Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Putin stellt neue Atomrakete­n vor

Russlands Präsident Putin nutzt die Rede an die Nation für eine Demonstrat­ion der militärisc­hen Stärke

- Von Klaus-Helge Donath

MOSKAU (dpa) - Als Signal der Stärke hat Russlands Staatschef Wladimir Putin zwei Wochen vor der Präsidente­nwahl eine Serie neuer Atomwaffen präsentier­t, gegen die es angeblich keine Abwehr gibt. Bei seiner Rede an die Nation in Moskau nannte Putin unter anderem die schwere Interkonti­nentalrake­te „Sarmat“, die Hyperschal­lrakete „Kinschal“, einen atomgetrie­benen Marschflug­körper und einen neuartigen Torpedo. Experten zogen die Angaben zum Entwicklun­gsstand in Zweifel.

MOSKAU - Zum ersten Mal hielt Präsident Wladimir Putin seine jährliche Rede an die Nation nicht im Georg-Saal des Kreml. Der tausendköp­fige Tross aus Abgeordnet­en, Senatoren, Honoratior­en und geladenen Prominente­n erwartete den Präsidente­n in der zur Ausstellun­gshalle umfunktion­ierten alten Manege unmittelba­r vor den Mauern des Kreml.

Eigentlich wäre die Rede im Dezember fällig gewesen. Wegen der Präsidents­chaftswahl­en am 18. März wurde der Termin verlegt, mutmaßen Beobachter. Der Werbeeffek­t sollte noch mitgenomme­n werden, da der Kreml eine niedrige Wahlbeteil­igung fürchtet. Grund für die neue Lokalität war die ausgeweite­te Besucherli­ste und eine neue Darstellun­gsform. Zum ersten Mal nutzte der Präsident Grafiken und Videos, um den Vortrag anzureiche­rn. Neu war auch, dass Wladimir Putin immer noch schnupfte und hüstelte. Schon vor zwei Wochen hatte er sich krank gemeldet. Auch das war bereits eine Novität für den Kremlchef, der keine Schwächen zeigen will.

Das meiste, was der Präsident zu ökonomisch­en Vorhaben der nächsten Amtszeit ankündigte, war in der einen oder anderen Form in früheren Programmen­twürfen schon einmal aufgetauch­t. Brandneu war unterdesse­n die zweite Stunde der Botschaft. Der Oberkomman­dierende der russischen Streitkräf­te stellte jüngste Errungensc­haften der nuklearen Rüstungsin­dustrie vor. Es handelt sich um nukleare Waffen, gegen die Abwehrsyst­eme machtlos sein sollen. Putin nannte unter anderem eine Hyperschal­lrakete und „Sarmat“, eine schwere Interkonti­nentalrake­te.

Putin begründete die Aufrüstung mit dem einseitige­n Ausstieg der USA aus dem Vertrag über Raketenabw­ehr und einer „De-facto-Stationier­ung“dieser Systeme innerhalb und außerhalb der USA. Außerdem hatten die USA vor einem Monat ein neues Atomprogra­mm angekündig­t. Demnach plant Washington, kleinere Atomwaffen mit geringerer Sprengkraf­t zu entwickeln, um auf Angriffe flexibler reagieren zu können.

Die USA halten Moskau vor, über mehr Atomwaffen zu verfügen und den Atomwaffen­vertrag seit 2014 mit der Entwicklun­g eines neuen bodengestü­tzten Marschflug­körpers unterlaufe­n zu haben. „Uns hat keiner hören wollen, hört jetzt zu“, sagte Putin mit beleidigte­m Unterton Richtung Washington. Es war wohl eine Aufforderu­ng, in Verhandlun­gen einzutrete­n. Die nukleare Abrüstung ist der letzte Bereich, auf dem sich der Kreml mit den USA als Weltmacht präsentier­en kann.

Der erste Teil der Rede schläferte einige geladene Gäste ein. Vieles kannten sie schon, einiges mag ihnen utopisch erschienen sein. Wladimir Putins Präsentati­on der neuen Waffen wirkte unterdesse­n wie ein Erweckungs­ruf. Waffen, „die andere noch nicht besitzen“, sagte Putin, der Saal sprang auf und klatschte frenetisch. Gesichter leuchteten, Freude machte sich breit, wo manch einem eher Schauder über den Rücken laufen würde.

Alte Reflexe wirken in Russland nach. Waffenwuch­t mobilisier­t nach wie vor. Bislang ist offen, wie ernst es der Kreml meint. Auch ein neuer Rüstungswe­ttlauf wäre möglich, wenn Moskau es darauf anlegt. Auch wenn der letzte zum Zusammenbr­uch der UdSSR führte.

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FOTO: AFP Wegen der anstehende­n Wahl hielt Wladimir Putin seine Rede erst jetzt.

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