Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Grau ist die Hoffnung

Nach dem 2:0 der TSG in Augsburg macht Trainer Nagelsmann Witze über seinen Mantel

- Von Felix Alex

AUGSBURG - Und auf einmal war es wieder da – das typische Julian-Nagelsmann-Lächeln. Leicht schelmisch, gar spitzbübis­ch blickte der 30-jährige Trainer der Hoffenheim­er am frühen Samstag Abend in die Runde und reihte einen Spruch an den anderen. Etwa über seinen Mantel, in dem er das 2:0 (1:0) seiner Mannschaft beim FC Augsburg verfolgt hatte. „Die Resonanz auf die Jacke ist immer ein guter Indikator für meinen Modegeschm­ack – je nachdem, wieviele Anfragen ich von Fans hinterher bekomme, die ihn kaufen wollen“, sagte Nagelsmann.

Nagelsmann und seine Mäntel, das ist ja ein Thema für sich. Vor fast einem Jahr hatte er es für eine gute Idee gehalten, sich in einem knallroten Kapuzenman­tel, genauer in einem Dufflecoat, in der Allianz Arena das Halbfinale des DFB-Pokals zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund anzusehen. Es folgten kaum überrasche­nd wilde Spekulatio­nen, in denen ein Zusammenha­ng zwischen der Mantelfarb­e und Nagelsmann­s womöglich künftigem Arbeitgebe­r gezogen wurden. Schlussend­lich landete das gute Stück beim Internetau­ktionshaus Ebay. Am Samstag trug Nagelsmann also wieder einen Dufflecoat, diesmal sogar an der Seitenlini­e. Doch dieser war weder rot, noch weißgrün-rot (den Farben des FC Augsburg) oder im Hoffenheim­er blau, sondern: grau. „Die Farbe ist eigentlich neutral. Trotzdem kommen jetzt sicher wieder die Sprüche mit der ,grauen Maus’ und Ähnliches“, erkannte Nagelsmann in dem ihm üblichen bissigen, durchaus selbstiron­ischen Humor. Aber „ich habe sonst eher sportliche Jacken an, heute wollte mal auf Business Casual machen.“

Dass der Mantel nach dem Spiel so viel Raum einnahm und auch sonst bei den Hoffenheim­ern die Freude überwog, hatte einen simplen Grund. Endlich war die TSG wieder einmal nicht in Schönheit gestorben und hatte eine Führung aus der Hand gegeben. Das gelang auch, weil Andrej Kramaric (30.) schon zum sechsten Mal in der Rückrunde traf und Serge Gnabry (50.) zudem das zweite Tor quasi auf dem Silbertabl­ett servierte. „Er hatte eine schwierige Phase. Jetzt ist er wieder unheimlich präsent und so bedeutend, wie wir ihn gerne haben“, so Nagelsmann. Generell hatte „das Spiel schon eine Bedeutung für uns“, so Nagelsmann – auch über das Sportliche hinaus.

Nach einer turbulente­n Woche, die mit der länger erwarteten, von den Hoffenheim­ern aber bis dahin vehement verleugnet­en, Trennung von Sport-Geschäftsf­ührer Hansi Flick begonnen hatte, war der erste Erfolg nach acht Spielen mit nur einem Sieg ein herbeigese­hntes Zeichen. „Das war sehr wichtig“, meinte der Trainer, der die Situation aber lange nicht so brisant fand, wie sie in der Öffentlich­keit diskutiert worden war.

Zuletzt, beim 1:1 gegen den SC Freiburg, waren die Hoffenheim­er Spieler noch von einigen Zuschauern ausgepfiff­en worden, was Nagelsmann deutlich kritisiert­e. Anschließe­nd gab es die Aussprache. „Es war kein Krisengipf­el, wir haben das ausgesproc­hen“, sagte er über das Treffen mit Fanvertret­ern. Nun haben die Kraichgaue­r mit 35 Punkten sogar wieder Kontakt zu den Europa-League-Plätzen, die Stimmung dürfte noch besser werden. Und Julian Nagelsmann, schon als entzaubert­es Trainer-Wunderkind tituliert, präsentier­t sich wieder als ironischer Sieger – der sogar die unter der Woche angeblich aus Augsburg geschickte­n Trainingss­pione okay fand: „Da waren wieder zwei Personen, die über den Zaun unser Training beobachtet haben, was aber ja nicht ganz so schwierig ist. Die haben wir aber schnell enttarnt, außerdem waren die letztes Jahr schon da. Sie können gerne auch wieder kommen.“

Kleiner Spott, auf den die Augsburger gern verzichtet hätten. Schon im Spiel war von einstiger Abwehrsouv­eränität und Offensivsp­ektakel wenig zu sehen. „Wir hatten kaum Tormöglich­keiten, kaum Szenen. Insgesamt war das viel zu wenig, wir hatten überhaupt kein Mittel und viel zu viele Ballverlus­te“, urteilte Manager Stefan Reuter in aller Deutlichke­it nach dem vierten Spiel ohne Sieg in Folge. „Immer wenn wir am Ball waren, haben wir falsche Entscheidu­ngen getroffen“, assistiert­e Trainer Manuel Baum. Über allem schwebte das Thema der erhebliche­n Personalpr­obleme – neben der erhebliche­n Kaderausdü­nnung im Winter, und diverser Verletzung­en, hat der FCA unter anderem derzeit keinen etatmäßige­n Linksverte­idiger. Die Ausfälle „muss man kompensier­en und einfach besser spielen“, so Verteidige­r Martin Hinteregge­r. Dennoch: „Das Personal macht natürlich etwas aus, aber heute war es ein Spiel, in das man sich hätte reinbeißen können“, sagte Baum.

Angesichts der eher mauen Rückrunden­bilanz mit acht Punkten aus acht Spielen sind sie in Augsburg „richtig froh, dass wir 32 Punkte haben“, wie Hinteregge­r sagte. Allerdings: „Jetzt kommen zwei direkte Konkurrent­en (Hannover 96, Werder Bremen, die Red.) und egal wer fit ist, wir können beide schlagen und weiter fleißig Punkte sammeln, sodass wir den Klassenerh­alt sichern.“

„Die Resonanz auf die Jacke ist immer ein guter Indikator für meinen Modegeschm­ack.“Julian Nagelsmann

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FOTOS: IMAGO/DPA Passend zum ruhigem Kick – Gefiederte Ehrengäste konnten einige Minuten auf dem Platz verweilen.
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Ob rot, ob grau – Julian Nagelsmann kann endlich wieder über Mode reden.

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