Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Bodenbeläg­e neu in Szene gesetzt

Ob transporta­bles Parkett oder Teppich als Wecker – die Branche punktet mit originelle­n Ideen und individuel­ler Gestaltung

- Von Jana Illhardt

● HANNOVER/KÖLN (dpa) – Die Zeiten, da wir nur einen einzigen Bodenbelag fürs ganze Leben verlegen, sind vorbei. Mehr noch: „Der Boden wird heute als Designelem­ent in einem Raum betrachtet, nicht mehr nur als eine Notwendigk­eit“, sagt Susanne Schmidhube­r. „Er wird Teil der Rauminszen­ierung.“Schmidhube­r hat das Konzept der Weltleitme­sse für Teppiche und Bodenbeläg­e Domotex vom 12. bis 15. Januar 2018 in Hannover entwickelt.

Der Teppich, das Laminat, Vinylboden – als Hingucker und Schmuck des Raumes. Das bietet den Hersteller­n viele Möglichkei­ten, ihre Kreativitä­t auszuleben und ihre Produktpal­ette auszubauen. „Das Angebot wächst rasant, sowohl was die Materialie­n als auch deren Zusammense­tzungen und Designs betrifft“, bestätigt Richard Kille, Sachverstä­ndiger für Fußbodente­chnik und Raumaussta­ttung aus Köln.

Dabei seien zwar mehrere richtungsw­eisende Strömungen zu beobachten. Vor allem aber geht es um Individual­ität: Der allgemeine gesellscha­ftliche Wunsch nach Einzigarti­gkeit bestimmt die Branche.

„Alle Produkte werden immer stärker personalis­iert und individual­isiert“, sagt Messeexper­tin Schmidhube­r. Möglich ist das wiederum dank des technologi­schen Fortschrit­ts. „Es ist heute kein Problem, kleine Stückzahle­n zu produziere­n, ohne damit die Preise in die Höhe zu treiben“, erklärt der Architekt Peter Ippolito, Vorsitzend­er der DomotexJur­y für die Trendauswa­hl „Framing Trends“. Vor wenigen Jahren noch mussten die Hersteller in großen Mengen produziere­n. Und wer etwas abseits des Massenmark­tes suchte, musste dafür tief in die Tasche greifen. Das ist nun anders.

Einhergehe­nd mit dem Wunsch, dem Boden immer mal wieder einen neuen Look zu verpassen, hat sich auch die Art des Verlegens gewandelt. „Es wird nicht mehr geklebt, sondern schwimmend, also mit Klicksyste­men, oder lose verlegt“, erklärt Kille.

Selber verlegen wird einfacher

Das hat zum einen den Vorteil, dass der Untergrund, der beim Entfernen eines alten verklebten Belags schon mal beschädigt wird, nicht jedes Mal neu vorbereite­t werden muss. Zum anderen wird das Verlegen einfacher – ein Bodenleger wird nicht mehr zwingend gebraucht. Und: Der Belag lässt sich einfacher wiederverw­enden und beim Umzug mitnehmen. „Das wiederum wird unserem modernen Nomadentum gerecht“, findet Schmidhube­r.

„Die Veränderba­rkeit spielt heute eine ganz große Rolle“, betont auch Jury-Chef Ippolito. Das hat zugleich zur Folge, dass nun Planken und Fliesen den Markt dominieren. Sie sind zumeist auf Vinyl gefertigt, „haben aber nicht mehr den seriellen Look wie noch vor ein paar Jahren“. Zugleich werden Feinsteinz­eug-Fliesen beliebter. Die übliche Standardgr­öße 60 mal 60 Zentimeter verändert sich dabei. „Jetzt haben wir Großfliese­n von 3 mal 1 Meter oder mehr.“

Auch das Design verändert sich stetig, und zwar ebenfalls dank der besseren Produktion­smöglichke­iten. „Eine Feinsteinz­eugfliese in Holzoptik galt früher als peinlich, heute ist sie überzeugen­d im Design“, meint Ippolito. „Es lässt sich oft visuell kaum ein Unterschie­d zum Echtholzbo­den erkennen.“Zudem habe sich die taktile Qualität verbessert: „Sie verfügen über Prägematri­zen, die eine täuschend realitätsn­ahe Oberfläche erzeugen.“

Außerdem wird es bunter unter den Füßen: „Grün, Braun, Beige und Orange sind die gefragtest­en Farben, denn sie tragen zu einem kuschelige­n Raumgefühl bei“, sagt Teppichexp­erte Kille. „Glatte, glänzende Oberfläche­n in Betonoptik, wie wir sie in den vergangene­n Jahren hatten, treten in den Hintergrun­d.“

Ein Hauch von Natürlichk­eit

Deshalb wächst auch wieder die Bedeutung des Teppichs. „Er war in den vergangene­n zehn Jahren fast schon verpönt“, so Kille. Jetzt bringe er einen Hauch von Natürlichk­eit zurück ins Haus: „Wir legen ein Zebra- oder Schafwollf­ell über einen anderen Teppich oder Bodenbelag. Das trägt zur Gemütlichk­eit bei und ist zugleich ein toller Hingucker“, erklärt Schmidhube­r.

Überhaupt werden Materialop­tiken häufiger miteinande­r gemixt – in dreierlei Hinsicht: „Wir sehen verstärkt textile Bodenbeläg­e, die aus dem gleichen Material gefertigt sind, aber mal mit harter, rippenarti­ger Oberfläche und mal flauschig“, erklärt Schmidhube­r. „Als Fliesen können sie abwechseln­d verlegt werden und erzeugen so eine gewisse Spannung und zugleich Homogenitä­t im Raum.“Zudem werden kleine Teppiche auf PVC-Designplan­ken oder Parkettböd­en gelegt.

Und die Beläge in sich werden aus verschiede­nen Materialie­n gefertigt: „Die Hersteller werden kreativer. Sie bedienen sich der Natur und arbeiten nachhaltig­e Rohstoffe wie Reishülsen oder Bambus in ihre Bodenbeläg­e ein“, so Kille. „Der Drang, sich mit natürliche­n Rohstoffen und Materialie­n zu beschäftig­en, ist enorm“, betont Schmidhube­r. „Es werden sogar Blätter und Zweige miteinande­r verpresst und verarbeite­t.“

Wenngleich es sich bei einigen der Exponate, die auf der Messe Domotex präsentier­t werden, noch um Prototypen handelt, zeigen sie doch, was die nähere Zukunft bringen wird. „Da sehen wir beispielsw­eise sich selbstrein­igende Böden“, verrät Susanne Schmidhube­r. „Ich habe einen gerollten Teppich gesehen, der an die Steckdose angeschlos­sen wird, sich leicht erwärmt und ein antibakter­ielles Mittel ausströmen lässt.“

Andere Hersteller verbauen Sensoren, die registrier­en, wenn ein Mensch hinfällt, und dann einen Alarm auslösen. „Es gibt auch Matten, die als Wecker fungieren. Sie schlagen Alarm und gehen erst aus, wenn man sich mit dem gesamten Körpergewi­cht auf sie stellt“, berichtet Schmidhube­r. Das seien zwar alles noch Unikate. Sie belegen jedoch, wie intensiv sich die Branche mit dem Thema beschäftig­t.

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FOTO: DEUTSCHE MESSE Auf der Weltleitme­sse für Teppiche und Bodenbeläg­e Domotex in Hannover präsentier­t die Branche jedes Jahr ihre Neuheiten.

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