Stimmung statt Politik
Wie die AfD das Parlament verändert – Mit Anträgen wie „Deutsch als Landessprache“
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BERLIN - Die Zwischenrufe sind mehr geworden, der Ton oft nicht angemessen. Ob man Merkel „jagt“, von „entarteten“Doppelpässen spricht oder sich selbst gar mit den Opfern der Nazi-Diktatur vergleicht. Oder so laut schreit, als ob man auf einem Marktplatz und nicht im Bundestag spräche, wo es Mikrofone gibt – die AfD verändert den Bundestag.
„Denen geht allmählich die Luft aus“, heißt es jedoch bei den anderen Fraktionen. Denn jetzt kommt ein Gesetzentwurf zu „Deutsch als Landessprache“, der viel Hohn und Spott erntet und auch humorvolle Einlassungen wie die plattdeutsch vorgetragene Antwort des SPD-Abgeordneten Johann Saathoff aus Emden: „Düütschland word neet armer dör anner Spraken“.
Letzte Woche kam die Partei mit einem eigenen Tagesordnungspunkt zu Deniz Yücel. Sie forderte den Bundestag auf, abfällige Äußerungen Yücels über Deutschland zu missbilligen. „Was für ein Rechtsverständnis steht dahinter?“, fragen sich Abgeordnete, wenn in einem Land mit Pressefreiheit der Bundestag Artikel rügen soll? „Bei uns gibt es keine oberste Zensurbehörde Parlament“, sagt ein wütender Cem Özdemir von den Grünen.
Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Hasselmann, ist von Anfang an durch ihr besonders beherztes Auftreten gegen die AfD aufgefallen. Denn als Geschäftsführerin muss sie sich mehr als andere mit AfD-Anträgen auseinandersetzen.
Jetzt beginne eine neue Epoche, hatte die AfD bei ihrem Einzug in den Bundestag vollmundig angekündigt. Die ersten 100 Tage sind vorbei, unzählige Anträge und Initiativen gestellt, die anderen Parteien sehr viel stärker gefordert als früher. Im Kampf um die richtige Strategie gegen die AfD haben sich die meisten Abgeordneten vorgenommen, jedes Mal ruhig und in der Sache die AfD zu widerlegen. So wie Hasselmann ihnen vorwirft, im Streit um die Abgeordnetendiäten im Bundestag „die Backen aufzublasen“, ohne in den Gremien Widerspruch angemeldet zu haben. „Wie scheinheilig ist das denn!“so Hasselmann.
Auch den Versuch, andere Parteien in Verlegenheit zu bringen, wollen diese der AfD nicht durchgehen lassen. Zwar kann man mit dem Antrag gegen die Vollverschleierung in Deutschland auch auf CDU-Parteitagen und bei der FDP punkten. Doch längst ist klar, dass es ein rechtlich schwieriges Unterfangen würde, weil dann vom Karneval bis zu kältegeplagten Radfahrern viele Einzelund Ausnahmeregelungen getroffen werden müssen. „Man kann nicht alles verbieten, was man ablehnt“hatte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) gewarnt.
Und nun der neue Gesetzentwurf, Deutsch als Landessprache ins Grundgesetz schreiben. Auch dafür hatten sich schon CDU-Politiker stark gemacht. Allerdings als Ergänzung zur Festschreibung der Bundeshauptstadt und den Farben der Landesflagge – und nicht, um Menschen ohne oder mit mangelnden Kenntnissen der deutschen Sprache auszugrenzen, wie der Ravensburger CDU-Abgeordnete Axel Müller in der Debatte feststellt. Müller, bis vor wenigen Monaten Vorsitzender Richter am Landgericht, macht deutlich, dass Deutsch grundsätzlich die Sprache staatlichen Handelns ist.
„Braucht’s des?“hinterfragt der bayerische Grüne Erhard Grundl frei nach Gerhard Polt den AfD-Sprachenantrag. Das sei doch nur ein neuer Versuch, „die eigene Kleinkariertheit unserem Land überzustülpen“. Stephan Brandner von der AfD sieht dagegen die deutsche Sprache in Gefahr, wenn in der Wirtschaft Englisch die Oberhand gewinnt oder die Polizei auf arabisch twittert.
Heiter bis genervt
Warum nur hat dann die AfD ihr Grundsatzprogramm in Russisch auf ihrer Internetseite, fragt Gitta Connemann von der CDU. Sie pickt genüsslich auf, dass der Antrag der AfD selbst von Fremdworten wimmelt, von „obligatorisch“über „Hauptkommunikationsmedien“bis zur Deutschen Sprache als „primäres“Mittel. Und der Schwabe Axel Müller macht darauf aufmerksam, dass auch das A von Alternative nicht für ein deutsches Wort steht.
Auch wenn diese Debatte eher heiter geführt wird, viele sind wie der Allgäuer FDP-Abgeordnete Stephan Thomae genervt. „Wie lange wollen Sie noch die Geduld des Hauses missbrauchen?“, fragt er auf Lateinisch. Die AfD legt in engem Turnus Anträge und Gesetzesinitiativen vor, angesichts derer die anderen Abgeordneten zusammenrücken. Manche Grüne hätten sich vor einem halben Jahr nicht träumen lassen, dass sie einmal begeistert CDU-Abgeordneten wie Johann Wadephul oder Patrick Sensburg Beifall klatschen.
Die AfD hält aber auch den Betrieb auf, mit ihren Anträgen, die entweder formal den Ansprüchen erst gar nicht gerecht werden – wie im Fall Yücel – oder reine Stimmungsmache sind wie „Deutsch als Landessprache“. Immerhin, für 38 Minuten Sprach-Stimmung hat diesmal der AfD-Antrag gesorgt.