Die Erforschung des Hohle Fels beginnt
Wie der Hohle Fels sich von der Behausung zum Düngerlager und schließlich zur Ausgrabungsstätte entwickelte
● SCHELKLINGEN - Im fünften Teil der Serie um den Hohle Fels beschäftigt sich Winfried Hanold mit dem Beginn der Erforschung der urzeitlichen Behausung und wie das heutige Kulturdenkmal in früheren Zeiten genutzt wurde.
Nachdem die Menschen in der Jungsteinzeit sich ihre eigene „Höhle“, das Haus, als Dauerwohnsitz auserkoren hatten, ist es still im Hohle Fels geworden. Dunkel, kühl und feucht lag er am bewaldeten Nordosthang des Achtales. Dennoch suchten ihn Menschen immer wieder auf, wie das bereits erwähnte Ulrichskreuz zeigt. Ein besonders bemerkenswerter Fund gelang den Archäologen 2001. Es ist eine eiserne Fibel aus der spätesten Latènezeit, den letzten beiden Jahrzehnten vor Christus. Diese 8,6 Zentimeter lange Fibel ist eines von nur drei vergleichbaren Stücken aus Süddeutschland, eine Rarität und weit von den Vergleichsstücken entfernt gefunden. Eine Nachbildung ist im Stadtmuseum Schelklingen ausgestellt.
Noch bis ins frühe 20. Jahrhundert war die Höhle vor allem eines: Schutz für Mensch und Nutztiere vor plötzlich hereinbrechenden Unwettern ebenso wie vor der Hitze im Sommer. In der Flur vor der Höhle, dem „Auwert“, sprudelte zudem bis zur Auffüllung des Platzes eine Quelle mit besonders wohlschmeckendem Wasser, die wohl im Zusammenhang mit dem Hohle Fels stand, wie Eugen Hanold in seinem Buch über die Flurnamen von Schelklingen beschreibt.
Doch auch wirtschaftliche Interessen führten die Menschen des 19. Jahrhunderts in den Hohle Fels. So wird berichtet, dass große Tropfsteine aus dem Hohle Fels zu Ornamenten für das Neue Schloss in Stuttgart verschliffen wurden. Ein Schicksal, das die Höhle mit der Nebelhöhle teilt, welche nach dem Zweiten Weltkrieg Material für die Restaurierung liefern musste. Selbst ein Antrag auf einen „Allwetter“-Steinbruchbetrieb im Hohle Fels wurde schon bei der Stadt Schelklingen eingereicht. Um 1830 baute Karl Friedrich Rixinger, Töpfer aus Gerhausen, Höhlenlehm als Grundstoff für seine Keramik ab. Dabei fand er zahlreiche Knochen, die ihm ein einträgliches Nebengeschäft eröffneten. Ohne genaue Angabe des Fundortes verkaufte er sie an den Uracher Oberförster Friedrich Graf von Mandelsloh, welcher damit seine Sammlung von eiszeitlichen Knochen aus Grabungen in der Schillerhöhle bei Urach ergänzte. Kurz darauf wurde Mandelsloh Kreisforstrat in Ulm. Er erwarb sich einen Ruf als exzellenter Kenner der Geologie der Schwäbischen Alb, die er in seinem Buch „Mémoire sur la constitution géologique de l’Alb“(1834) beschrieb.
Für Hunderte, wenn nicht gar Tausende von Fledermäusen war die Höhle Tagesschlafplatz und Überwinterungsplatz. Sie hinterließen im Hohle Fels dicke Schichten von Fledermaus-Guano. Diesen ließ Georg Reichenbach, Baumwollfabrikant im aufgelösten Kloster Urspring, als Dünger für seine Landwirtschaft abbauen. Dabei wurden weitere Knochen gefunden.
Alle diese Aktivitäten und Funde blieben auch Oscar Fraas nicht verborgen, dem Leiter des Königlichen Naturalienkabinetts in Stuttgart. Dorthin gelangten Zähne und Knochen von Höhlenbären aus der „Blaubeurener Gegend“, die der 1859 verstorbene Oberbaurat Georg Wilhelm Christian von Bühler gesammelt hatte. Nach dem Tode von Mandelsloh 1870 war auch seine Sammlung ins Naturalienkabinett gelangt.
Fraas hatte schon 1861 im Hohlestein im Lonetal geforscht und dabei Spuren für das Nebeneinander von Mensch und Höhlenbär gefunden. Diese galt es zu erhärten. Das württembergische Königshaus war zudem an einer Verbesserung der Landwirtschaft interessiert, so dass Fraas 1870 den Auftrag erhielt, die Ablagerungen im Hohle Fels auf ihre Verwendbarkeit als Dünger zu untersuchen. Dies nutzte er, um zusammen mit seinem Freund Pfarrer Hartmann aus Wippingen eine erste Großgrabung im Hohle Fels durchzuführen. Im November 1870 begannen die Grabungen, wurden dann wegen des harten Winters für fünf Monate ausgesetzt, und von Ende April bis Mitte Juni 1871 fortgesetzt. Die Grabungsmannschaft machte unzählige Funde, auch menschliche Werkzeuge. Mehrere vollständige Höhlenbären-Skelette sollen geborgen worden sein.
Schon auf der 26. Generalversammlung des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg am 24. Juni 1871 in Stuttgart berichtete Fraas über seine Funde. Diese schienen ihm so bedeutend, dass er seinen Kollegen Eduard Desor beauftragte, darüber im Oktober 1871 vor dem fünften internationalen Kongress für prähistorische Anthropologie und Archäologie in Bologna ein ausführliches Referat unter dem Titel „La grotte de Hohlefels près Blaubeuren“zu halten.
Am 11. August 1872 fand anlässlich der 111. allgemeinen Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft in Stuttgart eine Exkursion zum Hohle Fels statt. Sie gab Fraas die erwünschte Gelegenheit, den nahezu hundert Teilnehmern die Bedeutung dieser altsteinzeitlichen Station an Ort und Stelle aufzuzeigen, und sie in der Höhle – so ist überliefert – von der Richtigkeit seiner Beobachtungen zu überzeugen. Für die Teilnehmer der Exkursion waren Funde aus den Grabungen vor der Höhle auf Tischen ausgebreitet. Jeder durfte sich daran reichlich bedienen. Und trotzdem war noch so viel übrig, dass auf dem Schelklinger Bahnhof ein Güterwagen bereit gestellt werden musste, die „Reste“nach Stuttgart zu transportieren. Die reichen Funde wurden im Zweiten Weltkrieg von Stuttgart nach Ludwigsburg ausgelagert und gingen trotzdem in einer Bombennacht bis auf wenige Reste unter. Die Einbauten in der Höhle, die den Exkursionsteilnehmern den Zugang erleichtert hatten, wurden 1905 vom Schwäbischen Albverein entfernt. Damals fand erstmals das Hohle-Felsen-Fest mit Beleuchtung statt.
1906 untersuchte der Tübinger Prähistoriker R.R. Schmidt die Höhle, stieß aber in der völlig ausgeräumten Haupthalle auf keine weiteren Fundschichten. Fraas hatte, so schien es, ganze Arbeit geleistet. Die Höhle galt fortan als „ausgegraben“. Trotzdem blieb der Hohle Fels interessant, wie das Foto von einer Exkursion des Oberrheinischen Geologischen Vereins von 1908 zeigt.