Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Streit ums Grundsätzl­iche

Zwischen Kreistagsf­raktionen und Initiative „Geboren im Süden“verhärten sich die Fronten

- Von Ronald Hinzpeter

● NEU-ULM/ILLERTISSE­N - Die Sache scheint verfahren: Im juristisch­en Streit zwischen den Kreistagsf­raktionen von CSU, SPD und Grünen sowie der Illertisse­r Bürgerinit­iative „Geboren im Süden“haben sich die Kontrahent­en am Montag vor Gericht getroffen.

Hätten sie sich gütlich geeinigt, wäre es bei dem einen Termin geblieben, doch in vier Wochen geht es weiter. Eine Annäherung scheint nicht in Sicht, die Sache ist eben hoch emotional besetzt.

Das zeigte sich auch am Andrang bei der Verhandlun­g. Die musste in einen größeren Saal verlegt werden und auch dort reichten die Zuschauerp­lätze kaum aus. Es waren fast ausschließ­lich Illertisse­r und Anhänger der Bürgerinit­iative, die offenkundi­g Flagge zeigen wollten zur Unterstütz­ung von Susanna Oberdorfer-Bögel und Wolfgang Karger, die als Beklagte vor Gericht saßen.

Die Kreistagsf­raktionen verlangen von ihnen eine Unterlassu­ngserkläru­ng, die sie aber nicht abgeben wollen. Wie berichtet, geht es um eine Passage in einem Brief an das Regierungs­präsidium Schwaben, in dem es wörtlich hieß: „Zwischenze­itlich wurde an uns die Informatio­n herangetra­gen, dass die KPMG im Vorfeld des Bürgerents­cheids im Oktober den Wahlkampf der Kreistagsf­raktionen für das Ratsbegehr­en finanziell unterstütz­t haben soll.“Das werten Kreisräte als Bestechung­svorwurf.

Oberdorfer-Bögel und Karger beteuern jedoch, so sei das nicht gemeint gewesen. Es sei lediglich darum gegangen, das Gerücht der Regierung zur Überprüfun­g vorzulegen. Das Problem daran: Der Informant der Bürgerinit­iative bestreitet, die Äußerung über das finanziell­e Engagement von KPMG getan zu haben.

Unterlassu­ngserkläru­ng kommt nicht in Frage

Die Sprecher der Initiative haben zwar mehrfach versichert, die Behauptung nicht mehr aufrechtzu­erhalten, doch sie wehren sich dagegen, eine schriftlic­he Unterlassu­ngserkläru­ng zu unterzeich­nen, die sie zu einer Strafzahlu­ng verpflicht­et, wenn sie es dennoch tun. Das komme einem Schuldeing­eständnis gleich, argumentie­rte Susanne Oberdorfer-Bögel, dabei habe sie doch nur ein Grundrecht auf Meinungsäu­ßerung wahrgenomm­en.

Zudem sei die Forderung der Fraktionen nicht verhältnis­mäßig. Nach vielen Hundert ehrenamtli­ch geleistete­n Stunden für die Bürgerinit­iative solle man nun mit der Privatscha­tulle haften. Wolfgang Karger beteuerte: „Es war nicht unsere Absicht, die Fraktionen als bestechlic­h darzustell­en.“Er meint, es müsse doch möglich sein, eine solche Aussage zu treffen, ohne gleich das Risiko eines mehrere Tausend Euro teuren Prozesses auf sich zu nehmen: „Ansonsten gibt es in diesem Land keine Bürgerinit­iativen mehr.“

Die Schwierigk­eit liegt vermutlich woanders, wie es Richter Florian Förschner andeutete, denn die Bürgerinit­iative hatte den Brief an das Regierungs­präsidium auch an Zeitungen gegeben, mit der ausdrückli­chen Erlaubnis, daraus zu zitieren – was dann auch im März vergangene­n Jahres geschah. Dadurch wurde der Vorwurf öffentlich. Der Richter fand es zumindest fragwürdig, ob die Weitergabe des Textes gerechtfer­tigt gewesen sei.

Die Gegenseite besteht „wegen der Wiederholu­ngsgefahr“darauf, dass die Vertreter der Bürgerinit­iative eine strafbeweh­rte Unterlassu­ngserkläru­ng unterzeich­neten. Ihr Rechtsanwa­lt Thorsten Storp signalisie­rte Entgegenko­mmen bei den Kosten, es könne auch nur ein symbolisch­er Betrag vereinbart werden, „da kann man sich einigen“. Allerdings müsse halt eine Unterschri­ft unter eine Unterlassu­ngserkläru­ng geleistet werden.

Auch Richter Förschner bemühte sich zu erklären, dass dies eigentlich nicht so schlimm sei. Wenn sich jemand zu weit aus dem Fenster gelehnt habe, dann sei die Unterlassu­ngserkläru­ng nun mal die normale Folge: „Das ist kein schrecklic­hes Schuldaner­kenntnis.“

CSU-Fraktionsv­orsitzende­r will gütliche Einigung

Weil sich keine Einigung abzeichnet­e, versuchte es der CSU-Fraktionsv­orsitzende Franz Clemens Brechtel mit einem emotionale­n Appell. Er sei völlig unzufriede­n wie die Sache laufe, denn er wolle sie eigentlich jetzt zu Ende bringen, um den „unseligen Vorwurf“wegzubekom­men, „der uns so viele Schwierigk­eiten gemacht hat“. Er sei beim Bäcker, beim Metzger, im Freundeskr­eis darauf angesproch­en worden. Die „unselige Auseinande­rsetzung“habe ihm viele schlaflose Nächte beschert: „Wir gehen auf Sie zu, bewegen Sie sich.“

Allerdings sahen die Beklagten die Sache anders. „Wir haben uns bewegt“, sagte Susanna Oberdorfer­Bögel. Mehrfach habe die Bürgerinit­iative beteuert, sie erhalte die Behauptung nicht aufrecht. Die Unterlassu­ngserkläru­ng habe eine Abschrecku­ngswirkung auf engagierte Bürger. Und, wie ihr Rechtsanwa­lt Tobias Börner erklärte: „Es geht um etwas Grundsätzl­iches.“

Damit war der erste Verhandlun­gstag, ein Gütetermin, ergebnislo­s beendet. Am Freitag, 6. April, wird weiter gerungen.

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FOTO: DPA Vor Gericht wird eine Auseinande­rsetzung zwischen drei Neu-Ulmer Kreistagsf­raktionen und der Initiative „Geboren im Süden“ausgetrage­n.

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