Schwäbische Zeitung (Ehingen)

100 000 Teenager Social-Media-süchtig

Eine Studie zeigt, dass soziale Medien einen Teil der Teenager abhängig machen

- Von Ulrike von Leszczynsk­i

BERLIN (dpa) - Ständig chatten, posten, liken: Rund 100 000 Kinder und Jugendlich­e in Deutschlan­d sind nach einer repräsenta­tiven Studie der Krankenkas­se DAK süchtig nach sozialen Medien. Für die Untersuchu­ng ließ die DAK 1001 Jungen und Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren befragen. DAK-Vorstandsc­hef Andreas Storm nannte die Ergebnisse bei der Präsentati­on am Donnerstag in Berlin „alarmieren­d“.

BERLIN (dpa) - Ein kleiner Laut vom Handy – und mit der Nachtruhe mancher Teenager ist es vorbei. Ganz dringend müssen sie dann noch nach Mitternach­t eine Antwort tippen und ein Foto hochladen. Nach einer repräsenta­tiven Studie der Krankenkas­se DAK, die in Berlin vorgestell­t wurde, ist das kein Alptraum besorgter Helikopter-Eltern. Rund 100 000 Kinder und Jugendlich­e zwischen 12 und 17 Jahren haben sich nach der Untersuchu­ng bei ihren Ausflügen in die Online-Welt nicht mehr im Griff: Sie gelten als süchtig nach sozialen Medien.

Das erste Mal hätten Forscher für Deutschlan­d einen genauen Blick auf die Wirkung von Messenger-Diensten wie WhatsApp und sozialen Netzwerkse­iten wie Facebook geworfen, berichtet Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfrage­n des Kindesund Jugendalte­rs in Hamburg. „Soziale Netzwerke sind nicht allein Teufelszeu­g“, sagt der Forscher. Sie seien nützlich für die Identitäts­entwicklun­g junger Menschen, wichtig auch für das Erproben von Kommunikat­ion und Beziehungs­gestaltung. „Problemati­sch wird es, wenn die Balance zwischen der realen und digitalen Welt aus den Fugen gerät“, sagt DAK-Vorstandsc­hef Andreas Storm. Bei der Befragung von 1001 Jungen und Mädchen kam heraus: Ein Viertel der Teeanger verbringt vier oder mehr Stunden am Tag in sozialen Netzwerken. Ebenfalls ein Viertel bekommt durch Chatten, Posten und Liken zu wenig Schlaf und riskiert Streit mit den Eltern.

2,6 Prozent der befragten Kinder und Jugendlich­en, das ergab die Studie, konnten ihre Lust auf soziale Medien nicht mehr allein steuern. Sie litten ohne ihr Handy unter Entzugsers­cheinungen. Ein Drittel dieser Abhängigen zeigte auch depressive Neigungen – ein Phänomen, das auch von anderen Internet-Süchten bekannt ist. „Wir haben jetzt die Chance gegenzuste­uern“, sagte Storm.

„Ich finde 2,6 Prozent nicht viel und auch nicht dramatisch hoch“, sagt Dorothée Hefner, Kommunikat­ionswissen­schaftleri­n an der Hochschule Hannover und Autorin des Buchs „Permanent Online, Permanent Connected“. Aber für diese 2,6 Prozent sei es dramatisch. „Und über diese Zahl hinaus gibt es sicher Jugendlich­e, denen es nicht gut geht mit ihrer Nutzung von sozialen Medien“, ergänzt sie. Auch für jene, denen es nicht schlecht mit Chatten und Posten gehe, bleibe die Frage: Wie gehe ich gut mit sozialen Medien um?

Für Marlene Mortler (CSU), Drogenbeau­ftragte der Bundesregi­erung, sind Regeln ganz wichtig. „Ich verdamme soziale Medien nicht“, betont auch sie. „Aber wir dürfen nicht nur über die Chancen, sondern müssen auch über Risiken reden.“Grundsätzl­ich gelte: „Medien dürfen mich nicht beherrsche­n, ich beherrsche sie.“Bei Eltern, hat sie beobachtet, gebe es hohen Beratungsb­edarf bei der Erziehung. Was darf ich einschränk­en und wie geht das? Am sinnvollst­en sei es, gemeinsam mit den Kindern Regeln festzulege­n und auf die Einhaltung zu pochen.

Bindungssi­cherheit ist wichtig

Es geht aber nicht nur um Verbote. In Hefners Untersuchu­ngen spielten vertrauens­volle Beziehunge­n in der Familie eine große Rolle. „Je stärker die Bindungssi­cherheit der Kinder an ihre Eltern ist, desto weniger anfällig sind sie für eine problemati­sche Nutzung ihrer Handys.“Was heißt problemati­sch? „Wenn das bunte Leben außerhalb des Mobiltelef­ons nicht mehr als attraktiv und ausgefüllt erscheint, weil so ein starker Fokus auf dem Handy liegt“, sagt Hefner. Laut Studie zeigten bereits fünf Prozent der Teenager kein Interesse mehr an Hobbys und anderen Beschäftig­ungen, weil sie lieber online sind.

„Das Problem ist nicht, dass Teenager durch soziale Medien zu wenig mit ihren echten Freunden kommunizie­ren“, urteilt Hefner. Denn meist seien ihre echten Freunde online.

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