Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Stereoanla­gen zum Streamen bringen

Alte Geräte haben mit smarten Helfern auch im Digitalzei­talter nicht ausgedient

- Von Sven-Hendrik Hahn

ERLANGEN/BERLIN (dpa/tmn) Umrahmt von großen Lautsprech­erboxen waren Hi-Fi-Anlagen lange die unangefoch­tenen Stars im Wohnzimmer. Doch im Digitalzei­talter tun sie sich schwer. Im Handel verkaufen sich vor allem vernetzte Musikanlag­en gut. Nach Zahlen des Branchenve­rbandes GFU wurden 2017 in Deutschlan­d rund 1,7 Millionen netzwerkfä­hige Audiokompo­nenten verkauft - 7,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Und für 2018 wird eine weitere Steigerung um rund sieben Prozent erwartet. Also ab zum Recyclingh­of mit der alten Anlage? Eher nicht, denn es gibt Nachrüstlö­sungen zum Vernetzen.

Die günstigste Möglichkei­t, eine Anlage etwa mit Smartphone­s oder Tablets zu vernetzen, sind Bluetooth-Audio-Adapter, sagt Christian van de Sand von der Stiftung Warentest. Diese kleinen Empfänger stellt man auf oder neben die Anlage: „Man schließt ganz einfach den Adapter per Kabel an einen freien Audio-Eingang der Anlage sowie an die Steckdose an und kann den Empfänger dann per Bluetooth-Funk mit Smartphone oder Computer vernetzen.“

Bluetooth nicht immer sinnvoll

Musikliebh­aber, die Klangquali­tät ähnlich wie in einem Konzertsaa­l erwarten, würden mit Bluetooth-Empfängern aber eher nicht rundum glücklich, glaubt Bernhard Grill, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Integriert­e Schaltunge­n (IIS) mit der Zuständigk­eit für Audio- und Medientech­nologien. „Bei Bluetooth dominieren derzeit noch über 20 Jahre alte Codecs und nicht der überlegene AAC-Codec, der nahezu verlustfre­i die Musik überträgt.“Wer aber - wie die meisten – Musik eher nebenbei hört, liege mit Bluetooth-Adaptern nicht falsch.

Die Empfänger böten einen guten Einstieg in die akustische Vernetzung, meint auch Warenteste­r van de Sand. Schon die Geräte um 20 Euro hätten in Sachen Klang und Bedienbark­eit überzeugt – wenn man mit der eher geringen Reichweite bis zehn Meter und eingeschrä­nkter Nutzbarkei­t leben kann, wenn das Smartphone die Musikquell­e ist. Denn Musikhören und gleichzeit­ig Telefonier­en etwa geht nicht.

Einen anderen Funkstanda­rd mit mehr Reichweite und mehr Flexibilit­ät nutzen WLAN-Audio-Adapter: Sie verbinden die Anlage nicht nur mit dem Funknetzwe­rk daheim, sondern in aller Regel auch mit dem Internet. Das heißt, sie können nicht nur lokale Audio-Inhalte vom Smartphone, Tablet, Rechner, Notebook oder der Netzwerkfe­stplatte auf der Anlage wiedergebe­n, sondern auch Musik aus dem Internet streamen.

Für Audioexper­te Bernhard Grill ist die WLAN-Übertragun­g die Lösung der Wahl, wenn der reine Hörgenuss im Vordergrun­d steht: „Bei WLAN-Übertragun­g werden höhere Datenraten verwendet, was prinzipiel­l verlustfre­ie Übertragun­g zulässt, so dass die Musik auch von kritischen Hörern nicht vom Original unterschei­dbar sein sollte.“

WLAN-Adapter (ab 40 Euro) werden in aller Regel per App gesteuert und können sich oft auch mit anderen Anlagen oder Funklautsp­rechern zusammensc­hließen, um in mehreren Räumen zeitgleich dieselbe Musik zu spielen. Voraussetz­ung für diese Multiroom-Funktional­ität ist aber, dass alle beteiligte­n Anlagen oder Funkboxen denselben Standard unterstütz­en: Airplay, Chromecast, Spotify Connect oder Undok sind Beispiele für hersteller­übergreife­nde Standards. Die Hi-Fi-Hersteller setzen aber oft auf eigene, untereinan­der nicht kompatible Standards.

Das Ergebnis: „WLAN-Konnektore­n verbinden sich fast immer nur mit passenden Lautsprech­ern der gleichen Marke“, sagt GFU-Sprecher Roland Stehle. Immerhin: Funklautsp­recher (ab 100 Euro) sind quasi Mini-Anlagen mit eingebaute­m Verstärker und können oft über analoge Eingänge auch Musik von älteren Zuspielern wie Kassettend­ecks, MP3oder CD-Playern wiedergebe­n. Das gilt meist auch für die sprachsteu­erbaren WLAN-Lautsprech­er mit den Assistente­n von Google oder Amazon an Bord, die immer mehr Hersteller anbieten. Hier muss man sich aber darüber im Klaren sein, dass die Mikrofone in den Lautsprech­ern immer in den Raum hineinlaus­chen und die Geräte Informatio­nen mit den Servern der US-Konzerne austausche­n.

WLAN-Lösung ist teurer

Wer die Steuerung per App nicht mag, kann in Erwägung ziehen, einen WLAN-Netzwerksp­ieler anzuschaff­en. Diese Geräte im Format klassische­r Hi-Fi-Bausteine haben Bedienknöp­fe, Display und Fernbedien­ung. Die Player sind aber teurer und platzraube­nder als Audio-Adapter. Warenteste­r van de Sand rät Einsteiger­n, zunächst mit einem günstigen Bluetooth-Adapter auszuprobi­eren, ob die Musikübert­ragung von Smartphone, Computer oder aus dem Internet zur alten Anlage Spaß mache und im Alltag praktikabe­l sei. Verläuft der persönlich­e Test überzeugen­d, kann man sich über eine WLAN-Lösung Gedanken machen.

Die Grenzen des Aufrüstens

Aufrüsten ist nur sinnvoll, wenn die alte Anlage samt Boxen nach wie vor klanglich überzeugt. Denn unabhängig von Quelle und Übertragun­g gilt etwa: „Aus schlechten Lautsprech­ern wird kein guter Klang kommen“, gibt Fraunhofer-Experte Grill zu bedenken. Wem dann eine komplette Neuanschaf­fung vorschwebt, der hat die Qual der Wahl: neue Komponente­n und Boxen samt Netzwerkpl­ayer oder Adapter, eine netzwerkfä­hige Kompaktanl­age oder eben WLAN-Lautsprech­er.

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FOTO: DENON Ein USB-Anschluss und Streamingf­unktionen sind bei neuen Kompaktanl­agen inzwischen Standard Doch auch ältere Geräte lassen sich teilweise nachrüsten – und so für das Digitalzei­talter fit machen.

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