Härtere Strafen für Gaffer
Wer Fotos von Unfalltoten macht, soll bis zu zwei Jahre Haft erhalten – Bundesrat bringt Gesetzentwurf ein
BERLIN (dpa/AFP) - Die Bilder nach schweren Autounfällen sind oft schrecklich: Zwischen Trümmern liegen Schwerstverletzte und Erstretter versuchen zu helfen, wo vielleicht schon nicht mehr zu helfen ist. Besonders schrecklich für Rettungskräfte und Angehörige sind aber Gaffer, die mit Handyaufnahmen ihre Sensationsgier bedienen und später Videos oder Fotos von Unfalltoten in soziale Netzwerke stellen.
Die Länder wollen sensationsgierigem Fotografieren und Filmen von Todesopfern bei Unfällen Einhalt gebieten und dies zur Abschreckung unter Strafe stellen. Der Bundesrat beschloss am Freitag, einen entsprechenden Gesetzentwurf erneut in den Bundestag einzubringen. Demnach sollen auch Aufnahmen von Toten mit bis zu zwei Jahren Gefängnis oder Geldstrafe geahndet werden. Bisher ist dies nur für lebende Menschen geregelt. Schon der Versuch, wenn Gaffer bei Unglücken zum Beispiel ihr Handy zücken, soll künftig strafbar sein.
Persönlichkeitsrechte stärken
Der Bundestag muss sich nun mit der Initiative beschäftigen. Der Bundesrat argumentiert, immer öfter würden bloßstellende Bilder über soziale Netzwerke verbreitet oder an Medien gegeben. Daher solle der Schutz des Persönlichkeitsrechts für Verstorbene gestärkt werden.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte, es gehe auch um Abschreckung. „Was Gaffer in Deutschland regelmäßig tun, ist unverantwortlich, menschenverachtend und abscheulich.“Es seien Fälle bekannt, in denen Menschen über Facebook vom Tod eines Angehörigen bei einem Unfall erfahren hätten und nicht von der Polizei. Die Neuregelung solle unbefugte Aufnahmen unterbinden. „Wir tun dies im Interesse der Opfer und zum Schutz ihrer Würde“, sagte Pistorius.
Die Länderkammer hatte schon 2016 einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, das Parlament griff diesen Aspekt aber vor der Bundestagswahl nicht auf. Dadurch war der Vorstoß hinfällig geworden, sodass die Länder nun einen neuen Anlauf gestartet haben.
Dass Schaulustige bei Verkehrsunfällen für die bessere Sicht auf Verletzte oder gar Tote extrem langsam fahren oder gar stehen bleiben und damit Staus verursachen, ist Alltag auf deutschen Straßen. 2,6 Millionen Verkehrsunfälle gab es im vergangenen Jahr, viele davon so schwer, dass 388 000 Menschen verletzt und knapp 3200 getötet wurden. Doch die bereits drastischen Strafen für das Gaffen haben sich bei den Autofahrern offenbar noch nicht herumgesprochen: Schaulustigen, die Rettungsgassen versperren oder am Unfallort umherlaufen und damit Rettungskräfte behindern, droht schon jetzt mit dem im Mai vergangenen Jahres eingeführten Paragraphen 323c Strafgesetzbuch bis zu einem Jahr Haft.
Zudem wird das Fotografieren beim Gaffen etwa aus dem Auto heraus auch ohne Behinderung von Rettungskräften seit Ende 2017 mit Geldbußen von bis zu 1000 Euro bestraft, zudem kann das Handy eingezogen werden. Bei Benutzung des Handys am Steuer erwarten Gaffer noch ein Bußgeld von 100 Euro und ein Punkt in der Flensburger Verkehrssünderkartei.
Von der geplanten Gesetzesverschärfung abgesehen, will BadenWürttemberg nach Angaben des Verkehrsministeriums Sichtschutzwände gegen Gaffer bei Verkehrsunfällen anschaffen und von Mitte des Jahres an einsetzen.
Die öffentliche Ausschreibung für die Anschaffung der Sichtschutzwände (es kommen verschiedene Modelle infrage) läuft, genauso wie die Festlegung der Standorte im Autobahnnetz. Die Polizei in Bayern hatte bereits Sichtschutzwände getestet.
Verkehrsexperten raten darüber hinaus, die filmenden oder fotografierenden Gaffer mit ihren eigenen Waffen zu schlagen: Die Polizei könnte an Unfallorten Kameras aufstellen, Gaffer filmen und deren Autokennzeichen später auswerten.