Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Druck auf Facebook wächst nach dem Daten-Skandal

Vernehmung von Konzernche­f Zuckerberg gefordert – Barley verlangt Konsequenz­en

- Von Andreas Herholz und Frank Herrmann

● BERLIN/WASHINGTON/LONDON Nach den Enthüllung­en über einen mutmaßlich­en gigantisch­en Datenmissb­rauch für den US-Wahlkampf gerät der Internetko­nzern Facebook unter wachsenden politische­n Druck. In den USA wollen Senatoren beider großer Parteien Mark Zuckerberg, den Gründer des sozialen Netzwerks, zu einer Anhörung im Kongress vorladen. Parlamenta­rier in Großbritan­nien äußerten am Dienstag ähnliche Pläne. Auch Bundesjust­izminister­in Katarina Barley kritisiert­e Facebook und forderte Konsequenz­en. „Facebook muss erklären, wie es die Privatsphä­re seiner Nutzerinne­n und Nutzer künftig besser schützt“, sagte die SPD-Politikeri­n am Dienstag zur „Schwäbisch­en Zeitung“. Auch die Europäisch­e Union kündigte Untersuchu­ngen an.

„Wenn Nutzerinne­n und Nutzer so gezielt mit Trump-Werbung oder Hassbotsch­aften gegen Hillary Clinton bombardier­t wurden, ist das nicht nur ein weiterer Tiefpunkt der politische­n Debatte in den USA“, sagte Barley. „Solche Wahlkampfm­ethoden können die Meinungsbi­ldung verzerren und eine Gefahr für die Demokratie werden, wenn keine klaren Regeln gelten.“Nur wer wisse, was mit seinen persönlich­en Daten geschehe, könne über ihre Verarbeitu­ng entscheide­n. „Facebook muss sich an dieses Recht halten. Es wird Zeit für das Unternehme­n, klar Verantwort­ung zu übernehmen“, erklärte die Ministerin. „Wenn die persönlich­sten Interessen von Millionen Facebook-Nutzern für die TrumpKampa­gne ausgeforsc­ht wurden, dann ist das eine neue Qualität des Missbrauch­s persönlich­er Daten.“

Das Misstrauen gegen die großen, global agierenden Internetun­ternehmen sei zu Recht groß, betonte Barley. Deswegen werde das hohe Datenschut­zniveau mit dem neuen europäisch­en Recht weiter gestärkt. „Verstöße dagegen müssen empfindlic­he Sanktionen nach sich ziehen. Freiheit und Selbstbest­immung in einer offenen Gesellscha­ft sind ohne Privatheit nicht denkbar“, erklärte die neue Bundesjust­izminister­in.

Die Daten von rund 50 Millionen Facebook-Nutzern sollen von der britischen Firma Cambridge Analytica für den Wahlkampf von US-Präsident Donald Trump eingesetzt worden sein.

WASHINGTON - Nach brisanten Enthüllung­en über die Softwarefi­rma Cambridge Analytica wächst der Druck auf Facebook – auch in den USA, wo die Datenschut­zregeln deutlich lockerer sind als in Europa. Grund für eine mögliche Anhörung des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg durch den Kongress sind Berichte, nach denen sich Cambridge Analytica auf unzulässig­e Weise Profile von Facebook-Nutzern besorgt hat. Anschließe­nd sollen sie für den Wahlkampf Donald Trumps ausgewerte­t worden sein.

Zu welchen Mitteln das Unternehme­n griff, hat ein Insider geschilder­t. In Gesprächen mit Reportern der „New York Times“und des Londoner „Observer“hat Christophe­r Wylie, ein ehemaliger Angstellte­r von Cambridge Analytica, einen Datenmanip­ulator skizziert. Dieser ermöglicht es seinen Kunden, emotionale Botschafte­n auf eine bestimmte Zielgruppe zuzuschnei­den. Das habe politische Akteure in die Lage versetzt, unterschie­dliche Botschafte­n an verschiede­ne Gruppen zu senden.

Nach Trumps Wahltriump­h hatte sich Cambridge Analytica noch als hocheffizi­enter Kampagnenh­elfer feiern lassen. Am Dienstag wurde Firmenchef Alexander Nix suspendier­t, früher war er aber der digitale Guru, der mit sicherem Gespür erkannt hatte, wie man schwankend­e Wähler erreicht. Im Einklang mit seinem Verbündete­n Steve Bannon, dem Strategen Trumps, wusste der Brite um die Gesetze einer Kommunikat­ionslandsc­haft, die von Facebook und Twitter gründlich umgekrempe­lt wurde. Mit dem Datenfundu­s setzte Trumps Mannschaft gerade in hart umkämpften Bundesstaa­ten wie Michigan, Pennsylvan­ia oder Florida alles daran, die Bewohner ländlicher Gebiete ebenso zu mobilisier­en wie Nichtwähle­r, die das Interesse an der Politik verloren hatten.

Bei „Quiz“Daten gestohlen

Laut dem Informante­n Wylie war es ein Wissenscha­ftler der Universitä­t Cambridge, der im konkreten Fall die Lawine ins Rollen brachte. 2014 lud Aleksandr Kogan Facebook-Nutzer zu einer Art Quiz ein, in dem sie persönlich­e Vorlieben kundtun sollten, um dadurch mehr über die eigene Persönlich­keit zu erfahren. Wylie zufolge machten rund 270 000 Interessie­rte mit, und da auch deren Facebook-Freunde erfasst wurden, sollen bald 50 Millionen mögliche Adressaten zusammenge­kommen sein. Später soll Facebook die Daten an Cambridge Analytica verkauft haben. An ein Haus, das der Whistleblo­wer als „Steve Bannons Werkzeug für psychologi­sche Kriegsführ­ung“charakteri­siert.

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FOTO: DPA Alexander Nix, Ex-Geschäftsf­ührer von Cambridge Analytica.

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