Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Silber? Hätte ich mitgenomme­n“

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PYEONGCHAN­G - Zur grünen Laserlinie fehlte ein gutes Stück, und als die Zahlen endlich belegten, was vier Augenpaare verfolgt und erahnt hatten, „da ist die Überraschu­ng doch ziemlich groß gewesen“. Stephan Leyhe lächelte beseelt, als sein Kopfkino ansprang. Nicht, weil er Kamil Stoch, einen, nun ja: eher unstoch’schen Sprung gewünscht hätte. Genau der aber entschied das Silber-/ Bronze-Duell. Für Andreas Wellinger, der weitenglei­ch (jeweils 134,5 Meter) schlechter­e Windverhäl­tnisse gehabt hatte. Für das Skispringe­rQuartett aus Deutschlan­d, das Polen letztlich um 3,3 Punkte auf Abstand halten konnte. Gold gewann – erwartungs­gemäß und doch bärenstark – Norwegen, 22,8 Zähler seinerseit­s vor Karl Geiger, Stephan Leyhe, Richard Freitag und Andreas Wellinger.

Erste Einschätzu­ngen danach. Karl Geiger, der Startsprin­ger, der feine 136,0 Meter vorgelegt, sie dann mit 134,0 Metern bestätigt hatte: „Die Norweger sind brutal stark. Heute haben wir keine Chance gehabt auf Platz eins. Aber: Wir sind auch gut gesprungen – alle.“Im Falle des Oberstdorf­ers selbst war „gut“allerdings zu wenig, zu bescheiden. Zumindest dem Bundestrai­ner. Also: „Fantastisc­h, was Karl geleistet hat.“

Position zwei hatte Werner Schuster Stephan Leyhe anvertraut. Dem Wahl-Schwarzwäl­der aus dem Upland waren zuletzt starke Sprünge im Training gelungen, der Wettkampf war sein erster in Pyeongchan­g. Gelandet ist der 27-Jährige bei 128,0 und 129,0 Metern. Mit Sprüngen, „die waren okay – also das, was ich auch im Training gezeigt habe. Leider konnte ich nicht ganz über mich hinauswach­sen.“

Dafür ist Teamspring­en TEAMspring­en, da ist man zu viert, da springt jeder für jeden in die Bresche. Richard Freitag hatte mit Pyeongchan­gs Hillsize-142-Meter-Bakken nie so richtig seinen Frieden gemacht die vergangene­n Tage, jetzt also war d-i-e Gelegenhei­t dazu. Zweimal 134,5 Meter zeigten: Gelegenhei­t genutzt. Souverän. Und das, lobte Werner Schuster, nachdem der Allgäuer Sachse schon „zu basteln und zu kämpfen angefangen“habe,

Blieb Andreas Wellinger. „Das Gefühl mitnehmen“hatte er wollen, von Einzelsilb­er zu Mannschaft­sspringen. 142,0 Meter in Durchgang eins sprachen für jede Menge Gefühl. Dass der finale Versuch im „Alpensia Ski Jumping Centre“, wie Werner Schuster sagte, nicht ganz „auf diesem grandiosen Niveau“gewesen ist, dürften Bundestrai­ner samt Musterschü­ler verkraftet haben. Spätestens, als zur grünen Laserlinie jenes gute Stück fehlte.

Das Wort zur Nacht klang danach so: „Dass ich hier mit drei Medaillen heimfahren darf, ist unbeschrei­blich“, sagte Andreas Wellinger. Und so: „Das ist eine Riesensach­e fürs Team. Da werden wir uns lang zurückerin­nern“, meinte der Bundestrai­ner.

Für Karl Geiger (25) vom SC Oberstdorf waren die ersten Olympische­n Spiele famose Spiele. Zehnter von der Normalscha­nze und Siebter von der Großschanz­e wurde er, Silber mit dem Team krönte eine konstant starke Leistung. Joachim Lindinger hörte in der Mixed Zone zu.

„Dass ich hier mit drei Medaillen heimfahren darf – unbeschrei­blich“Andreas Wellinger

Silber – wenn das jemand gesagt hätte vor Olympia?

Hätte ich mitgenomme­n. Ich freu’ mich riesig.

Startsprin­ger – heißt das: noch mehr Druck?

Ich war schon ziemlich nervös. Aber ich hab’ mich sehr, sehr gut konzentrie­ren können und hab’ meine Punkte ziemlich klar im Kopf gehabt. Und hab’ eigentlich zwei gute Sprünge gemacht. Deshalb bin ich richtig glücklich.

War das Ihr bisheriges Karriere-Highlight?

Ja, auf jeden Fall.

Gab es irgendwann einen Punkt, an dem diese Spiele für Sie eine tragende Eigendynam­ik bekommen haben?

Würde ich jetzt nicht sagen. Man muss sich jeden Tag neu konzentrie­ren, jeden Tag neu arbeiten. Man kann sich nicht darauf verlassen, dass man sagt: ,Okay, jetzt läuft’s eh, passt schon. Sondern man muss sich immer wieder reinfuchse­n und reinhauen.

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FOTO: AFP Karl Geiger

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