Syrische Familie bei Demonstration in Köln
Die Kurden, die inzwischen im Raum Munderkingen leben, engagieren sich politisch
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KÖLN - Auch eine Familie, die nach ihrer Flucht aus Syrien 2016 in der Verwaltungsgemeinschaft Munderkingen eine neue Heimat gefunden hat, hat am vergangenen Samstag in Köln mit zahlreichen weiteren Kurden gegen das militärische Einrücken der türkischen Armee im Nordwesten Syriens und gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan demonstriert. Die Familie kommt aus der bisher am meisten betroffenen Region Afrin, und fürchtet akut um das Leben von dort noch wohnenden Verwandten und Freunden. Aus Angst vor Anhängern des türkischen Präsidenten auch hier in der Region, möchte die Familie nicht namentlich genannt werden.
Erdogans Ziel sei, so die kurdische Familie, die Eroberung Afrins, um die Stadt und den Distrikt an die „Freie Syrische Armee“zu übergeben, die, ebenso wie der IS, gegen Assad kämpfe. „Die Terrormiliz IS bekämpfte die Kurden unter dem Vorwand, diese seien keine richtigen Muslime, verbot Musik und schrieb Frauen das Tragen von Kopftüchern vor. Der syrische Machthaber Assad ließ die Kurden zwar militärisch in Ruhe, hat sie aber auch in keinster Weise als Minderheit anerkannt. Die kurdische Sprache war in der Schule verboten, ebenso wie Namen in kurdisch für Kinder oder Geschäfte“, berichtet die kurdische Familie und ergänzt: „Unsere Pässe sind syrisch, nicht kurdisch.“Und weiter sagen sie, dass durch Assads Krieg gegen die Zivilbevölkerung der Zusammenhalt der Kurden gewachsen sei, in Afrin habe es sogar kurdischen Unterricht gegeben, nicht aber in Aleppo.
„Der Zivilbevölkerung, insbesondere in den Dörfern, bleibt angesichts der Bomber in der Luft und der anrückenden Panzer letztlich nur die Flucht, oft in Höhlen. Manche versuchen, ihre Habseligkeiten gegen die Angreifer zu verteidigen. Neben den vielen Toten, auch Kinder, gibt es zahllose schwer Verletzte“, erzählt die Familie.
Die im Raum Ulm lebenden Kurden haben unmittelbar nach Beginn der Angriffe über Facebook zu einem Krisentreffen nach Ulm eingeladen, dem auch die syrische Familie teilnahm. Sofort war für die syrische Familie aus der VG klar, dass sie mit zur Hauptdemonstration nach Köln fahren würde. 55 Leute aus der Region waren am vergangenen Samstag in Köln dabei.
Die Demonstration als solche sei beeindruckend gewesen. „Die Teilnehmer waren traurig, dass Menschen ohne Grund getötet werden und Afrin belagert ist“, berichtet die Familie im Anschluss. Die Demonstration sei getragen gewesen vom Leitspruch „Afrin bleibt, Freiheit, Frieden für Afrin“. Da unter zahlreichen kurdischen Flaggen auch das Konterfei des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan mitgetragen wurde, hatte die Polizei die Demonstration nach fünfeinhalb Stunden gestoppt. Die Demonstranten konnten nicht weitergehen, nur den gesamten Weg wieder zurück. Öcalan ist der geistige Führer der Kurden und von der Türkei als Terrorist eingestuft, deshalb ist das Zeigen seines Fotos auch in Deutschland verboten. Besonders intensiv seien für die Familie die Begegnungen mit Menschen gewesen, die sie aus der Heimat kannten. So trafen sie eine frühere Geschichtslehrerin, die jetzt in Duisburg lebt. „Wir haben auf der Rückfahrt ermutigende Lieder über Afrin gesungen, uns über das Thema ausgetauscht und auch ein wenig geschlafen“, erzählen die Syrer. „Für uns ist es keine Frage, dass wir uns gegen die Politik Erdogans engagieren, da diese für unser Volk nicht anders ist als der Terror des IS“, betont die Familie, die weiterhin im Kontakt steht mit Verwandten und Freunden in Afrin. „Da die Türken das Internet in der Region Afrin massiv stören, dauert es zwei Tage, bis unsere Nachrichten dort ankommen, Antwort bekommen wir immer postwendend“, sagen sie.
Die Familie wünsche sich, dass die Kurden in ihren jeweiligen Ländern frei in Frieden und Würde in einer Demokratie leben können, ohne verfolgt zu werden. Schließlich sei ihre syrische Heimat vor dem Beginn des Bürgerkriegs im März 2011 sehr schön gewesen, niemand habe damals daran gedacht, das Land je verlassen zu müssen. Nun gelte es, so die kurdische Familie, die Öffentlichkeit auf das Schicksal der Menschen in der Region und das Schicksal der Kurden aufmerksam zu machen.