Edle Raubkatze mit sportlichen Genen
Mit dem E-Pace hat Jaguar jetzt auch einen kompakten, familientauglichen SUV im Programm
O● hne die aufgebockten, fetten, Eindruck schindenden SUV geht nichts mehr. Auch bei einem auf rassige Sportwagen spezialisierten Hersteller wie Jaguar. Der 4,73 Meter lange F-Pace ist seit 2016 auf dem Markt, und er verkauft sich zu Preisen ab 43 590 Euro besser als jeder andere Jaguar – und davon gibt es neben den Limousinen XE, XF und XJ nur noch den sportlichen F-Type. In der breiten Spur des F-Pace fährt jetzt der kleinere E-Pace vor: ein 4,40 Meter langer, kompakter SUV, der mindestens 34 950 Euro kostet.
Auch wenn sich viele Mitbewerber wie BMW X1, Audi Q3 oder Mercedes GLA preislich unterhalb dieses Levels bewegen, dürfte der Einstieg in die Jaguarwelt für manchen, der den Briten bisher nicht auf dem Schirm hatte, recht attraktiv sein. Zumal der E-Pace mit Genen aus der Welt der sportlichen Vehikel aufwartet, als Fünfsitzer familientauglich ist und mit optionalem Allradantrieb auch fürs Grobe taugt. Ältere Herrschaften, die den bequemen Zustieg schätzen und ihre gehobenen Ansprüche befriedigen wollen, sind mit dem hochgelegten Jaguar ebenso gut bedient wie Eltern, die ihren Nachwuchs samt Kinderwagen und Gepäck durch die Welt kutschieren. Bei der Fahrvorstellung in Nizza dachte das Jaguar-Management jedenfalls generationenübergreifend. Dem E-Pace als alltagstauglichem SUV stellten die Briten eine neue Version des rassigen F-Type – als Coupé und als Cabrio – gegenüber. Letzterer gilt eher als Spielzeug für das Kind im Manne, der gerne mal im Zweisitzer auf Kurvenjagd geht.
Jaguarglück im Doppelpack
Zur halbherzigen Beruhigung des ökologischen Gewissens sei angeführt: Er muss seine Ausfahrten jetzt nicht mehr mit den großen V6- oder V8-Maschinen mit bis zu fünf Litern Hubraum und 575 PS absolvieren, sondern kann auf einen TwinturboBenziner mit vier Zylindern und 300 PS zurückgreifen, der – quer eingebaut – als Topmotorisierung auch den E-Pace auf Trab bringt. Jaguarglück im Doppelpack. Für nicht einmal 100 000 Euro – der F-Type startet bei 59 200 Euro – wären alle Familienmitglieder zufriedenzustellen. Wenn das kein Schnäppchen ist.
Ob SUV oder Sportwagen – optisch machen die Raubkatzen ohnehin schwer was her, wobei der E-Pace wie die gestauchte und aufgebockte Version des F-Type erscheint: Er besitzt den wabenförmigen Kühlergrill mit markantem Jaguarkopf in der Mitte, große Lufteinlässe vorne und an den Flanken, kurze Überhänge und kraftvolle Hüften. Den sportlichen Charakter unterstreichen serienmäßig verbaute LED-Scheinwerfer mit J-förmigem Tagfahrlicht. Von hinten wirkt der E-Pace eher coupéhaft elegant, nicht ganz so bissig wie der F-Type.
Der Innenraum mutet hochwertig an, wobei Jaguar den Luxus nicht überzieht, sondern auf Bedienerfreundlichkeit baut. Große Stellräder für Klima, griffige Tasten und Kippschalter für Assistenzsysteme auf der Mittelkonsole sowie am Lenkrad, ein Joystick als Wählhebel für die Automatik – all das fühlt sich gut an und macht das Leben hinterm Steuer leichter. Wer dennoch Wert auf extravagantes Ambiente legt, kann für knapp 6000Euro das Windsor-Ledergestühl ordern.
Genügend Platz auf allen Sitzen
Optional ersetzt ein 12,3-Zoll-HDDisplay die klassischen Rundinstrumente. Das Head-up-Display basiert auf TFT-Technologie wie bei Flachbildschirmen. Und das Infotainment-System aus dem Jaguar-LandRover-Regal lässt sich über einen 10Zoll-Touchscreen bedienen.
Quer eingebaute Motoren und ein Radstand von 2,68 Metern ermöglichen einen luftigen Innenraum und schaffen genügend Platz auf allen Sitzen. Allein für groß gewachsene Menschen kommt der Himmel spürbar nahe. Hinter der Heckklappe, die wie Dach und Motorhaube aus Aluminium gefertigt ist, haben 557 Liter Gepäck Platz. Das Kofferraumvolumen lässt sich durch die umklappbare Rückbank (60:40) auf 1234 Liter erweitern.
Fahrwerk, Karosserie und Motoren rangieren auf Premiumniveau. Der von uns über Berg und Tal, auf der Autobahn und durch enge Gassen bewegte E-Pace mit dem neuen Top-Aggregat gibt sich keine Blöße. Der intelligente Allradantrieb und die elektronisch gesteuerten Lamellenkupplungen leiten die 300 PS wohldosiert auf alle vier Räder und sorgen für eine überlegene Traktion. Nur die hohe Sitzposition und der Griff des Beifahrers zu Haltevorrichtungen gebieten einer allzu sportlichen Fahrweise Einhalt.
Richtiges Sportwagen-Feeling kommt am Ende aber nur im F-Type auf. Während wir in dem Zweisitzer keines der 300 Pferdchen hergeben würden, erscheint der E-Pace – trotz seines Gewichts von fast 1,9 Tonnen – damit übermotorisiert. Auch wenn die Leistungsdaten zugegebenermaßen beeindruckend sind – in 6,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h und 243 km/h Höchstgeschwindigkeit: So viel Power braucht kein Mensch, schon gar nicht in einem SUV der Kompaktklasse.
Besonderer Schutz für Fußgänger
Assistenten, die das Fahren sicherer und wesentlich entspannter machen, bietet der E-Pace in beeindruckender Anzahl: Serienmäßig sind ein autonomer Notfall-Bremsassistent, ein Spurhalte- und Aufmerksamkeitsassistent, Verkehrszeichenerkennung, Tempomat, Einparkhilfen, Rückfahrkamera sowie ein Fußgängerairbag an Bord. Bei Geschwindigkeiten zwischen 25 und 50 km/h löst das Luftkissen bei einer Kollision mit einem Fußgänger binnen 50 Millisekunden aus, hebt die Motorhaube an, breitet sich über der Windschutzscheibe aus und federt den Aufprall ab.
Einen schlüssellosen Zugang ermöglicht inzwischen jeder, aber den Schlüssel in einem Sportarmband unterzubringen, das auch Wasser standhält, ist schon eine pfiffige Idee. Mit High Tech geizt Jaguar im E-Pace wahrlich nicht. Auf Wunsch kommt das Instrumentenpanel voll digital daher, das Head-up-Display ist gestochen scharf und auch mit Sonnenbrille gut ablesbar, und die Anbindung an die Welt des Web mit bis zu acht Geräten lässt kaum Wünsche offen. Das alles hat seinen Preis. Je nach Motorisierung (drei Diesel mit 150, 180 und 240 PS sowie zwei Turbobenziner mit 250 und 300 PS, allesamt 2,0-Liter-Vierzylinder), Ausstattung und Sonderwünschen lässt sich der Einstiegspreis ohne Weiteres verdoppeln.
Trotz Brexit fährt der E-Pace übrigens als bekennender Europäer vor: Die Motoren werden in England gefertigt, die Getriebe (ZF) kommen aus Deutschland, und montiert wird in Österreich bei Magna Steyr. Dort rollt der kompakte Jaguar-SUV ab diesem Sommer auch als i-Pace (ab 77 850 Euro) mit rein elektrischem Antrieb und einer Reichweite von 480 Kilometern vom Band.