Durchsuchungen bei Alno
Mehr als 100 Beamte im Einsatz beim Küchenbauer
PFULLENDORF (ank) - Bundesweit haben am Dienstag mehr als 100 Polizisten und Staatsanwälte Geschäftsräume des insolventen Küchenherstellers Alno und dessen Tochterunternehmen durchsucht. Wie die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg mitteilten, hätten die Beamten nach Unterlagen und Datenträgern als Beweis für den Verdacht der Insolvenzverschleppung und des Betrugs gesucht. Im Verdacht stehen demnach ehemalige Vorstände der Alno AG sowie Geschäftsführer ihrer Tochterunternehmen. Die Polizei durchsuchte auch die Privatwohnungen von Beschuldigten.
Der einst zu den führenden Küchenbauern Deutschlands zählende Alno-Konzern hatte im Juli 2017 Insolvenz angemeldet. Ende des Jahres deutete Insolvenzverwalter Martin Hörmann an, dass das Unternehmen bereits deutlich früher zahlungsunfähig war – möglicherweise schon im Jahr 2013. Ein für März angekündigtes Gutachten soll Klarheit über den Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit bringen.
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● PFULLENDORF - Mit einem Großaufgebot und Durchsuchungen in mehreren Bundesländern hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart ihre Ermittlungen zur Insolvenz des Pfullendorfer Küchenbauers Alno vorangetrieben. Am Dienstag haben zeitgleich vier Staatsanwälte und mehr als 100 Einsatzkräfte des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg, des Polizeipräsidiums Konstanz und der örtlich zuständigen Polizeidienststellen die Geschäftsräume der Alno AG, deren Tochtergesellschaften sowie Privatwohnungen durchsucht. Außer in Baden-Württemberg suchten die Beamten auch in Bayern, Hessen, Niedersachsen, NordrheinWestfalen und Sachsen-Anhalt nach Unterlagen und Datenträgern.
Ermittelt werde gegen insgesamt zwölf Personen wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung und des Betruges, teilten die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg mit. Bei den Beschuldigten handelt es sich um ehemalige Vorstände der Alno AG und ehemalige Geschäftsführer der Tochterunternehmen. Nähere Informationen wollten die Behörden im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen nicht geben.
Es ist das erste Mal, dass sich die Strafverfolger im Fall Alno öffentlich äußern. Zwar hatte die Staatsanwaltschaft Stuttgart bereits Anfang Februar bestätigt, offizielle Ermittlungen im Fall Alno aufgenommen zu haben. Gegen wen sich die Ermittlungen richten, wegen welcher Vorwürfe die Staatsanwalt recherchiert und wann mit den ersten Ergebnissen zu rechnen ist, wollte der Sprecher der Behörde, Jan Holzner, damals jedoch nicht sagen.
Alno und die Tochterfirmen Wellmann aus Nordrhein-Westfalen sowie Pino aus Sachsen-Anhalt hatten nach jahrelangem Siechtum im Juli 2017 Insolvenz angemeldet. Schon kurz nach der Pleite hatte die ehemalige Beteiligungsgesellschaft Tahoe den Vorwurf erhoben, die wahre finanzielle Lage von Alno sei verschleiert worden. Tahoe wollte daraufhin Schritte einleiten, „damit diejenigen zur Verantwortung gezogen werden, die sich jahrelang auf Kosten des Unternehmens und seiner Beschäftigten Vorteile verschafft haben“.
Tahoe, eine Firma der bosnischen Unternehmerfamilie Hastor, hatte insgesamt rund 100 Millionen Euro in Alno investiert. Die Hastor-Familie wirft dem ehemaligen Vorstandschef Max Müller und der Finanzchefin Ipek Dermirtas vor, das volle Ausmaß der Unternehmenskrise verschwiegen zu haben und verlangt von den verantwortlichen Vorständen einen entsprechenden Schadenersatz zum Ausgleich des Verlusts. Doch auch gegen Tahoe-Manager stehen Vorwürfe im Raum. Sie sollen während des laufenden Insolvenzprozesses andere Gläubiger benachteiligt haben.
Ende des vergangenen Jahres deutete schließlich auch Insolvenzverwalter Martin Hörmann an, dass Alno deutlich früher zahlungsunfähig war – möglicherweise bereits im Jahr 2013. Hörmann beauftragte daraufhin die Frankfurter Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Andersch, den Vorwürfen nachzugehen. Ergebnisse, wann das Unternehmen letzten Endes zahlungsunfähig gewesen war, wurden für März 2018 angekündigt.
Vorwürfe verdichten sich
Auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“bestätigt der Sprecher des Insolvenzverwalters, Pietro Nuvoloni, diesen Zeitplan. Sobald das finale Gutachten vorliege, wolle man die Ergebnisse und das weitere Vorgehen im Kreis des Gläubigerausschusses besprechen. Dabei geht es um die Frage, ob in der Vergangenheit die Interessen der Gläubiger gewahrt wurden. Sollten sich belastbare Anzeichen dagegen finden, könnte das zivilrechtliche Folgen haben. Die Durchsuchungen und Ermittlungen am Dienstag ließ Hörmann dagegen weitgehend unkommentiert: Die strafrechtliche Aufarbeitung sei Sache der Staatsanwaltschaft Stuttgart, so der Insolvenzverwalter. Aus dem Umfeld des insolventen Küchenbauers wurde jedoch kolportiert, dass sich die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenzverschleppung immer mehr verdichte.
Die Alno AG befindet sich in Auflösung. Die Produktion und den Standort Pfullendorf hat jedoch im Dezember der britische Finanzinvestor Riverrock übernommen, der unter dem Namen Neue Alno GmbH seit Anfang Januar wieder Küchen in Pfullendorf produziert. Chef des neuen Unternehmens, das nach Informationen eines Sprechers nicht von den Durchsuchungen am Dienstag betroffen war, ist der frühere Vertriebsvorstand der Alno AG, Andreas Sandmann. Riverrock zahlte rund 20 Millionen Euro für das Werk in Pfullendorf. Die ebenfalls insolvente Pino aus Coswig in Sachsen-Anhalt wurde an eine andere Investorengruppe verkauft, für Wellmann fand sich kein Interessent.