbst war sich manchmal auch nicht sicher, dass sein Konzept funktioniert, glaubte aber daran und setzte es um.
„Ich wollte nicht einfach einen Raum schaffen und den Teilnehmern sagen: Jetzt macht was!“Vielmehr wollte er das Netzwerk ankurbeln, sodass sich etwas entwickelte und dann mit einer funktionierenden Einrichtung auf Standortsuche zu gehen. So kam es, dass das Forum in den ersten beiden Jahren immer wieder durch die Gegend wanderte und neue Standorte für Treffen oder Veranstaltungen nutzte. Aber nachdem sich Roths Idee bewährt hatte und immer mehr Mitstreiter das Netzwerk und das Angebot erweiterten, fand das Forum in der Jahnschule ein Zuhause.
Unverbindlich und doch bindend
Ein Grundsatz, der sicherlich zur Erfolgsgeschichte des Forums beigetragen hat, ist eine gewisse Unverbindlichkeit und Ungezwungenheit, die einen niedrigschwelligen Einstieg in das Angebot ermöglichen. „Wenn ich am ersten Tag gleich mit einer Abbuchungsbestätigung kommen würde, denke ich, dass einige wegbleiben würden“, sagt Roth. So gibt es im Forum bis heute keinen Mitgliedsbeitrag. Die Gruppen finanzieren sich selbst. Das ist bei den Angeboten des Forums vor allem möglich, weil sich die Kursleiter ehrenamtlich engagieren. Weil diese Eigenständigkeit ein Gut ist auf das die Mitglieder stolz sind, stellt das Forum auch keinen Antrag auf einen öffentlichen Zuschuss.
„Viele kommen zu einem Kurs und bleiben viele Jahre lang und bringen sich dann selbst mit eigenen Kursen ein“, berichtet Roth. Da es keine Mitgliederliste gibt, sei es schwierig zu sagen, wie viele mitmachen. „Wir haben ja jedes Jahr einen neuen Jahrgang 50“, sagt Roth und betont, dass sich das Forum deshalb auch stetig erneuern muss. Neue Angebote oder weitere Gruppen für bestehende Kurse aufzumachen und dabei immer flexibel zu bleiben, steht ganz oben auf der To-Do-Liste.
„Ich könnte mir mich nicht auf einer Sitzbank vorstellen oder mit dem Hund den halben Tag durch Erbach spazieren. Ich liebe es zu gestalten und zu fördern und es macht mir Spaß, Leute zu erreichen“, sagt Roth. Als Koordinator stecke er viel Arbeit und Herzblut ins Forum. Zwei Tage pro Woche setzt er im Schnitt ein und viele andere arbeiten mit. Alleine die Thekenteams, welche den 50-plusTreff öffnen, leisten pro Jahr und Person 100 Stunden Arbeit.
Roth startet gerne neue Gruppen. Nach einer gewissen Zeit übergibt er sie anderen und lässt ihnen ihre Eigendynamik. „Ich möchte denen dann auch nicht mehr reinreden. Man muss die Leute machen lassen, nicht immer bevormunden.“
Leute wieder aktiv machen
Das Forum will die Lücke zwischen Berufsleben und Rente schließen sowie den Teilnehmern einen Gestaltungsfreiraum bieten. „Die demografische Situation und das familiäre Zusammenleben haben sich sehr verändert. Man ist nicht mehr an Wohnorte gebunden, wir sind eine mobile Gesellschaft“, stellt Roth fest. Das führe dazu, dass man jahrelang im Beruf eingebunden ist und nach dem Berufsleben feststellt, das man keine sozialen Kontakte hat, gibt Roth die Aussage eines Forum-Mitglieds wieder. Der ehemalige Geschäftsführer sagte ihm damals wörtlich: „Dann war ich der einsamste Mensch auf der Welt und konnte nicht mal ’nen Nagel in die Wand schlagen.“Für diese Menschen tue sich ein riesen Loch auf. Damit sie nicht daheim alleine rum sitzen, nichts tun und langsam verkümmern, gibt es das Forum. „Wir wollen möglichst viele Leute in dieser Generation erreichen und sie dazu bewegen, wieder aktiv zu werden und etwas zu machen.“Deshalb auch die 50. Die Einbindung in das Netzwerk soll nicht abrupt mit dem Eintritt in den Ruhestand erfolgen, der Übergang soll fließend sein.
Ziel sei es nicht, einer Volkshochschule oder ähnlichen Einrichtungen die Teilnehmer abspenstig zu machen. Es werden besonders im Sprachbereich oft ähnliche Kurse angeboten, doch orientieren sich diese im Forum nicht an finanziellen Voraussetzungen oder Lernfortschritt. Teilnehmer können ihr Wissen im vertrauten Umfeld ohne Druck erweitern oder auffrischen. Eine 72-Jährige Dellmensingerin sagte Roth unlängst: „Ich lerne das erste mal in meinem Leben Englisch, weil ich mich mit meinem Enkel unterhalten will. In eine Volkshochschule wäre ich nie gegangen. Da sind Leute, die ich kenne und dort traue ich mich das nicht.“
Das stetige Wachstum des Forums zeugt vom Erfolg des Netzwerks. Manche Angebote werden sogar von Leuten aus Westerstetten oder Ulm besucht. Es gebe natürlich auch Leute, die sich nur bedienen und im Treff das kostenlose Mineralwasser trinken oder Neider, die dem Forum den Erfolg missgönnen. Das seien aber Einzelfälle und der Großteil der Besucher identifiziert sich mit dem Netzwerk. „Ein Geistlicher hat mir mal gesagt: Neid ist eigentlich ein Lob. Und so kann man das schon sehen“, sagt Roth.