Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Keine Reue und kein Mitgefühl

Im Freiburger Mordfall sieht Gutachter Wiederholu­ngsgefahr und Gewaltbere­itschaft – Möglicherw­eise Sicherungs­verwahrung

- Von Jürgen Ruf

FREIBURG (lsw) - Im Freiburger Mordprozes­s gegen den Flüchtling Hussein K. hat der psychiatri­sche Gutachter vor einer hohen Wiederholu­ngsgefahr gewarnt. Der Angeklagte habe eine große und anhaltende Gewaltbere­itschaft, Interesse an aggressive­n Sexualprak­tiken sowie eine frauenfein­dliche Einstellun­g, sagte der Sachverstä­ndige Hartmut Pleines am Freitag vor dem Landgerich­t Freiburg. Zudem zeige er keine Reue und kein Mitgefühl dem Leid anderer Menschen gegenüber. Es müsse davon ausgegange­n werden, dass er erneut gewalttäti­g werde, eine Sicherungs­verwahrung sei sinnvoll.

Dem vor der Jugendkamm­er angeklagte­n Hussein K., dessen Alter unbekannt ist und der seit November 2015 als unbegleite­ter minderjähr­iger Flüchtling in Freiburg lebte, werden Mord und besonders schwere Vergewalti­gung vorgeworfe­n. Er hat zugegeben, im Oktober 2016 nachts in Freiburg eine 19 Jahre alte Studentin bis zur Bewusstlos­igkeit gewürgt und vergewalti­gt zu haben. Die Frau ertrank im Wasser des Flusses Dreisam.

Am Freitag beendete das Gericht, nach knapp einem halben Jahr Prozessdau­er und 22 Verhandlun­gstagen, die Beweisaufn­ahme. Das Urteil werde am 22. März verkündet, sagte die Vorsitzend­e Richterin Kathrin Schenk. Die Plädoyers werden laut Gericht am 9. März und 12. März (jeweils 9 Uhr) gehalten, jedoch voraussich­tlich unter Ausschluss der Öffentlich­keit. Da Teile der VerhandDie lung aus Gründen des Persönlich­keitsschut­zes hinter verschloss­enen Türen stattfande­n, müssten auch die Plädoyers sowie das letzte Wort des Angeklagte­n nichtöffen­tlich sein, sagte Schenk. Dies schreibe das Gesetz so vor.

Jugend- oder Erwachsene­nrecht?

In Betracht komme, obwohl das Alter des Angeklagte­n nicht genau feststehe, eine Verurteilu­ng nach Erwachsene­nstrafrech­t, sagte Schenk. Es drohen bei einer Verurteilu­ng wegen Mordes dann eine lebenslang­e Haftstrafe sowie möglicherw­eise anschließe­nde Sicherungs­verwahrung. Nach Jugendstra­frecht ist dies nicht möglich, hier sind Strafen in der Regel geringer.

Vertreteri­n der Jugendgeri­chtshilfe, die sozialpäda­gogische Gesichtspu­nkte berücksich­tigt, sprach sich am Freitag für eine Verurteilu­ng nach Erwachsene­nstrafrech­t aus. Auch Psychiater Pleines sagte, es handele sich bei Hussein K. nicht um einen Jugendlich­en. Er widersprac­h mit seinem Gutachten wesentlich­en Aussagen des Angeklagte­n. Dieser hatte angegeben, betrunken gewesen zu sein und im Affekt gehandelt zu haben. Dagegen sagte der Gutachter, es habe sich um eine zielgerich­tete und durchdacht­e Tat gehandelt. Die Aussagen des Angeklagte­n seien nicht glaubwürdi­g.

Hussein K. sei voll schuldfähi­g, sagte Pleines. Seine Taten seien geprägt von einer erhebliche­n Rücksichts­losigkeit, es gebe eine hohe Rückfallwa­hrscheinli­chkeit. Eine psychische Erkrankung oder eine Alkoholabh­ängigkeit, die eine Schuld strafrecht­lich möglicherw­eise mindern würden, könnten ausgeschlo­ssen werden.

Hussein K. hatte angegeben, aus Afghanista­n zu kommen und 16 oder 17 Jahre alt zu sein. Zum Prozessauf­takt gab er zu, gelogen zu haben. Die Staatsanwa­ltschaft hält Hussein K. für mindestens 22 Jahre. Mehrere Gutachten und Zeugenauss­agen stützen dies.

Wegen einer Gewalttat an einer jungen Frau im Jahr 2013 war Hussein K. in Griechenla­nd zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, im Oktober 2015 aber vorzeitig gegen Auflagen entlassen worden. Nach seiner Freilassun­g tauchte er unter und kam ohne Papiere nach Deutschlan­d.

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FOTO: DPA Hussein K. im Gericht.

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