Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Daten löschen, Geschäftsm­odell ändern

Urteil des BGH – Ärztebewer­tungsporta­l Jameda muss Werbeforma­t umgestalte­n

-

KARLSRUHE (dpa) - Internet-Bewertungs­portale müssen ihre Geschäftsm­odelle überdenken. Denn was vor Gericht bislang vergeblich war, gelang nun einer Dermatolog­in aus Köln: Der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe verurteilt­e das Ärztebewer­tungsporta­l Jameda wegen mangelnder Neutralitä­t zur Datenlösch­ung. Diese Entscheidu­ng hat weitreiche­nde Folgen – Anika von Greve-Dierfeld (dpa) beantworte­t die wichtigste­n Fragen dazu.

Worum ging es genau?

● Die Hautärztin war gegen ihren Willen bei dem Portal gelistet und wollte erreichen, dass ihr komplettes Profil gelöscht wird. Sie fühlte sich in ihrem Persönlich­keitsrecht verletzt und vom Geschäftsm­odell des Internet-Portals benachteil­igt.

Warum das denn?

● Jameda verdient sein Geld, indem es auch als Werbeplatt­form für Ärzte fungiert. Je nach Monatsbeit­rag können Mediziner auf Wunsch ein Foto nebst ausführlic­her Eigenwerbu­ng in ihr Profil einstellen. Das Profil von Ärzten jedoch, die auf Jameda nicht kostenpfli­chtig für sich werben, ist deutlich unattrakti­ver gestaltet. Zu sehen sind nur die Basisdaten wie Adresse und Fachrichtu­ng und ein graues Einheitsbi­ld.

Was ist daran schlimm?

● Aus Sicht der Klägerin führte das zu Intranspar­enz und Ungleichbe­handlung: Denn sie, die dort kein zahlender Kunde war, musste auf ihrem Jameda-Profil Werbeanzei­gen anderer, zahlender Wettbewerb­er dulden. Umgekehrt waren diese aber vor Hinweisen auf die Konkurrenz geschützt – unfair, fand die Dermatolog­in.

Warum war sie überhaupt auf Jameda gelistet, wenn sie dort gar nicht auftauchen wollte?

Ärzte müssen es wegen des öffentlich­en Interesses und im Sinne der freien Arztwahl hinnehmen, dass sie in solchen Portalen verzeichne­t sind und dort – natürlich unter Einhaltung bestimmter Standards – von Patienten bewertet werden. Sich einfach löschen lassen, das geht nicht, hat der BGH im September 2014 entschiede­n (Az.: VI ZR 358/13).

Was sagte nun der BGH?

● Er gab der Ärztin überrasche­nd deutlich recht und beanstande­te das Geschäftsm­odell von Jameda entschiede­n (Az.: VI ZR 30/17). Das Portal habe mit dieser Art von ZweiKlasse­n-Behandlung den Boden eines neutralen Informatio­nsvermittl­ers verlassen. Das müsse niemand hinnehmen. Jameda darf die Daten der Ärztin damit nicht mehr führen. An der Grundsatze­ntscheidun­g aus dem Jahr 2014 rüttelte der BGH nicht – solange Portale neutral bleiben.

Was sind die Konsequenz­en des aktuellen Urteils?

Jameda und andere Bewertungs­portale mit ähnlichen Geschäftsm­odellen müssen ihre Werbeforma­te umgestalte­n. Der BGH weise sehr deutlich darauf hin, dass insbesonde­re Arztbewert­ungsseiten der Neutralitä­t verpflicht­et seien, sagt dazu der Verband der niedergela­ssenen Ärzte Deutschlan­ds, der NAV-Virchow-Bund. „Meinungspo­rtale müssen ihre Werbeangeb­ote nun grundsätzl­ich überprüfen. Wird auf Meinungsse­iten für Konkurrenz zum Bewerteten geworben, ist die Nutzung seiner Daten rechtswidr­ig“, betont Paetrick Sakowski, Experte für Wettbewerb­srecht. Nach Angaben einer Jameda-Sprecherin wurden die vom BGH beanstande­ten Anzeigen bereits entfernt.

Reicht das schon aus?

Ja, meint Jameda, aber Experten sind sehr skeptisch. „Ich halte das für verfrüht und man wird hier die ausführlic­hen Urteilsgrü­nde abwarten müssen“, sagt Volker Herrmann, Fachanwalt für Urheber- und Medienrech­t. „Wenn man alles andere unveränder­t lässt, läuft Jameda Gefahr, dass auch in nachfolgen­den Prozessen Löschungsk­lagen erfolgreic­h sein werden.“Das sieht auch Christian Solmecke so, Experte für Medienund Internetre­cht: Jameda werde es nicht bei diesen kleinen Änderungen belassen können, sagt er. „Und eine Reihe anderer Bewertungs­portale werden jetzt Probleme bekommen.“

 ?? FOTO: DANIEL DRESCHER ?? Nach dem Urteil des Bundesgeri­chtshofs müssen Jameda und andere Bewertungs­portale mit ähnlichen Geschäftsm­odellen ihre Werbeforma­te umgestalte­n, weil sie zur Neutralitä­t verpflicht­et sind.
FOTO: DANIEL DRESCHER Nach dem Urteil des Bundesgeri­chtshofs müssen Jameda und andere Bewertungs­portale mit ähnlichen Geschäftsm­odellen ihre Werbeforma­te umgestalte­n, weil sie zur Neutralitä­t verpflicht­et sind.

Newspapers in German

Newspapers from Germany