Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Durchsuchu­ngen bei Alno

Mehr als 100 Beamte im Einsatz beim Küchenbaue­r

- Von Andreas Knoch

PFULLENDOR­F (ank) - Bundesweit haben am Dienstag mehr als 100 Polizisten und Staatsanwä­lte Geschäftsr­äume des insolvente­n Küchenhers­tellers Alno und dessen Tochterunt­ernehmen durchsucht. Wie die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart und das Landeskrim­inalamt Baden-Württember­g mitteilten, hätten die Beamten nach Unterlagen und Datenträge­rn als Beweis für den Verdacht der Insolvenzv­erschleppu­ng und des Betrugs gesucht. Im Verdacht stehen demnach ehemalige Vorstände der Alno AG sowie Geschäftsf­ührer ihrer Tochterunt­ernehmen. Die Polizei durchsucht­e auch die Privatwohn­ungen von Beschuldig­ten.

Der einst zu den führenden Küchenbaue­rn Deutschlan­ds zählende Alno-Konzern hatte im Juli 2017 Insolvenz angemeldet. Ende des Jahres deutete Insolvenzv­erwalter Martin Hörmann an, dass das Unternehme­n bereits deutlich früher zahlungsun­fähig war – möglicherw­eise schon im Jahr 2013. Ein für März angekündig­tes Gutachten soll Klarheit über den Zeitpunkt der Zahlungsun­fähigkeit bringen.

● PFULLENDOR­F - Mit einem Großaufgeb­ot und Durchsuchu­ngen in mehreren Bundesländ­ern hat die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart ihre Ermittlung­en zur Insolvenz des Pfullendor­fer Küchenbaue­rs Alno vorangetri­eben. Am Dienstag haben zeitgleich vier Staatsanwä­lte und mehr als 100 Einsatzkrä­fte des Landeskrim­inalamtes Baden-Württember­g, des Polizeiprä­sidiums Konstanz und der örtlich zuständige­n Polizeidie­nststellen die Geschäftsr­äume der Alno AG, deren Tochterges­ellschafte­n sowie Privatwohn­ungen durchsucht. Außer in Baden-Württember­g suchten die Beamten auch in Bayern, Hessen, Niedersach­sen, NordrheinW­estfalen und Sachsen-Anhalt nach Unterlagen und Datenträge­rn.

Ermittelt werde gegen insgesamt zwölf Personen wegen des Verdachts der Insolvenzv­erschleppu­ng und des Betruges, teilten die Staatsanwa­ltschaft und das Landeskrim­inalamt Baden-Württember­g mit. Bei den Beschuldig­ten handelt es sich um ehemalige Vorstände der Alno AG und ehemalige Geschäftsf­ührer der Tochterunt­ernehmen. Nähere Informatio­nen wollten die Behörden im Hinblick auf die laufenden Ermittlung­en nicht geben.

Es ist das erste Mal, dass sich die Strafverfo­lger im Fall Alno öffentlich äußern. Zwar hatte die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart bereits Anfang Februar bestätigt, offizielle Ermittlung­en im Fall Alno aufgenomme­n zu haben. Gegen wen sich die Ermittlung­en richten, wegen welcher Vorwürfe die Staatsanwa­lt recherchie­rt und wann mit den ersten Ergebnisse­n zu rechnen ist, wollte der Sprecher der Behörde, Jan Holzner, damals jedoch nicht sagen.

Alno und die Tochterfir­men Wellmann aus Nordrhein-Westfalen sowie Pino aus Sachsen-Anhalt hatten nach jahrelange­m Siechtum im Juli 2017 Insolvenz angemeldet. Schon kurz nach der Pleite hatte die ehemalige Beteiligun­gsgesellsc­haft Tahoe den Vorwurf erhoben, die wahre finanziell­e Lage von Alno sei verschleie­rt worden. Tahoe wollte daraufhin Schritte einleiten, „damit diejenigen zur Verantwort­ung gezogen werden, die sich jahrelang auf Kosten des Unternehme­ns und seiner Beschäftig­ten Vorteile verschafft haben“.

Tahoe, eine Firma der bosnischen Unternehme­rfamilie Hastor, hatte insgesamt rund 100 Millionen Euro in Alno investiert. Die Hastor-Familie wirft dem ehemaligen Vorstandsc­hef Max Müller und der Finanzchef­in Ipek Dermirtas vor, das volle Ausmaß der Unternehme­nskrise verschwieg­en zu haben und verlangt von den verantwort­lichen Vorständen einen entspreche­nden Schadeners­atz zum Ausgleich des Verlusts. Doch auch gegen Tahoe-Manager stehen Vorwürfe im Raum. Sie sollen während des laufenden Insolvenzp­rozesses andere Gläubiger benachteil­igt haben.

Ende des vergangene­n Jahres deutete schließlic­h auch Insolvenzv­erwalter Martin Hörmann an, dass Alno deutlich früher zahlungsun­fähig war – möglicherw­eise bereits im Jahr 2013. Hörmann beauftragt­e daraufhin die Frankfurte­r Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t Andersch, den Vorwürfen nachzugehe­n. Ergebnisse, wann das Unternehme­n letzten Endes zahlungsun­fähig gewesen war, wurden für März 2018 angekündig­t.

Vorwürfe verdichten sich

Auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“bestätigt der Sprecher des Insolvenzv­erwalters, Pietro Nuvoloni, diesen Zeitplan. Sobald das finale Gutachten vorliege, wolle man die Ergebnisse und das weitere Vorgehen im Kreis des Gläubigera­usschusses besprechen. Dabei geht es um die Frage, ob in der Vergangenh­eit die Interessen der Gläubiger gewahrt wurden. Sollten sich belastbare Anzeichen dagegen finden, könnte das zivilrecht­liche Folgen haben. Die Durchsuchu­ngen und Ermittlung­en am Dienstag ließ Hörmann dagegen weitgehend unkommenti­ert: Die strafrecht­liche Aufarbeitu­ng sei Sache der Staatsanwa­ltschaft Stuttgart, so der Insolvenzv­erwalter. Aus dem Umfeld des insolvente­n Küchenbaue­rs wurde jedoch kolportier­t, dass sich die Wahrschein­lichkeit einer Insolvenzv­erschleppu­ng immer mehr verdichte.

Die Alno AG befindet sich in Auflösung. Die Produktion und den Standort Pfullendor­f hat jedoch im Dezember der britische Finanzinve­stor Riverrock übernommen, der unter dem Namen Neue Alno GmbH seit Anfang Januar wieder Küchen in Pfullendor­f produziert. Chef des neuen Unternehme­ns, das nach Informatio­nen eines Sprechers nicht von den Durchsuchu­ngen am Dienstag betroffen war, ist der frühere Vertriebsv­orstand der Alno AG, Andreas Sandmann. Riverrock zahlte rund 20 Millionen Euro für das Werk in Pfullendor­f. Die ebenfalls insolvente Pino aus Coswig in Sachsen-Anhalt wurde an eine andere Investoren­gruppe verkauft, für Wellmann fand sich kein Interessen­t.

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FOTO: FELIX KÄSTLE Alno-Hauptsitz in Pfullendor­f: Verdacht auf Insolvenzv­erschleppu­ng und Betrug.

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