Aus dem Obstkorb der Kunstgeschichte
Das Museum der Brotkultur zeigt Werke aus dem 20. und 21. Jahrhundert rund um das Thema Früchte
●
ULM - Obst musste schon oft als Träger religiöser Botschaften herhalten: Die biblische Geschichte von Adam und Eva nimmt bekanntlich durch den Genuss einer verbotenen Frucht eine schlechte Wendung. Dafür müssen Apfel, Ananas und Aprikose in Missionsprospekten der Zeugen Jehovas als Schöpfungsbeweis herhalten: So schön, so köstlich, das könne kein Werk des Zufalls sein. Ästhetik und Symbolgehalt von Obst haben seit jeher auch Künstler inspiriert – und tun es noch. Das zeigt das Ulmer Museum der Brotkultur in seiner bislang wohl vitaminreichsten Ausstellung: „Zum Anbeißen: Früchte in der Kunst“.
Insgesamt 27 Werke hat Direktorin Isabel Greschat für die Schau, die am Donnerstag eröffnet wurde, ausgewählt. Sie stammen aus der 320 Werke umfassenden Sammlung des Heidelbergers Rainer Wild, die komplett um das Thema Früchte kreist.
Der ungewöhnliche Schwerpunkt hat mit der Karriere des inzwischen 74-Jährigen zu tun: Das elterliche Unternehmen, in dem er bis zu dessen Weiterverkauf auch selbst tätig war, produziert unter anderem Fruchtzubereitungen für die Lebensmittelindustrie, auch die „CapriSonne“hat ihren Ursprung in dem Firmenkonglomerat. Freilich ist Wild, wie seine Sammlungskuratorin Annika Greuter betont, kein Fruchtfanatiker: „Er ist ein klassischer Sammler, dessen Herz für die Kunst schlägt.“Sein eigentliches Interesse gelte nicht der Darstellung von Obst, sondern der Entwicklung der Malerei.
Doch die Sammlung Wild beginnt nicht mit den Stillleben des Barock, sondern erst im 20. Jahrhundert: mit Expressionisten wie dem „Blauer Reiter“-Mitglied Alexej von Jawlensky oder dem „Brücke“-Maler Max Pechstein. Beide sind mit eher traditionellen Stillleben in „Zum Anbeißen“vertreten.
Frucht als Statthalter des Natürlichen
Bemerkenswert anders interpretiert der Magische Realist Franz Radziwill das Genre: Hinter Apfel und Gewürzdose tun sich ein Bergpanorama und rauchende Schlote auf. Die Frucht ist hier Statthalter des Natürlichen. Anderswo, bei Rainer Fettings „Äpfel aus Karwe“, dient sie eher der Feier von Form und Farbe, ja der Malerei an sich.
Doch auch bildhauerische Positionen und Videokunst gehören zur Ausstellung, vor allem solche aus jüngster Vergangenheit. Die sind eher nicht zum Anbeißen: Mel Ramos lässt bei „Chiquita Banana“eine nackte Schönheit aus einer Bananenschale entsteigen und hinterfragt damit auch den Sexismus in der Werbung.
Bruno Peinados „Love Long Distance“sieht aus wie ein riesiger Liebesapfel – allerdings zum Totenkopf verformt. Auch Gavin Turk zeigt einen Apfel, beziehungsweise den Rest davon. Der Brite hat den Butzen aus Bronze gegossen: Kompost für die Ewigkeit.
Die Beispiele zeigen: „Zum Anbeißen“ist keine Reflexion über Obst in der Kunst, eher ein Streifzug durch die vergangenen 120 Jahre, der es dem Besucher durch das populäre Thema leicht macht: Hier dürfen, ja sollen Äpfel mit Birnen verglichen werden.
Die Ausstellung läuft bis 20. Mai.