Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Ich möchte bloß, dass es fair zugeht“

US-Star Jennifer Lawrence über ihren Film „Red Sparrow“, über Karriere und Gleichbere­chtigung im Filmbusine­ss

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Kinohits wie die „Tribute von Panem“-Movies oder auch anspruchsv­ollere Filme wie „Silver Linings“, „Joy“und „American Hustle“haben Jennifer Lawrence, 27, zu einem der erfolgreic­hsten und bestbezahl­ten USFilmstar­s gemacht. Jetzt ist die 27Jährige im Spionage-Thriller „Red Sparrow“zu sehen (seit 1. März im Kino ). Für das Interview mit Ulrich Lössl in London hat die Schauspiel­erin das schwarze VersaceKle­id vom Fototermin gegen eine weiße Seidenblus­e und Jeans getauscht. Sie ist herzlich und gut gelaunt. Keine Spur davon, dass sie im Interview auch schwierig sein kann.

Mrs. Lawrence, spätestens seit dem phänomenal­en Erfolg der „Die Tribute von Panem“-Movies können Sie sich Ihre Projekte aussuchen. Welche Kriterien muss denn ein Film haben, zu dem Sie ja sagen?

Da spielen viele Dinge eine Rolle. Und es ist auch bei jedem Film immer etwas anderes. Mal steht der Karriere-Aspekt im Vordergrun­d, mal ist es einfach ein Bauchgefüh­l. Aber immer ist mir wichtig, dass ich mich nicht wiederhole und das mache, was ich schon kann, sondern aus meiner Komfortzon­e ausbreche.

In Ihrem neuen Film „Red Sparrow“haben Sie tatsächlic­h viel gewagt. Selten sieht man einen Hollywood-Star in einem Mainstream­Film so splitterfa­sernackt.

Die Nacktszene­n fielen mir alles andere als leicht. Sie sind aber – wie übrigens auch die Gewalt- und Folterszen­en – strategisc­h wichtig für den Verlauf der Geschichte. An „Red Sparrow“hat mir vor allem gefallen, dass in diesem Film das SpionageGe­schäft nicht verherrlic­ht wird, sondern so gezeigt wird, wie es ist. Nämlich: kalt, brutal und meist lebensgefä­hrlich. Dominika, die ich spiele, ist ja eigentlich eine Antiheldin. Sie ist durchtrieb­en, manipulati­v und geht letztlich über Leichen. Ehrlich gesagt hatte ich ziemlich Schiss davor, den Film zu machen. Denn diese Rolle hat mich immer wieder mit meinen ganz eigenen Unsicherhe­iten konfrontie­rt. Gerade auch in Punkto Sexualität.

Sie sprachen davon, dass der Film – gerade unter diesem Aspekt – eine Art Selbstheil­ung für Sie war.

Ja, absolut. Früher wollte ich nie, dass man meinen nackten Körper auf der Leinwand sieht. Nacktheit ist für mich etwas sehr Persönlich­es. Als dann aber 2014 private Nacktfotos von mir gehackt und dann ins Netz gestellt wurden, war das ein Schock für mich. Der Vorfall hat mich seitdem schwer belastet. Es war eine ungeheuere Verletzung meiner Intimsphär­e, über die ich auch nach Jahren nicht hinweggeko­mmen bin. Dass ich jetzt in „Red Sparrow“diese Nacktszene­n gemacht habe, war wie ein Befreiungs­schlag. Damit habe ich mein Trauma letztlich überwunden. Denn es ist ein himmelweit­er Unterschie­d, ob man sich freiwillig nackt zeigt oder nicht.

Sie haben in den letzten zehn Jahren einen großen Karrieresp­rung gemacht: von einer Independen­tFilm-Schauspiel­erin zu einem der bestbezahl­ten Stars in Hollywood. Wie hat Sie das verändert?

Ich habe in den letzten Jahren sicher viel an Erfahrung dazu gewonnen und bin jetzt sehr viel selektiver, was die Auswahl meiner Filme betrifft, und der Menschen, mit denen ich mich umgebe. Mich zieht es zu liebenswer­ten, herzlichen und echten Menschen hin. Ich hasse Blender. Und wie ich mich nach zehn Jahren Hollywood verändert habe? Wissen Sie, unlängst hat man meine Freunde interviewt. Und die haben alle gesagt, dass ich mich überhaupt nicht verändert habe. Nur die Welt um mich herum. Das ist das schönste Kompliment, das ich je bekommen habe.

Sie wollten ja auch Schauspiel­erin werden und nicht Hollywoods­tar, oder?

Genau! Mir war schon früh in meinem Leben klar, dass ich schauspiel­ern wollte – und musste. Ich kann nichts anderes. Wenn ich nicht spiele, bin ich nutzlos. Als ich jünger und unreifer war, habe ich mich sehr oft darüber beklagt und nicht begriffen, warum ich ständig Autogramme geben sollte oder jeder ein Selfie mit mir haben will. Und warum werde ich eigentlich auf Schritt und Tritt von Paparazzi verfolgt? Das hat mich wirklich wütend gemacht. Da habe ich mich eben der Presse und auch den Fans gegenüber oft sehr verschloss­en und aggressiv verhalten. Das war aber nicht aus Böswilligk­eit – sondern aus Selbstschu­tz. Schließlic­h habe ich kapiert, dass das eben der Preis dafür ist, dass ich in diesem wundervoll­en Beruf arbeiten kann, den ich über alles liebe. Seitdem bin ich in der Öffentlich­keit auch viel freundlich­er.

Viele Schauspiel­erinnen haben von sexuellen Übergriffe­n berichtet, die sie von Studioboss­en, Regisseure­n oder Kollegen erleiden mussten. Ist Ihnen so etwas auch passiert?

Nicht in dem extremen Ausmaß. Aber auch ich wurde von Männern im Filmbusine­ss schlecht behandelt. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich als junges Mädchen bei einem Meeting mit Produzente­n saß – und plötzlich legt einer seine Hand auf mein Knie. Ich war wie versteiner­t und wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Das klingt heute verrückt, ich weiß. Aber damals war ich deswegen total verunsiche­rt.

Gilt man da nicht schnell als schwierig?

Oh ja, vor allem in unserer Branche. Da ist man dann schnell als ungehobelt­e Göre verschrien. Oder als Querulanti­n, die schwer zu vermitteln ist. Und das kann sehr schnell das Karriere-Aus bedeuten.

Glauben Sie, dass Kampagnen wie #MeToo und Time’s Up wirklich etwas verändern werden?

Das hoffe ich sehr. Leider wird es diese notgeilen Männer immer geben. Aber wir können sehr wohl ein Klima herstellen, in dem es unmöglich ist, dass solche entsetzlic­hen Übergriffe weiterhin unter den Teppich gekehrt werden. Ich würde mir auch wünschen, dass diese Frauen, die den Mut hatten, sich zu offenbaren, nicht mehr stigmatisi­ert werden.

Sie haben sich schon früher bei einem anderen Thema den Mund verbrannt: Als Sie sich für die faire und gleiche Bezahlung von Männern und Frauen eingesetzt haben.

Da bin ich immer wieder gegen eine Wand geknallt. Nur weil ich nicht einsehen wollte, dass Frauen für die gleiche Arbeit nicht die gleiche Gage bekommen. Das hat mich wirklich persönlich verletzt. Immerhin habe ich in mega erfolgreic­hen Filmen mitgespiel­t, habe viele Zuschauer ins Kino gezogen und jede Menge Preise bekommen – darunter einen Oscar für „American Hustle“. Warum also soll ich weniger bekommen als meine männlichen Co-Stars?

Wenn man Millioneng­agen bekommt – ist das nicht Jammern auf hohem Niveau?

Es stimmt schon, dass diese Probleme für die meisten Menschen auf der Welt totale Luxusprobl­eme sind. Ich will ja auch nicht jammern, sondern ich will einfach, dass Frauen für dieselbe Leistung auch dasselbe Geld bekommen. Verstehen Sie mich richtig: Ich liebe Amerika! Und ich möchte bloß, dass es in meinem Land anständig und fair zugeht. Und es ist nun mal ein Fakt, dass Frauen und Afroamerik­aner in der Entertainm­ent-Industrie nicht dieselben Chancen haben wie weiße Männer.

Sie haben angekündig­t, dass Sie Ende 2018 für ein Jahr aus dem Filmbusine­ss aussteigen werden. Sind Sie frustriert von Hollywood? Oder fühlen Sie sich etwa ausgebrann­t?

Weder noch. Ich finde es nur höchste Zeit, dass ich mich auch persönlich politisch engagiere. Ich mache das vor allem in der Non-Profit-Organisati­on represent.us. Das ist ein Verein, der gegen Korruption in der Politik kämpft. Ich will meinen Bekannthei­tsgrad vor allem auch dafür einsetzen, die jungen Menschen in den USA für Politik zu interessie­ren. Denn da gibt es viele, die mit den Zuständen alles andere als zufrieden sind. So gesehen war das Desaster bei der letzten Präsidente­nwahl ein schockiere­nder Weckruf.

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FOTO: AFP Jennifer Lawrence spielt im SpionageTh­riller „Red Sparrow“eine russische Primaballe­rina und Spionin, die über Leichen geht.

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