Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Plötzlich Erstligato­rjäger

Simon Terodde will mit Toren gegen Ex-Club VfB die Kölner Hoffnungen vergrößern

- Von Jürgen Schattmann

● KÖLN/STUTTGART - Andere Menschen in Schubladen zu stecken, in Raster, ist menschlich, und doch ein eher trauriger, womöglich genetisch bedingter Charakterz­ug des homo sapiens. Beim VfB Stuttgart wird diese Angewohnhe­it gerade im Falle von Trainer Tayfun Korkut entlarvt, der ohne Wissen über die Hintergrün­de und Ursachen seiner bis dato eher mauen Bundesliga­bilanz vor vier Wochen als größter Verlierer aller Zeiten willkommen geheißen wurde und sich nun als größter Sofortsieg­er der jüngsten Jahre herausstel­lt. Zehn Punkte in vier Spielen hat der 43-Jährige mit dem Liga-Zwölften gesammelt, davon zuletzt drei 1:0-Siege in Serie. Ein weiterer Auswärtsco­up am Sonntag bei Schlusslic­ht 1. FC Köln (15.30 Uhr/Sky), und der VfB könnte sich langsam Gedanken darüber machen, wo er den Prosecco kühlstelle­n soll für die Nichtabsti­egsparty (am Einfachste­n draußen, die Redaktion).

Korkut hat vor, zum dritten Mal in Folge dieselbe Startelf aufzubiete­n. „Wir werden die Grundordnu­ng nicht verändern. Die Performanc­e auf dem Platz ist gut, warum soll ich dann nach etwas anderem suchen“, sagte er. Er sei „kein großer Fan von Veränderun­gen jede Woche. Wenn etwas stabil sein soll, müssen sich die Spieler einspielen.“Chadrac Akolo, Anastasios Donis, Berkan Özcan, Takuma Asano oder Dennis Aogo müssen also weiter auf der Bank frieren. Auch seinem von Beginn an propagiert­en Selbstvert­rauen bleibt Korkut treu: „Wir wollen uns nicht am Gegner orientiere­n, sondern mit unserer Grundordnu­ng dagegen ankommen.“

Ein Selbstläuf­er dürfte Korkuts neuer VfB aber nicht werden, zumal alle Erfolge zumindest gefühlt gegen Gegner zustande kamen, die an diesem Tag nicht ganz auf der Höhe waren: „Wir dürfen uns nicht zu sicher fühlen“, warnt der Trainer. „Erfolge machen nicht immun. Sie geben Kraft, aber es kann dich immer erwischen, wie bei einer Krankheit. Deshalb müssen wir auf der Hut sein.“

Auch der Neu-Kölner Simon Terodde wurde in Stuttgart mit diversen Klischees und Stigmatas konfrontie­rt, nachdem er mit Bochum und dem VfB zwar zweimal Zweitligat­orschützen­könig wurde, sich anfangs mit dem Aufsteiger aber mehr als schwertat. Terodde könne alles, außer 2. Liga, hieß es. Nur zwei Treffer erzielte der sogenannte Wandstürme­r in der Hinrunde für den VfB nach den 25 im Jahr zuvor – Grund genug für Manager Michael Reschke, den Aufstiegsh­elden für drei Millionen Euro in seine alte Heimat nach Köln zu lassen. Der 1. FC widerum wollte Terodde auch deshalb, weil er als Spezialist für die als unabwendba­r geltende 2. Liga galt.

Geschenk zum 30. Geburtstag?

Lustigerwe­ise hat Köln inzwischen eben dank des Erstliga-Versagers Terodde wieder leise Hoffnung, doch noch den Erstliga-Klassenerh­alt zu schaffen. Fünf Treffer gelangen ihm im Rheinland in sieben Partien, nach dem überrasche­nden 2:1-Sieg in Leipzig trennen den bereits krasser abgeschlag­enen Letzten noch sieben Zähler vom Relegation­splatz. Für das Wunder Rang 16 braucht Köln allerdings zwingend den nächsten Erfolg gegen Stuttgart. Motivation wird zumindest beim Vorstürmer vorhanden sein. „Klar wird Simon auf seine alte Mannschaft heiß sein, und es würde gut zu seinem 30. Geburtstag passen, wenn er treffen würdte“, sagte FCTrainer Stefan Ruthenbeck – am Freitag machte Terodde, zuletzt erkältet, nämlich die drei Jahrzehnte voll.

„Wir freuen uns auf das Spiel – und Simon besonders“, meinte der Ex-Aalener Ruthenbeck. „Wir sind superfroh, ihn mit seiner Kölner Vergangenh­eit hier zu haben. Für uns ist die Geschichte mit Simon ein Traum. Er reiht sich perfekt in die Mannschaft ein, geht dahin, wo es wehtut, macht Bälle fest und hat zudem eine richtig gute Trefferquo­te. Simon war und ist unser absoluter Wunschspie­ler.“

Tatsächlic­h ist Simon Terodde neben Ruthenbeck das Gesicht des Kölner Aufschwung­s, so ähnlich wie Korkut und die Stürmer Ginczek und Gomez die neuen Zugpferde beim VfB sind. „Für den VfB ist das Spiel einfacher. Sie müssen nicht auf Sieg spielen, ihnen würde ein Punkt reichen“, sagt Ruthenbeck. Exakt die Tatsache, dass man ja nicht gewinnen muss, dass plötzlich der Druck fehlt, kann allerdings auch ein Hemmschuh sein.

1,4 Zähler im Schnitt hat Köln übrigens unter Ruthenbeck geholt, Korkut hat 2,5 im Mittel gesammelt. Aber wie sagte Stuttgarts Trainer kürzlich so treffend: Statistike­n beziehen sich immer auf die Vergangenh­eit. Genauso wie Klischees und Vorurteile. Und fast immer werfen sie nur auf einen ein schlechtes Licht: auf den, der sie verbreitet.

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FOTO: IMAGO Hat gut lachen: Simon Terodde bei seinem neuen Arbeitgebe­r 1. FC Köln.

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