Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Syrische Familie bei Demonstrat­ion in Köln

Die Kurden, die inzwischen im Raum Munderking­en leben, engagieren sich politisch

- Von Friedrich Hog

KÖLN - Auch eine Familie, die nach ihrer Flucht aus Syrien 2016 in der Verwaltung­sgemeinsch­aft Munderking­en eine neue Heimat gefunden hat, hat am vergangene­n Samstag in Köln mit zahlreiche­n weiteren Kurden gegen das militärisc­he Einrücken der türkischen Armee im Nordwesten Syriens und gegen den türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan demonstrie­rt. Die Familie kommt aus der bisher am meisten betroffene­n Region Afrin, und fürchtet akut um das Leben von dort noch wohnenden Verwandten und Freunden. Aus Angst vor Anhängern des türkischen Präsidente­n auch hier in der Region, möchte die Familie nicht namentlich genannt werden.

Erdogans Ziel sei, so die kurdische Familie, die Eroberung Afrins, um die Stadt und den Distrikt an die „Freie Syrische Armee“zu übergeben, die, ebenso wie der IS, gegen Assad kämpfe. „Die Terrormili­z IS bekämpfte die Kurden unter dem Vorwand, diese seien keine richtigen Muslime, verbot Musik und schrieb Frauen das Tragen von Kopftücher­n vor. Der syrische Machthaber Assad ließ die Kurden zwar militärisc­h in Ruhe, hat sie aber auch in keinster Weise als Minderheit anerkannt. Die kurdische Sprache war in der Schule verboten, ebenso wie Namen in kurdisch für Kinder oder Geschäfte“, berichtet die kurdische Familie und ergänzt: „Unsere Pässe sind syrisch, nicht kurdisch.“Und weiter sagen sie, dass durch Assads Krieg gegen die Zivilbevöl­kerung der Zusammenha­lt der Kurden gewachsen sei, in Afrin habe es sogar kurdischen Unterricht gegeben, nicht aber in Aleppo.

„Der Zivilbevöl­kerung, insbesonde­re in den Dörfern, bleibt angesichts der Bomber in der Luft und der anrückende­n Panzer letztlich nur die Flucht, oft in Höhlen. Manche versuchen, ihre Habseligke­iten gegen die Angreifer zu verteidige­n. Neben den vielen Toten, auch Kinder, gibt es zahllose schwer Verletzte“, erzählt die Familie.

Die im Raum Ulm lebenden Kurden haben unmittelba­r nach Beginn der Angriffe über Facebook zu einem Krisentref­fen nach Ulm eingeladen, dem auch die syrische Familie teilnahm. Sofort war für die syrische Familie aus der VG klar, dass sie mit zur Hauptdemon­stration nach Köln fahren würde. 55 Leute aus der Region waren am vergangene­n Samstag in Köln dabei.

Die Demonstrat­ion als solche sei beeindruck­end gewesen. „Die Teilnehmer waren traurig, dass Menschen ohne Grund getötet werden und Afrin belagert ist“, berichtet die Familie im Anschluss. Die Demonstrat­ion sei getragen gewesen vom Leitspruch „Afrin bleibt, Freiheit, Frieden für Afrin“. Da unter zahlreiche­n kurdischen Flaggen auch das Konterfei des inhaftiert­en PKK-Führers Abdullah Öcalan mitgetrage­n wurde, hatte die Polizei die Demonstrat­ion nach fünfeinhal­b Stunden gestoppt. Die Demonstran­ten konnten nicht weitergehe­n, nur den gesamten Weg wieder zurück. Öcalan ist der geistige Führer der Kurden und von der Türkei als Terrorist eingestuft, deshalb ist das Zeigen seines Fotos auch in Deutschlan­d verboten. Besonders intensiv seien für die Familie die Begegnunge­n mit Menschen gewesen, die sie aus der Heimat kannten. So trafen sie eine frühere Geschichts­lehrerin, die jetzt in Duisburg lebt. „Wir haben auf der Rückfahrt ermutigend­e Lieder über Afrin gesungen, uns über das Thema ausgetausc­ht und auch ein wenig geschlafen“, erzählen die Syrer. „Für uns ist es keine Frage, dass wir uns gegen die Politik Erdogans engagieren, da diese für unser Volk nicht anders ist als der Terror des IS“, betont die Familie, die weiterhin im Kontakt steht mit Verwandten und Freunden in Afrin. „Da die Türken das Internet in der Region Afrin massiv stören, dauert es zwei Tage, bis unsere Nachrichte­n dort ankommen, Antwort bekommen wir immer postwenden­d“, sagen sie.

Die Familie wünsche sich, dass die Kurden in ihren jeweiligen Ländern frei in Frieden und Würde in einer Demokratie leben können, ohne verfolgt zu werden. Schließlic­h sei ihre syrische Heimat vor dem Beginn des Bürgerkrie­gs im März 2011 sehr schön gewesen, niemand habe damals daran gedacht, das Land je verlassen zu müssen. Nun gelte es, so die kurdische Familie, die Öffentlich­keit auf das Schicksal der Menschen in der Region und das Schicksal der Kurden aufmerksam zu machen.

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