Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die verlorenen Nachbarn

Früher waren die Deutschen in Rumänien eine bedeutsame Gruppe - Ihr kulturelle­s Erbe wird in Ulm gezeigt

- Von Marcus Golling

ULM - Das Image der deutschen Minderheit in Rumänien war wohl selten so gut wie jetzt: Mit Klaus Johannis fungiert seit 2014 sogar ein Siebenbürg­er Sachse als Präsident des südosteuro­päischen Staates. Das ist umso bemerkensw­erter, als der Anteil der Deutschen an der Gesamtbevö­lkerung nur noch rund 0,2 Prozent beträgt; nach dem Ersten Weltkrieg lebten in (Groß)rumänien rund 800 000 deutschspr­achige Menschen, heute sind es nicht einmal mehr 40 000. Doch die Minderheit hat tiefe Spuren in der Geschichte des Landes hinterlass­en – ist noch immer sichtbar und aktiv: Das soll auch die Ausstellun­g „Deutsche in Rumänien: Eine Minderheit – viele Geschichte­n“im Donauschwä­bischen Zentralmus­eum (DZM) zeigen.

Die wichtigste Erkenntnis: die Rumäniende­utschen gibt es nicht, stattdesse­n muss man von einzelnen Gruppen sprechen, getrennt durch Dialekt, Traditione­n, Konfession und Geschichte. So kamen die Siebenbürg­er Sachsen schon im zwölften Jahrhunder­t in ihr heutige Siedlungsg­ebiet, die Banater Schwaben erst 600 Jahre später. Dazu gibt es weniger bekannte Gruppen wie die Sathmarer Schwaben, Buchenland­deutschen, Zipser und Landler. „Man hat nichts über die Geschichte der rumänische­n Minderheit in Rumänien gelernt, es gab nur sporadisch­e Informatio­nen“, berichtet auch Rita Siegmund. Die Siebenbürg­erin kam 1987 nach Ulm. Sie arbeitet im DZM und bietet Führungen durch die neue Ausstellun­g an.

Besondere Stücke aus dem Depot erstmals zu sehen

Siegmund ist eine von vielen. Der Großteil der Rumäniende­utschen migrierte nach Deutschlan­d, sie flohen vor allem vor der Unterdrück­ung in der Ceausescu-Diktatur und vor der wirtschaft­lichen Not nach der Wende. Sie brachten aus der alten Heimat die Dinge mit, die ihnen am Herzen lagen. Manches davon kam später als Schenkung in die Sammlung des Donauschwä­bischen Zentralmus­eums oder wurde vom Haus erworben. Für die Ausstellun­g haben die Organisato­ren einige besondere Stücke erstmals aus dem Depot geholt. Trachten natürlich, ein Gebetsbuch, aber auch eine Standuhr, die im 18. Jahrhunder­t ihre Besitzerin bei der Auswanderu­ng von der Bodenseere­gion ins Banat begleitete und danach von Generation zu Generation weitervere­rbt wurde – was jeweils auf der Innenseite des Frontklapp­e vermerkt wurde.

Solche Stücke verleihen der Ausstellun­g Charme und zeigen, wie wichtig die Arbeit des DZM für die deutsch-rumänische Erinnerung­sarbeit ist. Der andere Teil der Schau, der schon durch verschiede­ne rumänische Städte reiste, ist dagegen eher spröde: Auf zweisprach­igen, ziemlich eng beschrifte­ten Tafeln bekommt der Besucher Informatio­nen über die Deutschen in Rumänien: woher sie stammen, wie sie leben, wie sie sich organisier­en, bis hin zu kurzen Passagen über mittelstän­dische Unternehme­n und Seniorenhe­ime. Das ist interessan­t, hat aber etwas von einem Werbeprosp­ekt für die deutsche Volksgrupp­e.

Mehr Gefühl vermittelt da die zweite Ausstellun­g, die parallel startet: Im DZM-Kabinett sind Aquarelle, Zeichnunge­n und Ölbilder des sathmarsch­wäbischen Künstlers Georg Haller (1883-1934) zu sehen. Die alles andere als modernen, aber stilsicher umgesetzte­n Genrebilde­r zeigen dörfliche Idyllen aus der Region im Nordwesten des heutigen Rumäniens: verschneit­e Bauernhäus­er, blühende Obstgärten. Bilder aus einer Kultur, die es so längst nicht mehr gibt.

Ausstellun­g: „Deutsche in Rumänien“wird am Montag, 19. Februar, um 19 Uhr im Donauschwä­bischen Zentralmus­eum eröffnet. Bei der Vernissage tritt auch die im Kreis Sathmar geborene Sopranisti­n Esther Kretzinger auf. Der Eintritt ist frei. Die Ausstellun­g läuft bis 27. Mai.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Einmal Banat und zurück: Leni Perencevic vom Donauschwä­bischen Zentralmus­eum (DZM) zeigt eine Standuhr, die im 18. Jahrhunder­t mit der Besitzerin ins heutige Rumänien kam.

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