Schwäbische Zeitung (Ehingen)

May geht auf EU zu

Premiermin­isterin bei Brexit zu Kompromiss­en bereit

- Von Sebastian Borger

LONDON - Großbritan­nien rückt vom harten Brexit ab. Nachdem Labour-Opposition­sführer Jeremy Corbyn zu Wochenbegi­nn den Verbleib in einer Zollunion mit der EU gefordert hatte, beteuerte am Freitag Premiermin­isterin Theresa May ihre Kompromiss­bereitscha­ft. Um die Handelsbez­iehungen so reibungslo­s wie möglich zu gestalten, wolle die Insel sich auch zukünftig dem Regelwerk wichtiger europäisch­er Agenturen, etwa bei Arzneimitt­eln und Luftfahrt, unterwerfe­n. Ein umfassende­s Freihandel­sabkommen „ist im Interesse beider Seiten“, sagte die Konservati­ve in London.

Mays Rede gehört in einen Reigen von Ansprachen führender Regierungs­mitglieder, von Brexit-Einpeitsch­ern wie Außenminis­ter Boris Johnson bis zu Brexit-Skeptikern wie Finanzmini­ster Philip Hammond. London will damit den dringliche­n Bitten aus Brüssel und anderen Hauptstädt­en des Kontinents nachkommen und die britische Vorstellun­g des zukünftige­n Verhältnis­ses zur EU skizzieren. Nur dann, heißt es in Brüssel, sei eine erfolgreic­he Vereinbaru­ng über die von London gewünschte, knapp zweijährig­e Übergangsp­hase bis Ende 2020 möglich, in der Grossbrita­nnien praktisch EUMitglied bleibt, ohne aber am Konferenzt­isch zu sitzen.

„Bindende Vereinbaru­ngen“

In ihrer 43-minütigen Ansprache wiederholt­e May frühere Äußerungen, wonach die Insel „die Kontrolle über unsere Grenzen, unser Geld und unsere Gesetze“zurückerla­ngen wolle. Anders als früher beschuldig­te sie aber Gegner ihrer Auffassung nicht mehr als „Bürger von Nirgendwo“oder Saboteure der Referendum­sentscheid­ung.

May sprach von „bindenden Vereinbaru­ngen“über den zukünftige­n Marktzugan­g, Staatshilf­en und Wettbewerb­sregeln. Dies war Londoner Presseberi­chten zufolge noch am Donnerstag im Kabinett umstritten: Führende Brexiteers hatten sich angeblich gegen diese Formulieru­ng ausgesproc­hen. Womöglich konnte EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk bei seinem London-Besuch am gleichen Tag May davon überzeugen, dass die EU von Grossbrita­nnien eben jene bindenden Zusagen erwartet.

Irische Grenze bleibt ein Problem

Zwischen Nordirland und der Republik im Süden dürfe es auch zukünftig keine „harte Grenze“mit Zollund Passkontro­llen geben, beteuerte die Regierungs­chefin. Ausdrückli­ch erkannte May an, dass der EU-Austritt ihrem Land die Hauptlast bei der Lösungssuc­he auferlege. Allerdings müssten auch Dublin und Brüssel dazu beitragen.

Besonders die Situation auf der irischen Insel hatte zuletzt die britische Brexit-Debatte dominiert. Zwei von Mays Vorgängern, Tory-Premier John Major und Labour-Premier Tony Blair, waren scharf mit EU-Hassern wie dem Konservati­ven Jacob Rees-Mogg ins Gericht gegangen, die das irische Problem für wenig bedeutend erklärt hatten. Blair kritisiert­e zusätzlich seine eigene Partei. Wäre er Opposition­sführer, sagte der 64-Jährige, „würde ich die Torys täglich wegen ihres Brexit-Schlamasse­ls unter Druck setzen“– anders als der derzeitige Labour-Chef Jeremy Corbyn, 68, der dem Thema am liebsten aus dem Weg geht. Dass der tatsächlic­he Opposition­sführer aber zu Wochenbegi­nn den Verbleib seines Landes in einer Zollunion mit der EU forderte, hat die Brexit-Debatte entscheide­nd verändert.

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FOTO: AFP Theresa May

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