„High Heels schließen Intelligenz nicht aus“
Die Leiterin der VHS über Weiblichkeit, das Muttersein und Karriere
LAICHINGEN - Heute begehen Frauen in aller Welt den Internationalen Frauentag. Seit über 100 Jahren kämpfen sie für Gleichberechtigung, rücken Frauenrechte ins Rampenlicht und verweisen auf Missstände. Unsere Mitarbeiterin Brigitte Scheiffele hat mit Ilse Fischer-Giovante, der Leiterin der Volkshochschule Blaubeuren-Laichingen-Schelklingen, über das Selbst- und Fremdbild von Frauen und die Unterschiede zwischen deutschen und Frauen aus anderen Kulturen gesprochen.
Warum ist ein spezieller Tag notwendig, um auf Frauenrechte aufmerksam zu machen?
Deutschland ist keine Insel, deswegen ist der Blick auf die Welt wichtig. In vielen Ländern der Welt haben die Frauen nicht mal die Chance, ihre Kinder zu ernähren. Viele Frauen leiden unter Demütigung, Missachtung, Folter oder Vergewaltigung, besonders in Kriegsgebieten. Und natürlich gibt es auch in Deutschland noch viel Ungleichheit: niedrigere Löhne, zu geringer Frauenanteil in politischen Gremien oder in Aufsichtsräten.
Welche Bedeutung hat der Weltfrauentag für Sie persönlich?
Er erinnert mich daran, dass gemeinsamer Einsatz für Gerechtigkeit und Einhaltung der Menschenrechte erforderlich ist. Meine persönliche Heldin dieser Tage ist übrigens die junge aus Ulm stammende türkische Journalistin Mesale Tolu, die für ihre Überzeugung in Haft ging.
Wie denken Sie über den „women’s march“im vergangenen Jahr – den Massenaufschrei gegen sexistische und rassistische Äußerungen von Präsident Donald Trump, und die aktuelle „me-too“-Bewegung?
Trump – nehme ich nicht ernst. Sonst meine ich: Frauen dürfen nicht nur als Opfer gesehen werden. Wir sind Erwachsene und können uns wehren. Sexuelle Übergriffe, verbal oder nonverbal, muss sich keine Frau mehr gefallen lassen. Wir müssen unsere Grenzen setzen. Ein Nein ist ein Nein.
Heißt: Frauen sollen frühzeitig Klartext sprechen und Grenzen ziehen.
Ja. Der Anteil der Männer, die ihre Macht missbraucht haben, ist erstaunlich hoch. Es gehören oft zwei dazu, wie in den Fällen mehrerer Schauspielerinnen. Männer sind übergriffig, Frauen spielen mit. Wenn es um eine Hand auf meinem Knie geht, kann ich die entschieden und selbstbestimmt beiseiteschieben. Dieses, durch die Medien gegangene Beispiel, zieht die Ernsthaftigkeit der Debatte wirklich ins Lächerliche. Eine klare Ansage der Frau mag eine Herausforderung sein, die Mut braucht. Aber frau kann sich nicht aus Karrieregründen um Klarheit herummogeln.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Frauen in der Volkshochschule?
Immer fand ich klasse, dass viele Frauen an die VHS kamen und ihren Blickwinkel erweitern wollten, neue Potenziale in sich entdeckten, sich für andere Sprachen, Länder und Kulturen interessierten, sich beruflich weiterqualifizierten. Ich freue mich über Frauen aus anderen Kulturen, die an der VHS durch Deutschkurse regelrecht „aufwachen“und Chancen sehen, ihr Leben freier zu gestalten. Wir möchten mit Bedacht an die deutsche Kultur heranführen, unsere Kursleiterinnen haben oft eine Vorbildfunktion.
Brauchen Frauen in Führungsrollen mehr Energie als Männer? Müssen sie ihre Ziele lauter oder kraftvoller verfolgen?
Lauter? Nein. Andrea Nahles hat wenig weibliche Anhängerinnen. Jedoch muss man als weibliche Führungskraft wohl bereit sein, für seine Ziele zum Wohl des Unternehmens zu kämpfen, nicht schnell aufzugeben, Widerstand in Kauf zu nehmen. Vielleicht müssen wir uns ein Beispiel nehmen an den Medienfrauen und Kabarettistinnen: hübsch, schlau, charmant – nicht unterwürfig. Frauen, die fordern, können dennoch charmant und stilvoll sein.
Welche Beobachtungen machen Sie zur beruflichen Karriere von Frauen?
Frauen sind in meinen Augen grundsätzlich weniger machtorientiert als Männer. Oft geht es Frauen auch nicht um „Karriere“, sondern sie wollen und „müssen“aufgrund der verteuerten Lebensumstände in Deutschland zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Ich hatte „historisches Glück“bei meiner Karriere: Als ich recht jung, zusammen mit nur einer einzigen anderen Frau, in den VHS-Vorstand Baden-Württemberg gewählt wurde, begrüßten die Männer es, dass auch Frauen dem Gremium angehörten.
Was haben Sie als Mutter Ihrer Tochter vermittelt?
Sie soll ihre Interessen entdecken und wissen, was sie will. Sie soll ihre Interessen vertreten und sich nicht schnell einschüchtern lassen. Ich habe sie dahin unterstützt, sich einen Beruf wählen zu können, der sie ernährt und den sie bis zur Rente ausüben möchte. Ermutigt habe ich sie als Frau, dass sie ihre Weiblichkeit lebt. Das fällt ihr leicht, ist sie doch „Halbitalienerin“. Mein Mann und ich haben ihr auch vorgelebt, dass man sich Beruf und Familie gut und gerne aufteilen kann. Denn: Sie sollte unbedingt auch Mutter werden und Kinder haben, weil das ein Reichtum ist, der durch beruflichen Erfolg nie aufzuwiegen ist.
Setzt Emanzipation der Weiblichkeit Grenzen?
Nein. High Heels schließen doch Intelligenz nicht aus. Nach ’68 durften Frauen in Deutschland nicht „weiblich“sein, wenn sie intellektuell anerkannt sein wollten. In Italien wirken Frauen weiblicher, femininer. Auch die geflüchteten Frauen in unseren Kursen erlebe ich als sehr viel weiblicher. Ich selbst möchte nicht, dass Frauen nur kopflastig sind. Sie nehmen sich viel von sich selbst. Es gibt viele weibliche Eigenschaften, die dieser Welt nur guttun, zum Beispiel Intuition – die Fähigkeit, auf sein Bauchgefühl zu hören. Ein Reichtum, den Männer nur langsam entdecken.
Wer hat Sie als Frau stark gemacht und ermutigt?
Meine Eltern haben mir viel Freiheit für meine Entwicklung gelassen, sich immer für mich interessiert und ich habe wohlwollende Unterstützung erfahren. Und ich habe viele langjährige Studien- und Volkshochschulfreunde und -freundinnen, wir haben uns durchs Leben begleitet. Auch meinem Mann bin ich sehr dankbar. Auch meinem Studium. Ich studierte nach 1968: Da lag viel Veränderungswillen in der Luft und ich hatte tolle Professoren, die uns zu Verantwortungsbereitschaft ermutigt haben. Ihnen gegenüber habe ich mich in meiner Arbeit stets verpflichtet gefühlt. Außerdem war ich im Studentenparlament und habe dort gelernt, mich niemals von dem abhalten zu lassen, was mir wichtig ist.
Haben Sie eine Art Mutmacher für Frauen, die etwas bewegen wollen?
Findet heraus, was euch wichtig ist. Lasst euch nicht abhalten durch Widerstände. Euer Lebensglück liegt in euren Händen, ihr seid dafür verantwortlich und niemand anders. Und hört nicht auf, diese Welt „besser“machen zu wollen.