Uniklinikum Ulm fürchtet Konkurrenz aus der Landeshauptstadt
Stuttgart will Mediziner ausbilden – Abgeordnete und Hochschulrektoren warnen vor negativen Auswirkungen
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STUTTGART - Zwischen Ulm und Stuttgart liegt die Schwäbische Alb. Und nicht nur die. Die Landeshauptstadt am Neckar hält sich für eine Metropole und stempelt die Stadt an der Donau gerne mal als hinter den Bergen, als Provinz ab. Die Rivalität bekommt neue Nahrung: Das städtische Klinikum in Stuttgart will selbst Universitätsklinikum werden.
Zwar soll dies in Kooperation mit den Fakultäten in Ulm oder Tübingen geschehen. Angehende Mediziner sollen nach dem Grundstudium in Ulm oder Tübingen zur klinischen Ausbildung in die Landeshauptstadt wechseln. Die Pläne für ein solches „Beleihungsmodell“stoßen in den Uniklinikstädten ebenso auf Widerstand wie bei den Hochschulrektoren im Land. Die einen fürchten, Ulm könnte zwischen Stuttgart und dem neuen bayerischen Klinikstandort Augsburg zerrieben werden. Die anderen warnen vor hohen Kosten und mangelnder Qualität in der Forschung.
So kritisiert der stellvertretende Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz Baden-Württemberg, Professor Bernhard Eitel, die Pläne scharf. „Das ist der falsche Weg. Fehlende Studienplätze können schneller und kostengünstiger an den fünf vorhandenen medizinischen Fakultäten des Landes aufgebaut werden.“Ob es überhaupt zu wenige Studienplätze im Land gibt, ist Gegenstand von Debatten. Sozial- und Wissenschaftsministerium prüfen dies gerade, ebenso wie mögliche Kosten. Landkreise und Kassenärzte fordern rund zehn Prozent mehr Plätze, um dem Ärztemangel zu begegnen. Derzeit studieren an den Hochschulen im Südwesten 1351 angehende Ärzte. Damit bildet das Land 14 Prozent aller Ärzte in Deutschland aus. Ein Medizinstudienplatz kostet 300 000 bis 350 000 Euro – man braucht Labore und vieles mehr. Gegner der Stuttgarter Pläne argumentieren, neue Plätze an etablierte Unikliniken anzugliedern sei günstiger, als anderswo Raum für Forschung und Lehre neu zu schaffen.
Außerdem beklagen die Universitätsklinika in Freiburg, Tübingen, Ulm, Heidelberg und Mannheim schon jetzt einen Sanierungsstau. Den müsste das Land beheben und kommt kaum nach. Die Direktoren der fünf Häuser forderten 2017 rund eine Milliarde Euro für Bauarbeiten, in den kommenden zwei Jahren fließen 400 Millionen Euro aus den Landeskassen. „Ich glaube kaum, dass das Land insgesamt mehr Geld für die Unikliniken ausgeben wird“, sagt der Ulmer Landtagsabgeordnete Jürgen Filius (Grüne). Er fürchtet: Kommen in Stuttgart, wie derzeit geplant, etwa 300 neue Studienplätze hinzu, würden diese auf Kosten der anderen Uniklinika finanziert.
Als mahnendes, weil schlechtes Beispiel gilt Mannheim. Dort entstand 1964 am städtischen Klinikum eine medizinische Fakultät als Ableger der Hochschulmedizin in Heidelberg. 2003 rügte der Wissenschaftsrat das Modell. Die obersten Hochschulkontrolleure bemängelten erhebliche Defizite im Bereich Forschung und Wissenschaft.
Als Grund nannten sie die komplizierten Verflechtungen. Die Stadt Mannheim ist Träger jenes Teils, der sich nicht mit Forschung und Lehre beschäftigt, den tragen Uniklinik Heidelberg und das Land. In diesem Konstrukt liege das Augenmerk zu wenig auf der Wissenschaft, rügten die Experten. Daran hatte sich 2014 bei einer zweiten Kontrolle zu wenig geändert, so die Prüfer.
Der Vizechef der Landesrektoren Eitel mahnt daher: „Wie überall in der Wissenschaft ist die Einheit von Forschung und Lehre eine unabdingbare Voraussetzung. Für die Medizin heißt das, dass die räumliche Trennung von vorklinischer und klinischer Ausbildung deutliche Qualitätseinbußen mit sich bringt, sowohl für die Studierenden als auch für die Wissenschaft.“
Auch finanziell lief in Mannheim einiges schief. 2012 stellte der Landesrechnungshof erhebliche Mängel fest. Die Uni Heidelberg hatte der Stadt Mannheim zu viel Geld für den Betrieb des „Hochschulteils“des Klinikums gezahlt. Mittlerweile wurden die Finanzbeziehungen neu geordnet. Doch die gemischte Trägerschaft – Stadt auf der einen Seite, Land und Uni auf der anderen – erschwert die Abrechnung weiter.
Wegen dieser Probleme scheint das „Beleihungsmodell“, bei dem eine Uni mit einem städtischen Klinikum kooperiert, vielen unattraktiv. Genau in diese Richtung gehen aber die Planspiele in Stuttgart. Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) sagte am Dienstag: „Wir stehen den Plänen grundsätzlich positiv gegenüber.“Vor allem in der Staatskanzlei hat das Projekt offenbar einen mächtigen Fürsprecher: Staatsminister KlausPeter Murawski war früher Krankenhausbürgermeister von Stuttgart und speist seine Erfahrungen aus dieser Zeit noch heute gerne ein. Das Stuttgarter Klinikum will seine Konzepte in den kommenden Wochen vorlegen, die Landesregierung will prüfen.