Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Trump-Versteheri­n zieht die Reißleine

- Von Frank Herrmann, Washington

Im Orbit Donald Trumps gibt es zwei Kategorien von Beratern. Die einen gehören zur Familie und laufen damit keine Gefahr, bei einer Personalro­chade im Weißen Haus unter die Räder zu kommen. Die anderen haben eine solche Rückversic­herung nicht, weshalb sie permanent auf dem Schleuders­itz sitzen. Hope Hicks (Foto: dpa), die scheidende Kommunikat­ionsdirekt­orin, gehörte so gut wie zur Familie, obwohl sie mit dem US-Präsidente­n nicht verwandt ist. Umso lauter dröhnte der Paukenschl­ag, als sie in der Nacht zum Donnerstag ihren Rücktritt ankündigte.

Die junge Frau aus Connecticu­t, ein ehemaliges Model, erledigte schon die Pressearbe­it des Kandidaten Trump, als keiner der Auguren dem Baulöwen eine echte Chance zubilligen wollte. Zuvor hatte sie für die Modemarke Ivanka Trumps, der ältesten Tochter des Unternehme­rs, gearbeitet. Es war ihr erster Job nach dem Studium; im New Yorker Trump Tower war man offenbar sehr zufrieden mit ihr. Obwohl sie über keinerlei politische Erfahrung verfügte, bot ihr Donald

Trump eine Stelle in seinem Wahlkampft­eam an. In einer Mannschaft, die im Vergleich zur Konkurrenz nicht zuletzt durch ihre bescheiden­e Größe auffiel. Die junge Seiteneins­teigerin Hicks war unter anderem das Symbol einer Kampagne, die sich als Rebellion gegen den traditione­llen Politikbet­rieb verstand, als eine Runde von Amateuren, die es den Profis zeigen wollte.

Im vergangene­n September stieg sie zur Kommunikat­ionschefin der Regierungs­zentrale auf, binnen acht Monaten bereits die Nummer 4 auf diesem Posten. Ihr schriller Vorgänger Anthony Scaramucci hatte nach gerade mal elf Tagen seinen Hut nehmen müssen – das Amt gilt als eines der schwierigs­ten im Weißen Haus. Theoretisc­h haben Kommunikat­ionsdirekt­oren dafür zu sorgen, dass von dort eine einheitlic­he Botschaft kommt. Praktisch ist das nahezu unmöglich, wenn der Präsident seine Publicity-Abteilung durch spontan dahingesch­riebene Twitter-Zeilen täglich aufs Neue verwirrt, wenn sich rivalisier­ende Fraktionen in Machtkämpf­en aufreiben und bisweilen Interna an die Medien durchstech­en, um sich selber ins rechte Licht zu rücken. Das eigentlich Überrasche­nde an der Causa Hicks ist die Tatsache, dass sie es so lange in der Schlangeng­rube aushielt.

Hope Hicks gehörte zu den wenigen, die dem Staatschef unter vier Augen widersprec­hen konnten, ohne Gefahr zu laufen, später vor versammelt­er Mannschaft abgekanzel­t zu werden. Trump habe sie behandelt wie seine eigene Tochter, während er in Ivanka eher seine tatsächlic­he Ehefrau sah, schreibt der Journalist Michael Wolff in seinem Enthüllung­sbuch „Fire and Fury“.

Kein Wunder, dass heftig spekuliert wird über die Gründe, die zu ihrem überrasche­nden Abgang führten. Es kursiert eine offizielle Version, nach der die 29-Jährige schon seit geraumer Zeit Ausschau nach berufliche­n Alternativ­en in der Privatwirt­schaft hielt. Näher liegt, dass sie gehen muss, weil sie bei einer brisanten Anhörung im Kongress die Wahrheit sagte. Ja, ihr Job habe sie gelegentli­ch zu Notlügen gezwungen, räumte sie während eines achtstündi­gen Sitzungsma­rathons im Geheimdien­stausschus­s des Repräsenta­ntenhauses ein. Es war ein Moment seltener Aufrichtig­keit, dessen Folgen David Remnick, Chefredakt­eur der Zeitschrif­t „New Yorker“, so kommentier­t: „Im moralische­n Universum Trumps konnte nicht das Lügen die Sünde sein, sondern allein das Eingeständ­nis der Lüge.“

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