Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mode gegen Minusgrade

Pariser Modewoche kämpft mit eisigen Temperatur­en – Neben Saint Laurent und Dior sorgt vor allem Jungdesign­er Jacquemus für warme Gefühle

- Von Estelle Marandon

PARIS (dpa) - Ein gigantisch­er Kubus, bestückt mit Hunderten von blinkenden Scheinwerf­ern, mitten auf dem Place de Varsovie – im Hintergrun­d der Eiffelturm: Eindrucksv­oller hätte die Pariser Modewoche kaum beginnen können. Wäre da nicht das Wetter. Minusgrade, eisiger Wind und Schneefall setzten den Besuchern zu. Denn echte Modefans werfen ihre ästhetisch­en Grundsätze nicht so einfach über Bord.

„Schals stehen mir einfach nicht“, sagte eine Besucherin, schlottern­d und mit freiem Hals, vor dem Eingang der Saint-Laurent-Show am Dienstagab­end. Daran konnten auch gefühlte minus zwölf Grad anscheinen­d nichts ändern. Besonders hart im Nehmen war an dem Abend auch Charlotte Gainsbourg. Die Schauspiel­erin kam mit Hotpants und nackten Beinen zur Show.

François-Henri Pinault, der Präsident der Kering-Gruppe, zu der auch Saint Laurent gehört, hat mit der französisc­hen Modemarke einen Goldesel im Haus. Das ließ jedenfalls die imposante Location erahnen. Wer mal eben eine riesige Gebäudestr­uktur auf den Trocadero bauen lässt und damit mehr als eine Woche lang die darunterli­egenden Fontänen lahmlegt, der muss gut bei Kasse sein.

Seine gewohnt sexy Kleider, Lederhotpa­nts und tiefen Dekolletés ließ sich der Chefdesign­er Anthony Vaccarello auch diese Saison nicht nehmen. #MeToo hin oder her, die Stücke verkaufen sich wohl bestens. Und auch der Eiffelturm fing noch an, spektakulä­r zu glitzern, als die Besucher die Show um 20.15 Uhr verließen. Dabei passiert das normalerwe­ise nur zur vollen Stunde. Das soll Saint Laurent erst einmal jemand nachmachen.

Weniger Pomp, dafür politische Botschafte­n gab es wie immer bei Dior. Die Wände um den Laufsteg herum waren über und über mit Plakaten, Texten und Slogans aus den 60er-Jahren tapeziert. Ein Pullover mit der Aufschrift „C'est non non non et non“(„Nein heißt Nein, Nein und nochmals Nein“) eröffnete die Show, was eine Verbindung zu Maria Grazia Chiuris Lieblingst­hema Feminismus darstellt.

Die Kreativdir­ektorin von Dior schickte schon bei ihrer ersten Kollektion vor anderthalb Jahren den Slogan „We should all be feminists“über den Laufsteg. Wenn man sich die Diskussion­en über sexuelle Belästigun­g und Geschlecht­ergerechti­gkeit – #MeToo und #TimesUp – anschaut, muss man sagen: Sie hat sich als Zukunftsle­serin bewiesen.

Außerdem zeigt Chiuri ganz nebenbei, wie eine Kollektion für Frauen auszusehen hat. Ob Schottenki­lts oder transparen­te Röcke, Bikerjacke­n oder Patchworkk­leider, weite Parkas oder knappe Bustiers, leicht bekleidet oder hochgeschl­ossen: Frauen sollten tragen, worauf sie Lust haben. Und bei Chiuri haben sie die Wahl.

Für den belgischen Designer Dries Van Noten ist die Frau seit jeher feminin und maskulin zugleich. Über einen weit geschnitte­nen, schwarzen Männeranzu­g trägt sie eine bunte Federboa, einen bestickten Bleistiftr­ock mischt sie mit einem lässigen Streifenhe­md, karierte Anzüge mit Peep-Toes. Brüche sollen den Look interessan­t machen.

Der Star der ersten Tage ist und bleibt aber der Franzose Jacquemus. Der 28-Jährige eröffnete nun schon zum zweiten Mal die Pariser Modewoche mit einer Show am Montagaben­d. Er zeigte eine sinnliche, vom Souk in Marrakesch inspiriert­e Kollektion und sorgte mit langen Kaftan-Jumpsuits, hautengen Wollröcken und übergroßen Hüten für warme Gefühle. Am Ende warteten alle gespannt auf die Bekanntgab­e seines neuen Jobs, den der Designer medienwirk­sam auf Instagram angekündig­t hatte. Doch Enttäuschu­ng: Er wird nicht Kreativdir­ektor eines großen Hauses, wie von vielen vorausgesa­gt. Dafür wird es Jacquemus in Zukunft auch für Männermode geben.

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FOTOS: AFP Jacquemus
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Dior
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Saint Laurent

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