Das Wohnen neu denken
Offene Küchen sind bei Neubauten längst Standard – Wohnexperten regen auch für andere Räume eine großzügigere Aufteilung an
● BERLIN/BAD HONNEF (dpa) - Das Innenleben der Wohnhäuser verändert sich zunehmend: Nahezu in jedem Neubau sind die Grundrisse inzwischen offen. Die Küche geht fließend ins Esszimmer über, und dieses geht fließend ins Wohnzimmer über. Es gibt keine trennenden Wände mehr. Die Sanitärbranche versucht auch seit Jahren, Kunden von dem zum Schlafzimmer offenen Badezimmer zu überzeugen. Wie geht es weiter? Ein paar Ideen für künftige Bauherren zur Anpassung ihres Grundrisses an die neuesten Lebensgewohnheiten und Wohntrends:
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Küche und Wohnzimmer als Wohnküche wird Standard:
Sie sind im Neubau längst eine Einheit. Möbelund Gerätehersteller haben das erkannt. Spülmaschinen, Waschmaschinen und Mixer werden zunehmend leiser. Die Küchenmöbel müssen im offenen Wohnraum anders werden, genauer gesagt, mit den Möbeln im Wohnraum korrespondieren – am besten aufeinander abgestimmt sein. Statt drei Räumen für Essen, Kochen und Wohnen richtet man nun einen einzigen Bereich ein.
Die Wohnküche bildet das Herz des Zuhauses, das bleibt sicher auch so. Die Funktion des ursprünglichen Wohnzimmers verändert sich dabei zunehmend, sagt Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie. Statt des einen Fernsehers, vor dem sich alle tummeln, gibt es nun flexibel einsetzbare Beamer, oder jedes Familienmitglied nutzt einen eigenen Computer oder ein Tablet für den Medienkonsum. „Ich glaube daher, das Wohnzimmer als Zentrum für Entertainment löst sich auf“, sagt Geismann. Es kann also gut sein, dass sich in mancher Familie die Verkleinerung des ursprünglichen Wohnzimmers zugunsten des Koch- und Essbereichs anbietet. Mehr Wohnraum, flexible Kinderzimmer:
● Gerade der Esstisch im großen Wohnraum gilt als Mittelpunkt des Familienlebens. Hier wird gegessen. Hier gibt es Krisengespräche, und die Urlaubsplanung wird gemacht. Hier schlagen auch viele ihr Homeoffice auf, wenn sie nach Feierabend doch noch ein paar Aufgaben erledigen müssen. Aber hier breiten sich vor allem die Kinder aus. Hier wird gelernt, gebastelt und gespielt.
„Man versucht derzeit dem Möbel so viel Raum wie möglich einzuräumen, sogar in kleineren Häusern“, berichtet die Trendanalystin Gabriela Kaiser aus Landsberg am Lech. Geismann erkennt sogar eine Entwicklung zu mehr gemeinsamem Wohnraum zum Beispiel zulasten von Kinderzimmern. Johannes Schwörer, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Fertigbau, hat hierzu aber einen ganz persönlichen Tipp aus seinem Familienleben mit Kindern: „Ich empfehle, das Haus so zu planen, dass die Zimmeraufteilung der Kinder, wenn sie 13 bis 17 werden, umgestaltet werden kann. Dann brauchen sie mehr Rückzugsmöglichkeiten.“
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Größeres Badezimmer, kleineres Schlafzimmer:
Schaut man sich moderne Badezimmer-Werbung an, sieht man ein Spa. Die freistehende Badewanne, eine Dusche, die Wasserfälle im Regenwald simuliert, daneben die ausfahrbare Minisauna. Gestaltet wird auch zunehmend über Möbel und Accessoires – die zudem nicht mehr wirken, als seien sie klassische Gegenstände für eine Nasszelle. Wohnlich wird das Badezimmer, sagen Experten.
Die Veränderung geht einher mit einem anderen Blickwinkel auf die Badnutzung. Laut einer Forsa-Studie von 2017 im Auftrag der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS) halten sich die Deutschen im Mittel täglich 40 Minuten im Bad auf. Man geht längst nicht nur auf die Toilette und duscht, man stylt sich ausgiebig und entspannt sich sogar nach Feierabend darin.
„Früher hatte das Badezimmer meist keine Fenster, manchmal war es sogar im Keller“, beschreibt das Zukunftsinstitut in der Studie „50 Insights – Zukunft des Wohnens“den Wandel. „Aber in Zukunft wird es nicht nur eines der repräsentativsten Zimmer im Haus sein, sondern es wird sogar eine der besten Aussichten vom Haus aus haben.“Denn was ist erholsamer, als in der Badewanne zu liegen, mit Blick über den schön bepflanzten Garten?
Die Wohnexperten würden dem Badezimmer auch mehr Platz im Haus einräumen. In den meisten Häusern sei es aktuell der kleinste Raum, laut Forsa-Umfrage mit durchschnittlich 9,1 Quadratmetern. Das Schlafzimmer hingegen habe mehr Platz – und dies obwohl man nur das Bett wirklich nutze, erklärt das Zukunftsinstitut. Es schlägt vor: „Eine Schlafecke würde es auch tun. Was wir brauchen, ist ein großes Badezimmer und ein großer Unterhaltungsbereich, das ist alles.“Vor allem: Wer kann, leistet sich inzwischen gerne noch einen begehbaren Kleiderschrank auf Kosten des Schlafzimmers, das ruhig etwas kleiner ausfallen darf.
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Diese Idee geht einher mit der Vergrößerung des Badezimmers. Auf einer Trendausstellung der alle zwei Jahre stattfindenden Sanitärmesse ISH in Frankfurt am Main wurde 2017 ein Badezimmer mit Fitnessstudio gezeigt. Neben Badewanne und Waschbecken enthielt dieses auch ein Kneippbecken, ein Laufband, eine Sprossenwand, Hanteln, Ringe und einen Turnkasten.
„Das Bad avanciert zum häuslichen Gesundheitszentrum“, erläuterte die Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft zur Trendschau. „Wenn es die Raumgröße zulässt, beheimatet es sogar verschiedene Sportgeräte oder zumindest Yogamatte und Balancebrett.“
Lifestyle-Räume für Fitness: