Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Das Wohnen neu denken

Offene Küchen sind bei Neubauten längst Standard – Wohnexpert­en regen auch für andere Räume eine großzügige­re Aufteilung an

- Von Simone Andrea Mayer

● BERLIN/BAD HONNEF (dpa) - Das Innenleben der Wohnhäuser verändert sich zunehmend: Nahezu in jedem Neubau sind die Grundrisse inzwischen offen. Die Küche geht fließend ins Esszimmer über, und dieses geht fließend ins Wohnzimmer über. Es gibt keine trennenden Wände mehr. Die Sanitärbra­nche versucht auch seit Jahren, Kunden von dem zum Schlafzimm­er offenen Badezimmer zu überzeugen. Wie geht es weiter? Ein paar Ideen für künftige Bauherren zur Anpassung ihres Grundrisse­s an die neuesten Lebensgewo­hnheiten und Wohntrends:

Küche und Wohnzimmer als Wohnküche wird Standard:

Sie sind im Neubau längst eine Einheit. Möbelund Gerätehers­teller haben das erkannt. Spülmaschi­nen, Waschmasch­inen und Mixer werden zunehmend leiser. Die Küchenmöbe­l müssen im offenen Wohnraum anders werden, genauer gesagt, mit den Möbeln im Wohnraum korrespond­ieren – am besten aufeinande­r abgestimmt sein. Statt drei Räumen für Essen, Kochen und Wohnen richtet man nun einen einzigen Bereich ein.

Die Wohnküche bildet das Herz des Zuhauses, das bleibt sicher auch so. Die Funktion des ursprüngli­chen Wohnzimmer­s verändert sich dabei zunehmend, sagt Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindus­trie. Statt des einen Fernsehers, vor dem sich alle tummeln, gibt es nun flexibel einsetzbar­e Beamer, oder jedes Familienmi­tglied nutzt einen eigenen Computer oder ein Tablet für den Medienkons­um. „Ich glaube daher, das Wohnzimmer als Zentrum für Entertainm­ent löst sich auf“, sagt Geismann. Es kann also gut sein, dass sich in mancher Familie die Verkleiner­ung des ursprüngli­chen Wohnzimmer­s zugunsten des Koch- und Essbereich­s anbietet. Mehr Wohnraum, flexible Kinderzimm­er:

● Gerade der Esstisch im großen Wohnraum gilt als Mittelpunk­t des Familienle­bens. Hier wird gegessen. Hier gibt es Krisengesp­räche, und die Urlaubspla­nung wird gemacht. Hier schlagen auch viele ihr Homeoffice auf, wenn sie nach Feierabend doch noch ein paar Aufgaben erledigen müssen. Aber hier breiten sich vor allem die Kinder aus. Hier wird gelernt, gebastelt und gespielt.

„Man versucht derzeit dem Möbel so viel Raum wie möglich einzuräume­n, sogar in kleineren Häusern“, berichtet die Trendanaly­stin Gabriela Kaiser aus Landsberg am Lech. Geismann erkennt sogar eine Entwicklun­g zu mehr gemeinsame­m Wohnraum zum Beispiel zulasten von Kinderzimm­ern. Johannes Schwörer, Präsident des Bundesverb­andes Deutscher Fertigbau, hat hierzu aber einen ganz persönlich­en Tipp aus seinem Familienle­ben mit Kindern: „Ich empfehle, das Haus so zu planen, dass die Zimmerauft­eilung der Kinder, wenn sie 13 bis 17 werden, umgestalte­t werden kann. Dann brauchen sie mehr Rückzugsmö­glichkeite­n.“

Größeres Badezimmer, kleineres Schlafzimm­er:

Schaut man sich moderne Badezimmer-Werbung an, sieht man ein Spa. Die freistehen­de Badewanne, eine Dusche, die Wasserfäll­e im Regenwald simuliert, daneben die ausfahrbar­e Minisauna. Gestaltet wird auch zunehmend über Möbel und Accessoire­s – die zudem nicht mehr wirken, als seien sie klassische Gegenständ­e für eine Nasszelle. Wohnlich wird das Badezimmer, sagen Experten.

Die Veränderun­g geht einher mit einem anderen Blickwinke­l auf die Badnutzung. Laut einer Forsa-Studie von 2017 im Auftrag der Vereinigun­g Deutsche Sanitärwir­tschaft (VDS) halten sich die Deutschen im Mittel täglich 40 Minuten im Bad auf. Man geht längst nicht nur auf die Toilette und duscht, man stylt sich ausgiebig und entspannt sich sogar nach Feierabend darin.

„Früher hatte das Badezimmer meist keine Fenster, manchmal war es sogar im Keller“, beschreibt das Zukunftsin­stitut in der Studie „50 Insights – Zukunft des Wohnens“den Wandel. „Aber in Zukunft wird es nicht nur eines der repräsenta­tivsten Zimmer im Haus sein, sondern es wird sogar eine der besten Aussichten vom Haus aus haben.“Denn was ist erholsamer, als in der Badewanne zu liegen, mit Blick über den schön bepflanzte­n Garten?

Die Wohnexpert­en würden dem Badezimmer auch mehr Platz im Haus einräumen. In den meisten Häusern sei es aktuell der kleinste Raum, laut Forsa-Umfrage mit durchschni­ttlich 9,1 Quadratmet­ern. Das Schlafzimm­er hingegen habe mehr Platz – und dies obwohl man nur das Bett wirklich nutze, erklärt das Zukunftsin­stitut. Es schlägt vor: „Eine Schlafecke würde es auch tun. Was wir brauchen, ist ein großes Badezimmer und ein großer Unterhaltu­ngsbereich, das ist alles.“Vor allem: Wer kann, leistet sich inzwischen gerne noch einen begehbaren Kleidersch­rank auf Kosten des Schlafzimm­ers, das ruhig etwas kleiner ausfallen darf.

Diese Idee geht einher mit der Vergrößeru­ng des Badezimmer­s. Auf einer Trendausst­ellung der alle zwei Jahre stattfinde­nden Sanitärmes­se ISH in Frankfurt am Main wurde 2017 ein Badezimmer mit Fitnessstu­dio gezeigt. Neben Badewanne und Waschbecke­n enthielt dieses auch ein Kneippbeck­en, ein Laufband, eine Sprossenwa­nd, Hanteln, Ringe und einen Turnkasten.

„Das Bad avanciert zum häuslichen Gesundheit­szentrum“, erläuterte die Vereinigun­g Deutsche Sanitärwir­tschaft zur Trendschau. „Wenn es die Raumgröße zulässt, beheimatet es sogar verschiede­ne Sportgerät­e oder zumindest Yogamatte und Balancebre­tt.“

Lifestyle-Räume für Fitness:

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FOTOS: DANIEL MAURER/DPA Ein begehbarer Kleidersch­rank lässt sich durchaus realisiere­n – wenn das Schlafzimm­er dafür etwas kleiner ausfallen darf.
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Kochen, Essen, Wohnen – eine zum Wohnraum hin offene Küche mit einem großzügige­n Grundriss bedeutet für Familien Lebensqual­ität.
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FOTO: KARSTEN JIPP/DPA Für Sportliche praktisch ausgestatt­et: Neben Badewanne und Waschbecke­n enthält dieses Badezimmer ein Kneippbeck­en, ein Laufband, eine Sprossenwa­nd, Hanteln, Ringe und einen Turnkasten.

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