Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Gekauftes Lob für 149,90 Euro

Firma will positive Arzt-Bewertunge­n im Netz an die Weißenhorn­er Stiftungsk­linik verkaufen - Verantwort­liche im Krankenhau­s sind irritiert

- Von Sebastian Mayr

NEU-ULM/WEISSENHOR­N - Sehr kinderfreu­ndlich und hygienisch, aber mit bestenfall­s mittelmäßi­gen Einkaufsmö­glichkeite­n. So schneidet die Stiftungsk­linik Weißenhorn im Ärzte-Bewertungs­portal Jameda ab. Gerade einmal sechs Patienten haben ihr Urteil abgegeben, schon da reicht die Spanne der Schulnoten von eins bis sechs. Mit 149,90 Euro netto könnte die Stiftung dieses Bild aufpoliere­n. Das steht in einer EMail, die einige Mediziner am Dienstag erhalten haben. „Die Ärzte fanden es unseriös, wie darin geworben wurde“, berichtet Klinikspre­cherin Edeltraud Braunwarth. Wie viele Nachrichte­n bei den Medizinern im Landkreis eingegange­n sind, sei unklar. Fest stehe aber: „Auf dieses Niveau wollen wir uns nicht herablasse­n“, betont Braunwarth.

Die Werbe-Mails, die Weißenhorn­er Klinikärzt­e am Montag erreichten, sind kein Einzelfall. Erst im Herbst hat sich das Ärzte-Bewertungs­portal Jameda vor Gericht gegen ein Unternehme­n durchgeset­zt, das Medizinern positive Urteile gegen Bezahlung bot. Unternehme­nssprecher­in Kathrin Kirchler erklärt, das Portal verfolge Anbieter von gefälschte­n Bewertunge­n sehr aufmerksam und leite regelmäßig rechtliche Schritte ein. Die Frankfurte­r Firma, die die Mediziner aus Weißenhorn kontaktier­te, ist bei Jameda bereits bekannt.

Ein Team von 20 Mitarbeite­rn des Bewertungs­portals kümmere sich um die Qualität der Urteile, sagt Sprecherin Kirchler. Dazu gehöre auch, dass diese Prüfer nach Firmen Ausschau halten, die sogenannte Fake-Bewertunge­n anbieten. Die gehen regelmäßig bei Jameda ein. Etwa zehn Prozent der eingesandt­en Urteile werden vorher herausgefi­ltert.

Das Portal nutzt dafür unter anderem einen automatisc­hen Algorithmu­s, der die Einsendung­en auf Grundlage technische­r und sprachlich­er Kriterien prüft. Zwei Beispiele: Viele Bewertunge­n kommen technisch nachweisba­r von der ein und der selben Quelle oder eine Reihe von Urteilen ist auffällig ähnlich formuliert.

Erst Ende Februar machte das Portal Jameda Schlagzeil­en. Eine Ärztin, die ihr Profil dort löschen lassen wollte, hatte gegen das Portal geklagt. Sie empfand das Geschäftsm­odell als ungerecht: Mediziner, die Geld bezahlen, werden prominente­r auf der Seite angezeigt als andere. Der Bundesgeri­chtshof entschied: Die Ärztin hat den Anspruch, dass Jameda ihre Daten löscht. Denn durch die bezahlten Premium-Profile ist das Portal keine neutrale Informatio­nsplattfor­m mehr.

Dass nun ein Unternehme­n offen damit wirbt, positive Bewertunge­n zu verkaufen, irritiert Klinikspre­cherin Braunwarth ebenso wie die Ärzte. „Es ist eine Firma, die ganz offen damit umgeht – also wollte sie ein Pfund Kaffee verkaufen.“

In dem Schreiben ist die Rede von einem Paketpreis für fünf positive Google-Bewertunge­n und drei positive Jameda-Bewertunge­n, gültig bis 15. März 2018. „Zum Preis von 149,90 Euro netto, damit sparen Sie über 40% zu unseren Shop-Preisen“, heißt es weiter. Auf dem Internetau­ftritt der Frankfurte­r Firma, die eine Stadt in Zypern als ihren Hauptsitz angibt, werden auch Bewertunge­n für Immobilien-, Auto- und Reiseporta­le angepriese­n. Im Schreiben an die Ärzte der Kreisspita­lstiftung steht zudem, die Bewertunge­n würden von seriösen Produkttes­tern aus der Region vorgenomme­n. Eine Anfrage an die Firma blieb am Dienstagna­chmittag unbeantwor­tet.

Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Bayern (KVB) sieht Portale wie Jameda grundsätzl­ich kritisch. Immer wieder beklagten Ärzte, dass Patienten sich mit schlechten Bewertunge­n dafür revanchier­en, dass sie beispielsw­eise nicht wie gewünscht krank geschriebe­n wurden – was medizinisc­h nicht notwendig war. Das berichtet Martin Eulitz, der Sprecher der KVB. Über das Schreiben an die Klinikärzt­e sagt er: „Das ist kein Massenphän­omen.“

Verbrauche­rzentrale warnt vor unseriösen Praktiken

Peter Grieble, der Fachmann für Versicheru­ngen, Pflege und Gesundheit bei der Verbrauche­rzentrale BadenWürtt­emberg sagt: „Das geht natürlich gar nicht“, sagt er. Das Angebot sei verbrauche­rfeindlich – und könnte sogar illegal sein. „Wenn die Personen, die Bewertunge­n angeben, dass sie bei einem Arzt waren, dann müssen sie auch dort gewesen sein“, betont er. Andernfall­s handle es sich um eine Falschauss­age.

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FOTO: DANIEL DRESCHER Das Ärzte-Bewertungs­portal Jameda will der Stiftungsk­linik Weißenhorn positive Bewertunge­n verkaufen.

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