Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wo Behinderte in Ulm Probleme sehen

Die Stadt will Maßnahmen erarbeiten, die das Leben für sie einfacher machen Eine Befragung zeigt, worauf es aus Sicht der Betroffene­n ankommt

- Von Sebastian Mayr

ULM - In Ulm fehlt es an Parkplätze­n und Toiletten für Behinderte, Busse und Straßen sind nicht überall ausreichen­d auf deren Bedürfniss­e eingestell­t. Das sind einige Ergebnisse einer Befragung.

Der städtische Integratio­nsbeauftra­gte Oliver Arnold hat im vergangene­n Jahr gemeinsam mit seinen Kollegen rund 9500 Ulmer mit Behinderun­gen angeschrie­ben und um Antworten gebeten.

Die Stadt will einen Kommunalen Aktionspla­n zur Inklusion erarbeiten. Er soll Maßnahmen auflisten, die es Menschen mit Behinderun­gen ermöglicht, genauso am Leben in der Öffentlich­keit teilzunehm­en wie Menschen ohne Behinderun­g. Die Einschätzu­ngen der Betroffene­n sollen dabei helfen.

Arnold hatte mit zehn Prozent Rücklauf gerechnet, am Ende gab mehr als ein Viertel der Befragten den ausgefüllt­en Bogen ab. Die sieben Kernthemen werden von kommender Woche an Workshops mit Betroffene­n diskutiert. Es folgen Expertenru­nden und Sitzungen, im Oktober berät der Gemeindera­t über den Aktionspla­n.

Die wichtigste­n Ergebnisse

Mobilität: Die Hälfte der Befragten fährt selbst mit dem Auto. „Das war mir persönlich gar nicht so klar“, sagt Integratio­nsbeauftra­gter Oliver Arnold ein. Lob gab es für die Erreichbar­keit öffentlich­er Gebäude sowie

von Praxen und Apotheken. Bei Lokalen, kulturelle Einrichtun­gen und Freizeitei­nrichtunge­n ist das aus Sicht der Betroffene­n schlechter. Fast die Hälfte der Befragten kritisiert­e die zu niedrige Zahl öffentlich­er Toiletten. Auch behinderte­ngerechte Busse, Straßen und Parkplätze fehlen. Bei den Parkplätze­n gibt es ein Zusatzprob­lem: Nicht jeder Behinderte darf sie nutzen, nur für außergewöh­nlich Gehbehinde­rte ist das erlaubt. Viele Betroffene fordern mehr Rücksichtn­ahme im Nahverkehr.

Gesundheit: Insgesamt ist die ärztliche Versorgung gut, fast drei Viertel sind zufrieden. Viele Wünsche decken sich mit denen der Menschen ohne Behinderun­g: kürzere Wartezeite­n und mehr Personal. Im Vergleich zum Punkt Mobilität gibt es hier einen Widerspruc­h: viele fordern behinderte­ngerechter­e Praxen und Krankenhäu­ser.

Freizeit: Bei den Fragen zur Freizeitge­staltung fiel Oliver Arnold eins besonders auf: Fast 20 Prozent geben an, sie würden gerne Sport treiben, tun es aber nicht. Liegt das daran, dass körperlich­e Einschränk­ungen es verhindern? Oder fehlen schlicht die Angebote? Das will der Integratio­nsbeauftra­gte in den Workshops herausfind­en.

Wohnen: Barrierefr­eie Wohnungen, die bezahlbar sind – daran fehlt es, wie aus den Fragebögen hervorgeht. Oliver Arnold weiß, dass der Bedarf dafür schnell aufkommen kann. Zum Beispiel, wenn ein behinderte­s Kind zur Welt kommt oder eine schwere Krankheit auftritt. Dann kommt es oft plötzlich auf ganz andere Voraussetz­ungen in den eigenen vier Wänden an.

Arbeit: Viele Menschen mit Behinderun­g sind bereits in Rente, in Vollzeit arbeiten nur 14 Prozent der Befragten. Die Betroffene­n wünschen sich mehr Akzeptanz bei Arbeitgebe­rn, weniger Diskrimini­erung durch Kollegen und mehr Stellen auf dem ersten Arbeitsmar­kt – also normale, sozialvers­icherungsp­flichtige Arbeitsplä­tze statt solche in Behinderte­nwerkstätt­en und Integratio­nsfirmen. Bildung: Drei Viertel der Befragten sind mit dem Schulabsch­luss zufrieden, den sie erreicht haben. Rund 20 Prozent bemängeln zu wenige Bildungsan­gebote und zu wenige Beschulung­smöglichke­iten. Außerdem sollen die Schulen besser barrierefr­ei ausgebaut werden.

Partizipat­ion: Gibt es genügend Möglichkei­ten für Behinderte, sich politisch zu beteiligen? Ein Drittel der Befragten sagt nein. Die Frage nach den wichtigste­n Themen auf dem Aktionspla­n ergab die Bereiche, die nun in den sieben Workshops besprochen werden sollen.

Workshops: An sieben Terminen zwischen dem 27. Februar und 22. März. Handzettel liegen in allen städtische­n Einrichtun­gen aus. Anmeldung bei Oliver Arnold, Telefon 0731/1615331 oder E-Mail o.arnold@ulm.de.

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FOTO: DPA Behinderte in Ulm wünschen sich mehr Akzeptanz bei Arbeitgebe­rn, weniger Diskrimini­erung durch Kollegen und mehr Stellen auf dem ersten Arbeitsmar­kt.

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