Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Basis hat gesprochen

SPD verkündet Ergebnis des Mitglieder­votums am Sonntag

- Von Tobias Schmidt

BERLIN - Hoffentlic­h geht das nicht schief: So lässt sich die Stimmungsl­age unter den SPD-Funktionär­en beschreibe­n. Nach außen geben sich die Spitzengen­ossen zuversicht­lich, 60 plus X lautet die Prognose für den Ausgang des Mitglieder­votums über die Große Koalition. Aber kann da wirklich nichts mehr anbrennen? „Mit dem Brexit-Votum und der Trump-Wahl hat auch überhaupt niemand gerechnet. Wir müssen noch abwarten“, will einer aus der Führungsri­ege am Freitag das Scheitern noch nicht ausschließ­en.

Die letzten Stimmen mussten bis Freitag, 24 Uhr, im Postfach des Parteivors­tandes eingegange­n sein. Am heutigen Samstag werden die Briefe mit Lastwagen zur Parteizent­rale gebracht, dann wird ausgezählt. Am Sonntag um 9 Uhr tritt Schatzmeis­ter Dietmar Nietan im Willy-BrandtHaus vor die Kameras und verkündet das Ergebnis. Dann entscheide­t sich, ob Deutschlan­d nach mehr als einem halben Jahr wieder eine Regierung bekommt.

Parteivize Thorsten SchäferGüm­bel warnt am Freitag ein letztes Mal: Ein Nein der Basis bedeute Neuwahlen – und damit den Absturz der Partei. Zwischenze­itlich hatte die AfD in Umfragen die SPD schon überholt, die Abstrafung durch die Wählerinne­n und Wähler wäre gewiss. Das könnte auch die gerade neu installier­te Parteiführ­ung fortfegen. Die SPD dürfe sich „nicht in die Studierstu­be zurückzieh­en und das Land in der Zwischenze­it im Stich lassen“, mahnt Außenminis­ter Sigmar Gabriel.

Im No-GroKo-Szenario wäre aber nicht nur die SPD der Verlierer, auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stünde ein halbes Jahr nach der Wahl vor einem politische­n Trümmerhau­fen. Eine von ihr geführte Minderheit­sregierung hätte nur ein wackeliges Fundament. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier würde wohl versuchen, Neuwahlen zu verhindern und die Parteien abermals aufrufen, eine Regierung zu bilden. Aber auch für CSU-Chef Horst Seehofer ist klar: GroKo oder Neuwahlen – alles andere mache auf Dauer keinen Sinn.

Nach den Chaos-Tagen und dem Sturz von Martin Schulz hatten sich die Wogen für die SPD ein wenig geglättet. In den Umfragen gibt es eine erste Erholung, der absolute Tiefpunkt scheint zunächst überwunden zu sein. „Die SPD mit Andrea Nahles an der Spitze findet sich und fasst wieder Tritt“, sagt Johannes Kahrs, Sprecher des konservati­ven Seeheimer Kreises der SPD, der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wenn Schwarz-Rot zustande kommt, werden wir eine ordentlich­e Regierungs­arbeit abliefern, die gut für das Land ist.“

Sollte die Basis grünes Licht geben, kommt auf Nahles und den kommissari­schen Parteichef Olaf Scholz die knifflige Aufgabe zu, mit der Auswahl der Ministerri­ege die vielen Befindlich­keiten zu bedienen und die Verspreche­n einzuhalte­n: 50 Prozent Frauen und ein Gesicht aus den neuen Bundesländ­ern müssten Nahles und Scholz auf ihrer Liste haben – und klären, ob Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) noch eine Zukunft im Kabinett hat.

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FOTO: DPA Im Willy-Brandt-Haus werden die Stimmen des SPD-Mitglieder­votums ausgezählt.

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