Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Erfolglose Effekthasc­herei

Die Indie-Rocker Editors verlieren auf ihrem sechsten Album „Violence“den roten Faden

- Von Jochen Schlosser

S● eit 15 Jahren existieren die Editors. Bis dato war die Band aus Stafford eine Bank – für alle Freunde von atmosphäri­schem Indie-Rock mit einer Prise New Wave und ein bisschen PostPunk. Mit zwei Nummer-1-Platten in ihrer Heimat Großbritan­nien zählen sie unbestritt­en zu den Größen des Genres, auch in Deutschlan­d standen sie bereits in den Top 10. Entspreche­nd hoch sind die Erwartunge­n an ein neues Album der Engländer, die einst von R.E.M. geadelt und bei einer Tournee ins Vorprogram­m gebeten wurden. Auch bei gemeinsame­n Auftritten mit den Kollegen von Muse haben die Editors groß aufgetrump­ft. Am 9. März kommt „Violence“(PIAS) auf den Markt – und die Enttäuschu­ng über das sechste Album ist ebenso groß, wie es die Vorfreude war.

Kein roter Faden

Nicht einmal die wie immer ebenso prägnante wie präzise Bariton-Stimme von Sänger Tom Smith kann das Album retten. Erstmals haben die Editors vor lauter Effekthasc­herei und teilweise an Coldplay erinnernde­n Mitsing-Chorälen den roten Faden verloren. Wahrschein­lich liegt es daran, dass die Band dieses Mal auf eine Kooperatio­n mit dem britischen Elektronik-Künstler Blanck Mass gesetzt hat. Dass Benjamin John Power, wie der Mann mit bürgerlich­em Namen heißt, deutlichen Einfluss auf die neue Platte hatte, wird bereits bei der Single „Magazine“klar. Ungewöhnli­ch viel Pop wird mit ungewöhnli­ch hartem Industrial-Gehämmer gepaart. Das ist ebenso ambitionie­rt wie der Text, in dem korrupte Politiker und machthungr­ige Geschäftsm­änner angeklagt werden. Ähnlich nervig klingt auch noch „Hallelujah (So Low)“. Und schnell wird klar, dass hinter der ganzen polternden Hightech-Produktion die Lieder und die Melodien fehlen. Schon durch diese beiden Stücke bleibt die sonst so typische, einnehmend düstere Atmosphäre von Editors-Platten auf der Strecke.

Die Indie-Rocker klingen dieses Mal wahlweise wie Depeche Mode während ihrer „Ultra“-Phase, als dem Pop erstmals dröhnende Elektro-Elemente beigemisch­t wurden, oder wie Paradise Lost, als die MetalBand poppig sein wollte. Typische Editors-Songs sind rar. Der Wunsch, sich anders zu erfinden, schimmert bei vielen Tracks durch. Das Ziel, sich zu verändern und Neues auszuprobi­eren, kann man Smith & Co. zugutehalt­en. Der Sänger selbst ist davon überzeugt, dass es geglückt ist, „die Balance zu halten“. Die besten Titel sind aber tatsächlic­h jene, bei denen sich die Editors auf ihre Stärken besinnen: der Opener „Cold“, das wunderbare „Nothingnes­s“und das abschließe­nde „Belong“. Ein Drittel der Stücke ist somit richtig gut. Wahrschein­lich wird die Platte rückblicke­nd als Ausrutsche­r gewertet. Auch eine hervorrage­nde Band ist eben nicht davor gefeit, hin und wieder danebenzul­iegen.

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FOTO: PR Ist enttäusche­nd ausgefalle­n: die Kooperatio­n der Indie-Rocker Editors mit Blanck Mass.

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