Trump liebt das Chaos
Die Stahl-Entscheidung zeugt von einem zutiefst frustrierten US-Präsidenten
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WASHINGTON (dpa) - Freund und Feind überrascht, Berater verprellt, Präsident glücklich. Auf diesen Nenner lässt sich Donald Trumps Entscheidung bringen, Strafzölle auf Stahl und Aluminium zu verhängen. Dass mit dieser rüden Ankündigung eine neue Phase in seiner Präsidentschaft eingeleitet würde, wäre zu viel gesagt. Vieles aber spricht dafür, dass man von diesem Trump mehr erleben wird: noch ungestümer, noch mehr alleine mit dem Kopf durch die Wand. Es sieht so aus, als habe er die Mahner und Mäßiger um ihn herum ein bisschen satt.
Seine Stahl-Entscheidung verkündete Trump völlig überraschend, auch wenn sich Handelsbeziehungen schon seit Langem verschlechtern. Seit Monaten spricht er von diesen Zöllen, jetzt hat er, was er immer wollte. „Wer keinen (eigenen) Stahl hat, der hat kein Land“, dieser Satz gehört seit dem Wahlkampf zum „Best of“seiner Reden. Nur: Diese Entscheidung war nicht vorbereitet, die Maßnahmen nicht fertig, Senat und engste Berater wussten nichts davon, nichts war angekündigt. Berater ignorierte Trump. Er wollte jetzt durchziehen.
Wer, wie Trump, nach dieser Stahl-Entscheidung sagt: Handelskriege sind gut, und sie sind leicht zu gewinnen, der interessiert sich vermutlich nicht für Beben auf Märkten, für verprellte Alliierte, für eine schwer irritierte EU, eine kritische Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Das ist alles sehr beunruhigend“, sagt A.B. Stoddard von RealClear Politics. Die stabilisierenden Kräfte, sie verließen Trump.
US-Medien berichten, Trump koche seit Tagen vor Wut. Außer sich sei er über die Degradierung seines Schwiegersohnes und Beraters Jared Kushner, der keinen Zugang mehr zu Top-Secret-Informationen hat. Verantwortlich für diese Entscheidung: John Kelly, Trumps strenger Stabschef. Es heißt, Trump habe die Nase voll von dessen Disziplin und Härte. Er will jetzt selber machen.
Trump macht keine Gefangenen
„Oft genug hat sein Stab Trump noch von der Zinne holen können“, schreibt der Informationsdienst Axios am Freitag. „Das ist vorbei. Er hat versucht, nach Kellys Regeln zu spielen. Jetzt lernen alle, nach POTUS’ Regeln zu spielen“– der Präsident am Drücker und sonst keiner, vor allem beim Thema Handel mache der keine Gefangenen mehr. Das könnte seinen Wirtschafts-Chefberater Gary Cohn endgültig vom Hof treiben, die Strafzölle sind für ihn eine schwere Niederlage.
Trump liebt das Chaos, die Präsidentschaft von Tag zu Tag, Widersprüche und Hin und Her sind ihm einerlei, solange er nur alle Aufmerksamkeit hat. Und die ist ihm sicher. Die Lage aber ist kompliziert. Die „New York Times“berichtet, Trump wolle Kelly als Hebel nutzen, um Tochter Ivanka nebst Mann Jared Kushner aus dem Weißen Haus zu treiben. Seine Familie ist Trump heilig. Aber wenn ihm schlechte Schlagzeilen selber nahezukommen drohen, kennt er womöglich auch keine Verwandten mehr. Gleichzeitig halten sich Berichte, Kellys Tage seien gezählt.
Dass der Präsident Hope Hicks als Kommunikationsberaterin verliert, muss ihn sehr hart getroffen haben. Sie war eine seiner engsten Vertrauten, John Decker beschreibt sie als eine Art
RAVENSBURG - Wirtschaft und Politik in der EU sind sich angesichts der drohenden US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium einig: Die USA verstoßen damit gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). Die EU müsse deshalb rasch handeln und im Einklang mit den Regeln der WTO zurückgeschlagen. Doch wie kann dieser Gegenschlag aussehen?
„Grundsätzlich hat die EU drei Möglichkeiten, auf die US-amerikanischen Strafzölle zu reagieren“, sagt ein mit WTO-Themen vertrauter Experte, der seinen Namen aufgrund der Brisanz nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie kann, erstens, vor der WTO ein Streitschlichtungsverfahren anstrengen. Das Problem dabei: Ein solches Verfahren ist äußerst langwierig und kompliziert. „Das kann zwei bis drei Jahre dauern“, so der Handelsexperte, der die Gefahr einer Abwärtsspirale sieht. Am Anfang eines solchen Verfahrens stehen „Executive Producer“des Präsidenten. Mit ihrem Abgang fällt ein weiteres Element weg, das Trump in geordnete Bahnen zu lenken wusste, sofern das überhaupt geht.
Spontan, ungezügelt, wuchtig: Im Jahr der Kongresswahlen will Trump noch viel mehr den Wahlkämpfer geben. Wenig gibt ihm so viel Energie wie johlende Mengen möglichst weit weg von der ihm faden Hauptstadt und ihren Mühen. Ich, der Präsident: Dazu sollen auch deutlich mehr live im Fernsehen übertragene Verhandlungsrunden gehören, wie er sie zur Einwanderung und jüngst auch 64 Minuten lang zu Waffengesetzen praktiziert hat. Das Weiße Haus als Reality-TV, in dem Trump beiläufig mit der Todesstrafe für Drogendealer sympathisiert. So erreicht Trump seine Basis, hat seine Fernsehbilder, markiert Entschlusskraft, Amerika zuerst. Was von diesen Positionen konkrete Politik wird, ist eine ganz andere Frage. Ob, wie beim Stahl, die Folgen von Washington noch kontrollierbar sind, auch.
„Wie kann Trump in all diesem Chaos effektiv regieren?“, fragte CNN am Freitag.