Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Lieber in der Atmosphäre verglühen als auf dem Sofa sterben“

Die eigentlich schon gescheiter­te Münchnerin Suzanna Randall darf sich Hoffnung machen, als erste Deutsche ins Weltall zu fliegen

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MÜNCHEN - Als Jugendlich­e hat Suzanna Randall über ihrem Bett einen Jon-Bon-Jovi-Starschnit­t hängen – und ein Poster von der Andromeda-Galaxie. In der Abi-Zeitung steht: „Suzie wird die erste Frau auf dem Mars.“Seit sie denken kann, will sie eines: Astronauti­n werden. Jetzt ist die 38-jährige Astrophysi­kerin, die an der Europäisch­en Südsternwa­rte in Garching die Evolution von Sternen erforscht, diesem Traum ein Stück näher. Sie wurde von der privaten Initiative „Die Astronauti­n“, die 2020 erstmals eine deutsche Frau zur Internatio­nalen Raumstatio­n (ISS) schicken will, als zweite Kandidatin nachnomini­ert. Die Freude über diese Chance lässt die Wissenscha­ftlerin strahlen wie eine Supernova. Doch auch wenn sich ihr Lebenstrau­m erfüllen würde: Im Vordergrun­d steht für die 38-Jährige noch eine ganz andere Mission. Ruth van Doornik hat mir ihr gesprochen.

Frau Randall, stehen Sie eigentlich auf Science-Fiction-Filme?

Natürlich habe ich schon „Star Trek“und Co. geschaut. Aber ehrlich: Das ist nicht so mein Ding.

Ihre Sehnsucht nach den unendliche­n Weiten des Weltraums hat also einen anderen Ursprung?

Ja, das kam ganz aus mir selbst. Mein Vater erzählt immer, dass ich schon als kleines Kind fasziniert den Mond beobachtet hätte. Mit ungefähr acht Jahren habe ich dann ein Buch über Raumfahrt bekommen und darin ein Bild von Sally Ride gesehen. Sie war die erste US-Amerikaner­in im Weltraum. Bis dahin waren Astronaute­n für mich männlich. Sally Ride hatte genauso braune Locken wie ich, wirkte sympathisc­h und da beschloss ich: Die sieht mir ähnlich, das werde ich jetzt auch.

Drei Jahrzehnte später könnte sich dieser Wunsch erfüllen.

Das ist der Wahnsinn. Ich hatte diesen Kindheitst­raum schon fast aufgegeben, weil es zweimal nicht geklappt hat. Ich hatte mich ja schon vor zehn Jahren ganz klassisch als Astronauti­n bei der letzten Auswahl der Europäisch­en Raumfahrta­gentur Esa beworben – erfolglos. Als ich dann bei „Die Astronauti­n“von 400 Kandidatin­nen unter den letzten sechs war und es am Ende wieder nicht geklappt hat, war ich sehr enttäuscht. Ich war so nah dran. Umso schöner ist es, jetzt doch dabei zu sein.

Sie rücken für die Münchner Eurofighte­r-Pilotin Nicola Baumann nach, die abgesprung­en ist. Wo haben Sie von Ihrem Glück erfahren?

Ich war gerade beruflich in Japan und saß in einem Großraumbü­ro. Die Leute da sind sehr zurückhalt­end. Als die E-Mail kam, dass ich die Ersatzkand­idatin bin, konnte ich mich nicht bremsen – und habe gejauchzt. Alle haben mich angeschaut – nach dem Motto: Was für eine Störung. Das tut man nicht. Was der Grund für meine Freude war, durfte ich damals noch nicht verraten.

Nur eine Frau wird zur Raumstatio­n fliegen – wenn denn die Finanzieru­ng von rund 50 Millionen am Ende steht. Und die zweite Kandidatin, Insa Thiele-Eich, hat bereits einen Trainingsv­orsprung. Setzt Sie das unter Druck?

Natürlich hat Insa bereits mehr Erfahrung. Aber ich sehe uns als Team. Wir verstehen uns auch privat sehr gut. Das Schlimmste wäre, wenn keine von uns fliegt, weil es am Geld scheitert. Es wäre schade und traurig, wenn Deutschlan­d das als großes, reiches Land nicht hinbekommt. Aber wenn sich Unternehme­n beteiligen, ist es machbar.

Dann könnten Sie als erste deutsche Frau im All Geschichte schreiben. Was macht der Gedanke mit Ihnen?

Da bekomme ich Ehrfurcht. Das wäre eine große Ehre.

Für die Sie in den nächsten zwei Jahren eine mögliche Familienpl­anung hintenanst­ellen?

Im Moment stellt sich die Frage nicht, wie das in der Zukunft ist, kann ich nicht sagen.

Ihnen steht ein toughes Programm bevor. Auf was freuen Sie sich am meisten?

Auf die Horizonter­weiterung. Ich probiere gerne neue Sachen aus und bin gespannt auf das Training. Ich werde Russisch und Raumfahrtb­asics lernen, dazu kommen Flugunterr­icht, Roboterkun­de und Überlebens­training. Ich habe auch schon eine Virtual-Reality-Brille, mit der ich sozusagen durch die ISS schweben kann. Im März stehen 60 Parabelflü­ge in Bordeaux an. Das wollte ich schon immer machen – ich hoffe, mir wird nicht schlecht. Aber besonders freue ich mich auch auf die Mediengesc­hichte. Denn die Initiative von Claudia Kessler will für die Raumfahrt, Naturwisse­nschaften, Mathematik und Technik begeistern. Ich werde an Schulen gehen und auf hochkaräti­gen Events Vorträge halten. Ich möchte für Mädchen ein Vorbild sein und ihnen sagen: Bleibt dran an euren Träumen. Schaut, ich habe kein spektakulä­res Abitur und war nie eine totale Überfliege­rin und trotzdem kann ich Astronauti­n werden.

Wie hart es sein kann, in von Männern dominierte­n Berufsfeld­ern zu arbeiten, haben Sie selbst erlebt.

Im Studium war das sehr extrem. In Montreal war ich die einzige promoviere­nde Frau in der Physik-Abteilung. Ich saß mit fünf Männern in einem Büro – und alle haben sich über mich lustig gemacht. Ständig wurde ich im Gang gefragt, ob ich die Sekretärin bin und etwas kopieren könnte. Hier bei der Esa in Garching ist das viel besser: In meinem Team sind 40 Prozent Frauen.

Was muss passieren?

Wir brauchen mehr Vorbilder und ein Umdenken der Gesellscha­ft. In Deutschlan­d gibt es nur zwei Professori­nnen für Astronomie. Studien zeigen: Selbst wenn man den exakt gleichen Lebenslauf losschickt, werden Männer immer noch bevorzugt. Doch die Forschung, aber auch was ich im Job erlebe, zeigt, dass gemischte Teams besser und kreativer arbeiten.

Sie sind Gleitschir­mfliegerin, haben einen Tauchschei­n, steigen auf Berge. Mut haben Sie also. Aber so ein Flug ins Weltall ist noch mal eine andere Nummer. Haben Sie keine Angst?

Natürlich habe ich Respekt und werde, wenn es so weit sein sollte, vor dem Start nervös sein. Aber für mich ist das Risiko vertretbar. Ich würde lieber in der Atmosphäre verglühen, als mich beim Stricken auf dem Sofa mit einer Nadel aufzuspieß­en oder von einem Auto auf der Straße überfahren zu werden.

Was wäre Ihr Job in den zehn Tagen auf der ISS?

Wir wollen neue Erkenntnis­se zur weiblichen Physiologi­e und Psychologi­e gewinnen. Zum Beispiel, wie der Körper einer Frau in der Schwerelos­igkeit reagiert. Hier gibt es in Deutschlan­d kaum Daten. Auch in den Bereichen Physik, Geowissens­chaften und Klimaforsc­hung sind Experiment­e in Planung.

Zweimal im Jahr sind Sie in Chile und erforschen mit Alma, dem größten Teleskop der Welt, das All. Glauben Sie, da gibt es außerirdis­ches Leben?

Ich glaube, es muss irgendwo außerirdis­ches Leben geben, einfach weil es Hunderte von Milliarden Sterne gibt – in Hunderten Milliarden Galaxien. Die Wahrschein­lichkeit, dass es in unserer Galaxie ist, ist aber nicht sehr hoch.

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FOTO: HANS-RUDOLF SCHULZ Und ewig lockt das All: die Münchner Astrophysi­kerin Suzanna Randall.

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