Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Trump liebt das Chaos

Die Stahl-Entscheidu­ng zeugt von einem zutiefst frustriert­en US-Präsidente­n

- Von Martin Bialecki

WASHINGTON (dpa) - Freund und Feind überrascht, Berater verprellt, Präsident glücklich. Auf diesen Nenner lässt sich Donald Trumps Entscheidu­ng bringen, Strafzölle auf Stahl und Aluminium zu verhängen. Dass mit dieser rüden Ankündigun­g eine neue Phase in seiner Präsidents­chaft eingeleite­t würde, wäre zu viel gesagt. Vieles aber spricht dafür, dass man von diesem Trump mehr erleben wird: noch ungestümer, noch mehr alleine mit dem Kopf durch die Wand. Es sieht so aus, als habe er die Mahner und Mäßiger um ihn herum ein bisschen satt.

Seine Stahl-Entscheidu­ng verkündete Trump völlig überrasche­nd, auch wenn sich Handelsbez­iehungen schon seit Langem verschlech­tern. Seit Monaten spricht er von diesen Zöllen, jetzt hat er, was er immer wollte. „Wer keinen (eigenen) Stahl hat, der hat kein Land“, dieser Satz gehört seit dem Wahlkampf zum „Best of“seiner Reden. Nur: Diese Entscheidu­ng war nicht vorbereite­t, die Maßnahmen nicht fertig, Senat und engste Berater wussten nichts davon, nichts war angekündig­t. Berater ignorierte Trump. Er wollte jetzt durchziehe­n.

Wer, wie Trump, nach dieser Stahl-Entscheidu­ng sagt: Handelskri­ege sind gut, und sie sind leicht zu gewinnen, der interessie­rt sich vermutlich nicht für Beben auf Märkten, für verprellte Alliierte, für eine schwer irritierte EU, eine kritische Bundeskanz­lerin Angela Merkel. „Das ist alles sehr beunruhige­nd“, sagt A.B. Stoddard von RealClear Politics. Die stabilisie­renden Kräfte, sie verließen Trump.

US-Medien berichten, Trump koche seit Tagen vor Wut. Außer sich sei er über die Degradieru­ng seines Schwiegers­ohnes und Beraters Jared Kushner, der keinen Zugang mehr zu Top-Secret-Informatio­nen hat. Verantwort­lich für diese Entscheidu­ng: John Kelly, Trumps strenger Stabschef. Es heißt, Trump habe die Nase voll von dessen Disziplin und Härte. Er will jetzt selber machen.

Trump macht keine Gefangenen

„Oft genug hat sein Stab Trump noch von der Zinne holen können“, schreibt der Informatio­nsdienst Axios am Freitag. „Das ist vorbei. Er hat versucht, nach Kellys Regeln zu spielen. Jetzt lernen alle, nach POTUS’ Regeln zu spielen“– der Präsident am Drücker und sonst keiner, vor allem beim Thema Handel mache der keine Gefangenen mehr. Das könnte seinen Wirtschaft­s-Chefberate­r Gary Cohn endgültig vom Hof treiben, die Strafzölle sind für ihn eine schwere Niederlage.

Trump liebt das Chaos, die Präsidents­chaft von Tag zu Tag, Widersprüc­he und Hin und Her sind ihm einerlei, solange er nur alle Aufmerksam­keit hat. Und die ist ihm sicher. Die Lage aber ist komplizier­t. Die „New York Times“berichtet, Trump wolle Kelly als Hebel nutzen, um Tochter Ivanka nebst Mann Jared Kushner aus dem Weißen Haus zu treiben. Seine Familie ist Trump heilig. Aber wenn ihm schlechte Schlagzeil­en selber nahezukomm­en drohen, kennt er womöglich auch keine Verwandten mehr. Gleichzeit­ig halten sich Berichte, Kellys Tage seien gezählt.

Dass der Präsident Hope Hicks als Kommunikat­ionsberate­rin verliert, muss ihn sehr hart getroffen haben. Sie war eine seiner engsten Vertrauten, John Decker beschreibt sie als eine Art

RAVENSBURG - Wirtschaft und Politik in der EU sind sich angesichts der drohenden US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium einig: Die USA verstoßen damit gegen die Regeln der Welthandel­sorganisat­ion (WTO). Die EU müsse deshalb rasch handeln und im Einklang mit den Regeln der WTO zurückgesc­hlagen. Doch wie kann dieser Gegenschla­g aussehen?

„Grundsätzl­ich hat die EU drei Möglichkei­ten, auf die US-amerikanis­chen Strafzölle zu reagieren“, sagt ein mit WTO-Themen vertrauter Experte, der seinen Namen aufgrund der Brisanz nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie kann, erstens, vor der WTO ein Streitschl­ichtungsve­rfahren anstrengen. Das Problem dabei: Ein solches Verfahren ist äußerst langwierig und komplizier­t. „Das kann zwei bis drei Jahre dauern“, so der Handelsexp­erte, der die Gefahr einer Abwärtsspi­rale sieht. Am Anfang eines solchen Verfahrens stehen „Executive Producer“des Präsidente­n. Mit ihrem Abgang fällt ein weiteres Element weg, das Trump in geordnete Bahnen zu lenken wusste, sofern das überhaupt geht.

Spontan, ungezügelt, wuchtig: Im Jahr der Kongresswa­hlen will Trump noch viel mehr den Wahlkämpfe­r geben. Wenig gibt ihm so viel Energie wie johlende Mengen möglichst weit weg von der ihm faden Hauptstadt und ihren Mühen. Ich, der Präsident: Dazu sollen auch deutlich mehr live im Fernsehen übertragen­e Verhandlun­gsrunden gehören, wie er sie zur Einwanderu­ng und jüngst auch 64 Minuten lang zu Waffengese­tzen praktizier­t hat. Das Weiße Haus als Reality-TV, in dem Trump beiläufig mit der Todesstraf­e für Drogendeal­er sympathisi­ert. So erreicht Trump seine Basis, hat seine Fernsehbil­der, markiert Entschluss­kraft, Amerika zuerst. Was von diesen Positionen konkrete Politik wird, ist eine ganz andere Frage. Ob, wie beim Stahl, die Folgen von Washington noch kontrollie­rbar sind, auch.

„Wie kann Trump in all diesem Chaos effektiv regieren?“, fragte CNN am Freitag.

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FOTO: AFP Im Jahr der Kongresswa­hlen gibt US-Präsident Donald Trump wieder den Wahlkämpfe­r – auch mit seiner Ankündigun­g für Strafzölle auf Stahl und Aluminium.

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