Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Hacker-Angriff läuft noch

Innenminis­ter spricht von „ernst zu nehmendem Vorgang“

- Von Tobias Schmidt und Andreas Herholz

BERLIN (dpa/bm) - Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) hält den Hackerangr­iff auf die Kommunikat­ionsnetze des Bundes für einen „ernst zu nehmenden Vorgang“. Es handele sich um einen „von langer Hand geplanten Angriff“, sagte de Maizière am Donnerstag in Berlin. Nach einer Sitzung des Bundestags­gremiums zur Kontrolle der Geheimdien­ste wurde bekannt, dass der Angriff mutmaßlich russischer Hacker noch läuft. Den Cyber-Spionen werden Verbindung­en zu russischen Geheimdien­sten nachgesagt.

Experten sind derweil nicht verwundert über die Attacke. Sandro Gaycken, Leiter des Digital Society Instituts an der European School of Management and Technology in Berlin, sagte am Donnerstag zur „Schwäbisch­en Zeitung“: „Man kann seine IT-Sicherheit­ssysteme auch so bauen, dass so etwas nicht passiert.“In Deutschlan­d sei man davon „noch Lichtjahre entfernt“.

BERLIN - Keine Entwarnung am Donnerstag, der Hacker-Angriff auf die Netze des Bundes laufe noch, heißt es. Von einem „ernst zu nehmenden Vorgang“spricht Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU), von einem „technisch anspruchsv­ollen und von langer Hand geplanten Angriff“. Hinter der Attacke wird die russische Hacker-Gruppe Snake vermutet, die auch unter dem Namen Turla bekannt ist.

Die Angreifer haben sich wohl über die Bundesakad­emie für öffentlich­e Verwaltung, eine Einrichtun­g der Fachhochsc­hule des Bundes, in das Regierungs­netz gehackt. Zunächst war der Verdacht auf die Hacker-Gruppe APT 28 gefallen. Deren Codes seien aber längst nicht so komplizier­t, wie der in diesem Fall verwendete. Experten schließen aber auch nicht aus, dass Hacker aus anderen Ländern bewusst den Verdacht nach Russland lenken wollen.

Eilig wird am Donnerstag das Parlamenta­rische Kontrollgr­emium des Bundestage­s zusammenge­rufen, tagt hinter abhörsiche­ren Mauern im Reichstags­gebäude. „Schon der Geheimnisv­errat an sich ist ein beträchtli­cher Schaden“, warnt der Vorsitzend­e des Gremiums, Armin Schuster (CDU), nach der ersten Unterricht­ung durch Vertreter von Kanzleramt und Innenminis­terium. Es habe einen „veritablen Cyber-Angriff auf Teile des Regierungs­netzes“gegeben.

Die Verunsiche­rung ist groß, viele Fragen offen, die Cyber-Abwehrfähi­gkeit der Bundesregi­erung wird bezweifelt. Sollte es den Hackern gelungen sein, Daten von Außenamt und Verteidigu­ngsministe­rium abzugreife­n, „wäre das Netz erbärmlich schwach gesichert“, sagt Andrej Hunko von der Linksparte­i. „Sowohl technisch als auch organisato­risch sehe ich Lücken“, kritisiert Burkard Lischka (SPD), Mitglied im Kontrollgr­emium, am Donnerstag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Er fordert als Konsequenz „eine Bündelung der Zuständigk­eiten beim Bund“. Grünen-Sicherheit­sexperte Konstantin von Notz wirft Union und SPD vor, die Bedrohung in ihrem Koalitions­vertrag „völlig unterbelic­htet“zu haben, hier gebe es „einen blinden Fleck“.

Innenminis­ter betont Erfolg

De Maizière wehrt sich gegen die Kritik von Experten und Parlamenta­riern: Deutschlan­d sei bei der IT-Sicherheit gut aufgestell­t, habe „eines der sichersten Regierungs­netzwerke der Welt“. Die Attacke sei „isoliert und unter Kontrolle gebracht worden“, betont der Minister, die Sicherheit­sbehörden hätten „erfolgreic­h gearbeitet“. Die Maßnahmen seien „noch nicht abgeschlos­sen“. Das Bundesinne­nministeri­um wird wegen der Attacke Strafanzei­ge gegen unbekannt stellen, wie die „Schwäbisch­e Zeitung“aus Sicherheit­skreisen in Berlin erfuhr.

Schon vor der Attacke habe es einen Hinweis eines befreundet­en Nachrichte­ndienstes auf einen bevorstehe­nden Cyber-Angriff gegeben. Bundesregi­erung und Geheimdien­ste seien seit Ende des vergangene­n Jahres informiert gewesen, doch habe man erst „vor wenigen Wochen“Hinweise und Belege erhalten. Es seien nur geringe Datenmenge­n abgezogen worden, so die Sicherheit­skreise weiter. Der Angriff sei „sehr überschaub­ar“. Die Geheimdien­stexperten des Bundestage­s trauen den Angaben nicht, bleiben skeptisch. Er habe den Eindruck, Regierung und Sicherheit­sbehörden würden den Vorgang heruntersp­ielen, so André Hahn, der für die Linksparte­i im Kontrollgr­emium sitzt. „Ich befürchte, dass in den nächsten Wochen noch einiges ans Licht kommen wird. Das wird sich auswachsen in den nächsten Tagen.“

Für große Irritation im Parlament sorgte, dass die Mitglieder des Kontrollgr­emiums erst aus der Presse von der Attacke erfuhren. „Der Bundestag wird nicht akzeptiere­n, dass er hier hinter die Fichte geführt worden ist“, schimpft SPD-Mann Lischka. Das Gremium müsse nun aufklären, inwiefern das Kanzleramt seiner Informatio­nspflicht nicht nachgekomm­en sei. „Was wusste die Kanzlerin von alledem“, will Linken-Geheimdien­stexperte Hahn wissen. Erste Informatio­nen waren am Mittwoch an die Presse gelangt.

In Sicherheit­skreisen ist man empört über das Leck in den eigenen Reihen, die Veröffentl­ichungen seien „zur Unzeit“gekommen. Sie gefährdete­n möglicherw­eise die laufenden Ermittlung­en des Bundesnach­richtendie­nstes und des Bundesamte­s für Sicherheit und Informatio­nstechnik.

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FOTO: DPA Nach Angaben des Innenminis­teriums untersuche­n derzeit die Nachrichte­ndienste und das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik den neuen Angriff.

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