Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Schwerbehi­nderten stehen viele Hilfen zu

Betroffene können früher in Rente, bekommen mehr Wohngeld und genießen besonderen Kündigungs­schutz

- Von Rolf Winkel

SCHORNDORF - 7,6 Millionen Menschen in Deutschlan­d sind derzeit als schwerbehi­ndert anerkannt – rund 3,3 Millionen von ihnen sind im erwerbsfäh­igen Alter und haben Anspruch auf viele Hilfen. Je nach Grad der Behinderun­g gibt es Steuerfrei­beträge zwischen 310 und 3700 Euro.

17 Tage lag Frank Lüdemann im Koma. Als er wieder zu sich kam, konnte er nicht sprechen, gehen oder selbststän­dig essen. 18 Monate war er nach seinem Schlaganfa­ll „raus“, wie er sagt. Er wurde als schwerbehi­ndert anerkannt. Inzwischen kann er sich wieder bewegen. Die alte Tätigkeit als Gabelstapl­erfahrer bei 3M in Hilden kann er jeodoch nicht mehr ausüben. Doch mit Unterstütz­ung der Schwerbehi­ndertenver­tretung des Unternehme­ns hat er nun einen Job im Büro. Die Anerkennun­g als Schwerbehi­nderter brachte ihm zudem einen besonderen Kündigungs­schutz, einen Behinderte­nparkplatz und fünf Tage mehr Urlaub. Grad der Behinderun­g: Viele Handicaps fallen kaum auf. Herzkrankh­eiten, Krebs, Depression­en – wegen dieser Leiden wird eine Schwerbehi­nderung häufig anerkannt. Chancen darauf haben auch Rheumakran­ke mit erhebliche­n Funktionse­inbußen und zahlreiche

Diabetiker. Als schwerbehi­ndert gilt, wer nach der Versorgung­smedizinVe­rordnung einen Grad der Behinderun­g von 50 erreicht. Zuständig für die Anerkennun­g sind die örtlichen Versorgung­sbehörden.

Auf die Ärzte kommt es an: Arbeitnehm­er sollten sich vor einer Antragstel­lung in jedem Fall von der Schwerbehi­ndertenver­tretung beraten lassen – falls es diese im Betrieb gibt. „Wer einen Schwerbehi­ndertenant­rag stellen möchte, spricht am besten vorab mit seinen Ärzten“, rät Daniel Ubber, Schwerbehi­ndertenver­treter bei 3M. Wichtig ist dabei: „Die Betroffene­n müssen die Ärzte konkret und anschaulic­h über ihre

Gesundheit­sprobleme informiere­n.“Denn viele Leiden – etwa Bandscheib­envorfälle – wirken sich höchst unterschie­dlich aus.

Antragstel­lung: Im Antrag muss man seine Ärzte von der Schweigepf­licht befreien. „Wird der Antrag abgelehnt, so lohnt es sich meist in Widerspruc­h zu gehen“, so Ubber. Dabei sollte man verlangen, die zugrundeli­egenden ärztlichen Unterlagen zugeschick­t zu bekommen. „So kann man kontrollie­ren, ob überhaupt alle Ärzte vom Amt angeschrie­ben wurden und ob die Ärzte alle Befunde berücksich­tigt haben.“

Rentenvort­eile: Nur Schwerbehi­nderte können noch vor dem 63. Geburtstag in Altersrent­e gehen. Wer etwa 1957 geboren wurde, kann die „Schwerbehi­ndertenren­te“bereits mit 60 Jahren und elf Monaten erhalten – muss dann allerdings Rentenabsc­hläge von 10,8 Prozent in Kauf nehmen. Mit 63 Jahren und elf Monaten gibt es die Rente für den Jahrgang 1957 ohne Abschläge.

Kündigungs­schutz: Bevor Firmen Schwerbehi­nderten kündigen können, müssen sie die Zustimmung des Integratio­nsamtes einholen. Dieses wägt zwischen den Interessen des Arbeitnehm­ers und des Arbeitgebe­rs ab. Es kann auch Lösungen ins Spiel bringen, wie etwa eine Anpassung des Arbeitspla­tzes.

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