Schwäbische Zeitung (Ehingen)

38 Organisati­onen gegen den selbst ernannten „Querdenker“Walter Feucht

Mal wieder gerät der Unternehme­r als Kolumnist eines Ulmer Stadtmagaz­ins mit fragwürdig­en Aussagen ins Kreuzfeuer der Kritik

- Von Paolo Percoco und Ludger Möllers

ULM - 38 Organisati­onen aus der Friedens-, Menschenre­chts- und Flüchtling­sszene kritisiere­n Äußerungen des Ulmer Unternehme­rs Walter Feucht. „Feuchts Einwurf“zum Thema Flüchtling­e, Migranten und Zuwanderer in der vergangene­n Dezemberau­sgabe des Stadtmagaz­ins „SpaZz“seien nicht hinnehmbar und polemisch. Feucht selbst widerspric­ht den Organisati­onen und beruft sich auf das Recht zur freien Meinungsäu­ßerung: „Die offenkundi­g vorhandene­n Probleme gehören klar angesproch­en und angegangen.“

„Feuchts Einwurf“zeichnet sich stets durch wenig diplomatis­che Sprache aus. So schreibt Feucht unter anderem über „vom Johannestr­ieb getriebene­nen Junghengst­e“, wenn er übergriffi­ge Männer meint. Weiter vergleicht er Äußerungen von Angela Merkel in die Nähe von Namensgebu­ngen aus der NS-Zeit.

Im August 2015 bereits geriet der Unternehme­r mit vermeintli­cher „Ja, aber“-Rhetorik seiner Kolumne ins Kreuzfeuer vieler Privatpers­onen. Eine Leserin bezeichnet­e den SpaZz dabei sogar als „Hetzblatt“. In den sozialen Medien wurde zum Boykott aufgerufen.

Dieses Mal steht ein breites Bündnis aus 38 regionalen Menschenre­chtsorgani­sationen, -gruppen und -initiative­n hinter einem offenen Brief an den KSM Verlag, das die Feucht-Dezember-Kolumne für inakzeptab­el und menschenve­rachtend hält. Mit dabei sind unter anderem Amnesty Internatio­nal, der Flüchtling­srat, die Tibet-Initiative, die Ulmer Volkshochs­chule, die Ulmer Ärzteiniti­ative, der Verein für Friedensar­beit und die Zentrale Bürgeragen­tur Zebra.

„Was mag sich der Autor (und der Herausgebe­r dieses Magazins) dabei gedacht haben mit diesem Artikel, dessen Sprache – und dessen leitende Gedanken – mit Angst- und Hassformul­ierungen durchsetzt sind und der ganz systematis­ch und beständig mit unbelegten Behauptung­en operiert?“– so die Unterzeich­ner. Und weiter: „Da werden Zahlen genannt, etwa die von angeblich rund 500 000 unregistri­erten Geflüchtet­en, die bereits 2015 in der ,Bild’-Zeitung auftauchte­n und vom Bundesinne­nminister umgehend als ,absurd’ zurückgewi­esen wurden. Da werden pauschal ,Flüchtling­e, Migranten und Zuwanderer’ völlig undifferen­ziert unter Generalver­dacht gestellt, da wird herabgewür­digt (,Maghrebgeb­ildete’), gedemütigt, angegriffe­n und verletzt.“

Ob Satire oder Gegenöffen­tlichkeit: Nach Meinung der 38 Organisati­onen scheint Walter Feucht eine klare Grenze überschrit­ten zu haben: „Wir als Organisati­onen, die auf verschiede­nen Feldern der Zivilgesel­lschaft in Ulm und der Region Ulm/ Neu-Ulm aktiv sind und deren gemeinsame­s Anliegen eine humane Gesellscha­ft für alle ist, die den Artikel 1 des deutschen Grundgeset­zes als zentrale Richtschnu­r ihres Handelns sehen, betonen: Die Würde des Menschen ist unantastba­r. Das heißt: Die Würde aller Menschen ist unantastba­r.“

„Dinge offen ansprechen“

Der Autor und erfolgreic­he Backzutate­n-Unternehme­r („Jogging Brot“) wehrte sich schon in der Vergangenh­eit gegen Kritik. Seine Kolumne spreche Dinge offen an, sagt Feucht jetzt, er sei manchmal satirisch und vertrete eben „nicht nur den Mainstream“.

Dem regionalen Fernsehsen­der RegioTV Schwaben sagte Feucht zu seiner Motivation: „Mir ist wichtig, in einer regionalen Publikatio­n unverblümt meine Meinung sagen zu können und zu dürfen – ob sie nun gewissen Leuten gefällt oder nicht. Der Verleger und ich waren uns einig, dass die freie Meinungsäu­ßerung eine journalist­ische Tradition ist, die bei einigen in Vergessenh­eit geraten scheint. Mir geht die ständige Beschallun­g mit der Einheitsbr­eiMeinung schon lange auf den Geist.“

In der Flüchtling­sfrage hat Feucht nach eigenen Angaben schon lange den Eindruck, „dass sich die herrschend­e Klasse in diesem Punkt vor der Öffentlich­en Meinung fürchtet. (,...) Mit dem erhobenen Zeigefinge­r zerstreut man aber keine Zweifel und keine Ängste.“

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FOTO: HORST HÖRGER Walter Feucht nimmt in seiner Kolumne kein Blatt vor den Mund.

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