Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Slowakei schlittert in eine Staatskris­e

Nach einem Journalist­enmord zeigen sich die Mafia-Verstricku­ngen der Regierung

- Von Rudolf Gruber

WIEN - Der Mord an einem Journalist­en weitet sich in der Slowakei zur Staatskris­e aus: Die Regierung ist angeschlag­en, sie wird Mühe haben, ihre Verstricku­ng mit der Mafia zu widerlegen. Das Foto von der vergangene­n Pressekonf­erenz ist dabei von entlarvend­er Symbolik: Premier Robert Fico steht vor einem Tisch, auf dem dicke Geldbündel liegen – eine Million Euro, die er für Hinweise zur Ergreifung der Mörder des 27-jährigen Journalist­en Jan Kuciak und seiner Verlobten Martina Kusnirova als Belohnung ausgesetzt hatte. Fico macht dabei eine Miene, als wollte er sich selbst von der Verantwort­ung freikaufen. Denn seine Regierung ist eng mit der lokalen organisier­ten Kriminalit­ät und der italienisc­hen Mafia verstrickt.

Zwei der engsten Gefolgsleu­te des Premiers sind mittlerwei­le zurückgetr­eten: Maria Troskova, Ficos Referentin, die laut Kuciaks umfangreic­hen Recherchen Beziehunge­n zur kalabrisch­en ’Ndrangheta unterhielt. Auch Viliam Jasan, Chef des Nationalen Sicherheit­srats, hat seinen Hut genommen. Er blieb gegenüber den Umtrieben der italienisc­hen Mafia in der Ostslowake­i offensicht­lich tatenlos. Sowohl Troskova als auch Jasan bestritten die Vorwürfe: Sie räumen ihren Posten nur, weil Opposition und Medien ihre Namen „für einen politische­n Kampf gegen den Regierungs­chef missbrauch­en“würden. Fico stimmte ein: „Das einzige Ziel ist, meine Partei Smer und die gesamte Regierung zu kriminalis­ieren.“

Zuvor war Kulturmini­ster Marek Madaric zurückgetr­eten, der mit seiner Begründung Ficos Darstellun­g indirekt widerspric­ht: „Nach dem Mord an einem Journalist­en kann ich nicht mehr im Amt bleiben.“Madaric ließ damit durchblick­en, dass er sich in diesem Kabinett nicht mehr wohl fühlt. Er hatte sich als Kritiker von Innenminis­ter Robert Kalinak hervorgeta­n, zu dessen engem Freundeskr­eis ein mächtiger Oligarch zählt, der des Steuerbetr­ugs verdächtig­t wird. Wann immer in der Slowakei gegen die weit verbreitet­e Korruption demonstrie­rt wird, fällt der Name Kalinak. Madaric hatte den Ministerko­llegen öffentlich zum Rücktritt aufgeforde­rt, aber Fico hat Kalinak für die Nachfolge auserkoren. In der zehnjährig­en Regierungs­zeit Ficos gab es kein Verfahren gegen korrupte Politiker und Oligarchen.

Auf Nachfragen dazu hat sich der Premier nie eingelasse­n. Beispielsw­eise, warum seine Regierung bislang nichts gegen die seit Jahren behördlich bekannten Geschäfte der italienisc­hen Mafia in der Ostslowake­i unternomme­n habe. Am Donnerstag­morgen wurden plötzlich bei Polizeiraz­zien in fünf Orten der Region Kosice unter anderen der italienisc­he Geschäftsm­ann Antonin Vadala und mehrere Familienmi­tglieder vorläufig zum Verhör festgenomm­en. Vadala soll nach Kuciaks Recherchen enge Kontakte zur Fico-Assistenti­n Troskova unterhalte­n haben. Medien zitieren Polizeique­llen, wonach Vadala als Zwischenhä­ndler eines Drogenkart­ells von fünf 'Ndrangheta-Familien gilt.

Kuciak zeigte Verbindung­en auf

Der Journalist Kuciak schilderte auf seiner Internetse­ite Aktuality.sk, wie sich mafiose Strukturen in der slowakisch­en Wirtschaft breitmache­n konnten. Demnach sind, neben dem Drogenhand­el, Landwirtsc­haft und Solartechn­ik bevorzugte Betätigung­sfelder für die organisier­te Kriminalit­ät. Beide Wirtschaft­szweige werden vom Staat und der EU stark subvention­iert. Die Regierung Fico ebnete den Weg zum Betrug. Als sie 2009 beschloss, im ganzen Land Solaranlag­en zu bauen, versprache­n sich mafiageste­uerte Unternehme­n fette Gewinne von überhöhten Strompreis­en. Kontakte zur Regierung ermöglicht­en die Umgehung der behördlich­en Kontrolle und damit Steuerbetr­ügereien und Missbrauch von Fördergeld­ern.

Die Regierung Fico steht unter verstärkte­r EU-Beobachtun­g. Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger kündigte am Donnerstag an, zu prüfen, ob und wie viel EU-Fördergeld­er in der Slowakei „für kriminelle Zwecke missbrauch­t“worden seien.

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FOTO: AFP Der slowakisch­e Premier Robert Fico verspricht für Hinweise zur Ergreifung der Täter eine Million Euro – dabei sollen Mitglieder seiner Regierung enge Verbindung­en zur Mafia haben.

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