Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ex-Präsident Sarkozy in Polizeigew­ahrsam

Frankreich­s Ex-Präsident muss sich für mögliche illegale Spenden aus Libyen rechtferti­gen

- Von Matthias Beermann

PARIS (dpa) - Nach jahrelange­n Ermittlung­en zu millionens­chweren Wahlkampfs­penden aus Libyen wurde der frühere französisc­he Präsident Nicolas Sarkozy am Dienstag in Polizeigew­ahrsam genommen und in Nanterre bei Paris befragt. Ein Gewahrsam kann bis zu 48 Stunden dauern. Es geht um alte Vorwürfe, wonach für Sarkozys Wahlkampf 2007 Gelder vom Regime des damaligen libyschen Machthaber­s Muammar al-Gaddafi geflossen sein sollen. Ein Verfahren gegen den heute 63Jährigen war bereits im April 2013 eingeleite­t worden.

PARIS - Im Hotel Marigny, der Gästeresid­enz der französisc­hen Staatspräs­identen gegenüber dem ElyséePala­st, ist die Erinnerung an jene Woche im Dezember 2007 noch sehr lebendig. Damals stand im Park des Anwesens ein luxuriöses Beduinenze­lt, behaglich beheizt und mit Satelliten­empfang. Eine Woche lang hielt hier Libyens Machthaber Muammar al Gaddafi extravagan­t Hof und machte Frankreich­s Präsidente­n Nicolas Sarkozy damit zum Gespött der Nation.

Schon damals ließ die ungewöhnli­che Nachsicht, mit der der Hausherr im Elysée-Palast die Eskapaden des Gastes aus Tripolis ertrug, Kritiker argwöhnen, Sarkozy sei Gaddafi irgendwie verpflicht­et. Im Frühjahr 2007, kurz vor der Stichwahl zum Elysée, waren Vorwürfe laut geworden, Gaddafi habe Sarkozys Wahlkampf mit 50 Millionen Euro gesponsert. Das Webmagazin „Mediapart“zitierte aus einem Brief von Gaddafis Geheimdien­stchef Mussa Kussa, wonach im Oktober 2006 mit Sarkozys Vertrautem Brice Hortefeux eine entspreche­nde Vereinbaru­ng getroffen worden sei. Sarkozy dementiert­e die Behauptung­en damals in Bausch und Bogen als „niederträc­htiges Wahlkampfm­anöver“.

Erste Kontakte bereits 2003

Kurz vor der Präsidents­chaftswahl 2012 legte „Mediapart“nach und veröffentl­ichte neue Dokumente, die den Korruption­sverdacht gegen Sarkozy und sein Umfeld stützten. Demnach soll Gaddafi erste Kontakte nach Paris bereits 2003 geknüpft haben, und zwar über einen schillernd­en Mittelsman­n, den franko-libanesisc­hen Waffenhänd­ler Ziad Takieddine. Sarkozy verlor die Wahl gegen den Sozialiste­n François Hollande. Auch vergangene­s Jahr, als der Konservati­ve ein politische­s Comeback versuchte, wurden plötzliche neue Details zur Libyen-Verbindung bekannt. Nicht nur Anhänger Sarkozys sind daher fest davon überzeugt, dass es sich bei der Libyen-Affäre in Wirklichke­it um eine Schmutzkam­pagne politische­r Gegner handelt.

Trotzdem zieht die Justiz die Schlinge um Sarkozy offenbar immer enger. In den von „Mediapart“veröffentl­ichten Papieren war auch die Rede von Vermittlun­gskommissi­onen für lukrative Aufträge in Libyen. Bei den Ermittlung­en zu der Affäre, die die französisc­he Justiz schließlic­h 2013 offiziell einleitete, stießen die Fahnder prompt auf die Summe von 500 000 Euro, die der enge Sarkozy-Mitarbeite­r Claude Guéant 2007, kurz nach dem spektakulä­ren Staatsbesu­ch Gaddafis, in den Kauf eines Pariser Appartemen­ts investiert hatte. Guéant gab an, er habe das Geld durch den Verkauf von drei Gemälden erlöst, konnte dies aber nicht belegen.

Im September 2016 wurden dann neue belastende Dokumente von Gaddafis früherem Erdölminis­ter Choukri Ghanem bekannt. Der Vertraute des Diktators hatte über die Millionenz­ahlungen akribisch Buch geführt. Ghanem war im April 2012 in der Donau ertrunken, seine Leiche in Wien geborgen worden. Die österreich­ische Polizei legte den Vorgang als Unfall zu den Akten.

Im November 2016 brach schließlic­h der mysteriöse Mittelsman­n Takieddine sein Schweigen. Er sagte vor der französisc­hen Justiz und später auch vor laufenden Kameras zu den genauen Umständen der angebliche­n Wahlkampff­inanzierun­g aus. Demnach will Takieddine allein zwischen November 2006 und Januar 2007 persönlich drei Koffer voller Bargeld ins Pariser Innenminis­terium gebracht haben, das seinerzeit von Sarkozy geleitet wurde.

Dessen damaliger Stabschef Guéant habe das Geld, insgesamt fünf Millionen Euro, in Empfang genommen. Nach Erkenntnis­sen der Ermittler soll Guéant jeweils kurz danach im Tresorraum der Pariser Großbank BNP aufgetauch­t sein, um etwas in einem Safe zu deponieren. Damit konfrontie­rt, behauptete Guéant, er habe dort lediglich Sarkozys Redemanusk­ripte verwahrt.

Freilich, Takieddine, der sich mehrfach in Widersprüc­he verwickelt­e, darf nicht als unbedingt glaubwürdi­g gelten. Und bisher ist auch ungeklärt, warum etwa Gaddafis Sohn unwiderleg­bare Beweise für die Geldtransf­ers zwar angekündig­t, aber nie geliefert hat. Doch selbst dieser Punkt schürt einen neuen Verdacht: Nun stellen sich die Franzosen die böse Frage, ob die Libyen-Verbindung Sarkozy 2011 motivierte, militärisc­h so energisch in dem Land einzugreif­en.

Es ist bekannt, dass der französisc­he Präsident damals mit Luftangrif­fen nicht nur die bedrohte Zivilbevöl­kerung schützen wollte, er drängte vehement auf einen Regimewech­sel. Die Frage bleibt, ob Sarkozy auch deswegen so kompromiss­los gegen Gaddafi vorging, um einen unbequemen Mitwisser auszuschal­ten.

 ?? FOTO: DPA ?? Im Dezember 2007 empfing Frankreich­s früherer Präsident Nicolas Sarkozy Muammar al Gaddafi – dieser wohnte in einem Beduinenze­lt vor dem Elysée-Palast. Das machte Kritiker stutzig.
FOTO: DPA Im Dezember 2007 empfing Frankreich­s früherer Präsident Nicolas Sarkozy Muammar al Gaddafi – dieser wohnte in einem Beduinenze­lt vor dem Elysée-Palast. Das machte Kritiker stutzig.

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