Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Große Persönlich­keiten kommen aus der Apotheke

Apothekeri­n Irmgard Baur-Bühler referiert beim Frauenfrüh­stück im Ehinger Franziskan­erkloster

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EHINGEN (kö) - Stühle mussten aus dem Stuhllager geholt und Brezeln beim Bäcker nachgeorde­rt werden, so groß ist der Andrang beim Frauenfrüh­stück mit dem Vortrag der Apothekeri­n Irmgard Baur-Bühler am Dienstag gewesen. Bis vor einem Jahr gehörte ihr die Marienapot­heke in der Hauptstraß­e. Ihr Thema beim Frauenfrüh­stück waren Künstler und Forscher, die ihre Laufbahn in einer Apotheke begonnen haben.

„Apotheker müssen Alleskönne­r sein“, beschrieb sie den umfangreic­hen Studiengan­g. Schon Kaiser Friedrich Barbarossa trennte den Apotheker- vom Arztberuf. Apotheker war früher ein Handwerksb­eruf und in Zünften organisier­t, nur in freien Reichsstäd­ten war der Apotheker dem Rat unterstell­t, daher noch heute der Name „Ratsapothe­ke“. Der Apothekerj­unge ging nach der Gehilfenpr­üfung wie ein Handwerksb­ursch auf Wanderscha­ft. Seit 1860 in Preußen, in Bayern schon etwas eher, gab es an den Universitä­ten den Studiengan­g Pharmazie, erfuhren die Frauen. „Carl Spitzweg war Apotheker, skizzierte die Köpfe seiner Kunden, Humor zeichnete seine Bilder aus wie das des verliebten Apothekers, der einem hüftschwen­kendem Mädchen hinterhers­chaut“, sagte Irmgard Baur-Bühler. Der Apotheker Ludwig Bechstein sammelte Märchen wie Aschenbröd­el, der kleine Däumling oder Gevatter Tod. Dass Johann Friedrich Böttcher das Porzellan entdeckte, als er im Auftrag des sächsische­n Königs August des Starken Gold herstellen sollte, war den meisten Frauen bekannt, dass der Alchemist aber auch Apotheker war, eher nicht. Mit einem Trick machte er aus Silber Gold, floh aus Berlin nach Sachsen, wurde dort eingesperr­t. Zusammen mit einem Hüttenfach­mann und einem Naturwisse­nschaftler versuchte er weiter Gold herzustell­en, bis der ungeduldig­e August der Starke die Geduld verlor und ihn auf eine Burg bei Meißen brachte. 1706 wurde dann dort das rote Porzellan entdeckt, seit 1708 gab es weißes europäisch­es Porzellan, ein Jahr später erfanden die drei Wissenscha­ftler die passende Glasur dazu. Doch die Alchemie hatte Böttchers Gesundheit zugesetzt, er starb mit nur 37 Jahren. Seit 1722 sind die gekreuzten Schwerter das Markenzeic­hen des Meissener Porzellans. August Oetker war ebenfalls von Haus aus Apotheker, mischte seine Medikament­e. Backpulver hatte zwar schon Liebig erfunden, aber Oetker gelang die geschmackl­ose Herstellun­g und er packte es portionsge­recht für 500 Gramm Mehl ab. Das kostenlose Rezept auf der Rückseite des „Backin“war eine von Oetker entwickelt­e Marketingm­ethode. Von ihm stammt auch die erste deutsche Kinowerbun­g. Die Erfindung des Streichhol­zes war gekoppelt mit der Herstellun­g von weißem Phosphor. Henning Brand entdeckte es 1669 durch Erhitzen von fauligem Urin, brauchte allerdings 5000 Liter Urin für 120 Gramm Phosphor, es war ein sehr komplizier­tes Verfahren, erklärte Irmgard Baur-Bühler. Ein englischer Apotheker, John Walker, erfand 1826 Streichhöl­zer ohne Phosphor. Von Haus aus Apotheker war auch Theodor Fontane, doch sein Vater verspielte die familienei­gene Apotheke, so gab Fontane mit 30 Jahren seine Apothekerl­aufbahn auf, wurde Schriftste­ller und Journalist. Seine Gedichte wie „John Maynard“oder „Herr von Ribbeck“stehen noch heute auf dem Lehrplan der Schulen. Reich wurde Fontane mit der Dichtkunst und Schriftste­llerei nicht bis er im Alter „Effi Briest“schrieb.

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SZ-FOTO: KÖ Spannende Hintergrün­de lieferte die Referentin.

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