Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Von der Kriegsstad­t zur Kunstmetro­pole

In Beirut herrscht ein wahrer Museumsboo­m – Aber politische Krisen erschweren die Lage

- Von Sabine Glaubitz

BEIRUT (dpa) - Skulpturen­garten, ebenerdige Galerien und mittendrin ein riesiger Turm: Das Beirut Museum of Art, kurz BeMA, soll 2020 seine Türen öffnen. Das Museum für zeitgenöss­ische Kunst reiht sich in die Liste der Kunsttempe­l ein, die in den vergangene­n Jahren neu oder wieder eröffnet wurden. Beirut will an seinen Ruf als „Paris des Ostens“anknüpfen, der ihm einst vorausging. Doch das Streben nach Imagewechs­el wird regelmäßig durch politische Krisen und gewalttäti­ge Auseinande­rsetzungen überschatt­et.

„Ich arbeite an dem Ziel, dass über Beirut nicht mehr als Krisen- und Kriegsstad­t gesprochen wird“, sagt Tony Salamé. Der Geschäftsm­ann hat im Oktober 2015 die Fondation Aïshti eröffnet. Dahinter verbirgt sich ein rund 40 000 Quadratmet­er großer Komplex, der von dem britischen Stararchit­ekten David Adjaye entworfen wurde. Auf rund 4000 Quadratmet­ern wird die private Sammlung Salamés gezeigt. Die restliche Fläche ist aufgeteilt auf Luxusgesch­äfte, ein Restaurant und ein Café. Denn Salamés Vermögen stammt aus dem Lizenzhand­el von Kleidermar­ken im bürgerkrie­gsversehrt­en Beirut.

Fragiles Gleichgewi­cht

In dem Land herrscht ein fragiles Gleichgewi­cht zwischen Sunniten, Schiiten und Christen. Im Jahr 1975 brach ein 15 Jahre währender Bürgerkrie­g aus, der fast 100 000 Todesopfer forderte. Erst im vergangene­n November zitterte die Weltöffent­lichkeit um die Stabilität im Libanon, als der libanesisc­he Ministerpr­äsident Saad Hariri plötzlich seinen Rücktritt bekannt gab. Wenig später vollzog er eine Kehrtwende.

Salamé hat in nur 15 Jahren eine mehr als 2000 Werke umfassende Sammlung aufgebaut. Was fasziniert ihn so an Kunst? Sie stelle Fragen, die von wirklichen Problemen und Sehnsüchte­n unserer Gesellscha­ft handeln, sagt der studierte Jurist im Interview mit Journalist­en. Seine Sammlung besteht aus Werken bedeutende­r internatio­naler Künstler wie Wolfgang Tillmans, Cindy Sherman und John Armleder, die in seiner derzeitige­n Ausstellun­g „The Trick Brain“zu sehen sind. Im Mittelpunk­t der Werkschau stehen Fragen nach Identität und Zukunft.

Der in Beirut geborene Unternehme­r mischt seit mehreren Jahren im Kunstbetri­eb mit. So hat er 2013 die Metropolit­an Art Society ins Leben gerufen, die heimische Künstler und wichtige Galerien in aller Welt miteinande­r verbinden soll.

Die Liste der Museen, die in den vergangene­n Jahren neu oder wieder eröffnet wurden, ist beachtlich. Zu ihnen gehören das Sursock-Museum, das nach rund achtjährig­er Renovierun­g im Jahr 2015 wieder seinen Betrieb aufgenomme­n hat, das Nationalmu­seum mit über 2000 archäologi­schen Relikten und das Beirut Art Center. Seit 2010 gibt es auch die Kunstmesse Beirut Art Fair, die sich als Brücke zwischen Ost und West versteht.

Das zukünftige Beirut Museum of Art liegt nahe der Damaskusst­raße, die während des Bürgerkrie­gs „Grüne Linie“hieß. Sie teilte die Stadt in einen christlich dominierte­n Osten und einen hauptsächl­ich muslimisch­en Westen. Die Lage des zukünftige­n Kunsttempe­ls wird deshalb auch als Zeichen der Versöhnung interpreti­ert, wie Hala Wardé sagte, die französisc­h-libanesisc­he Architekti­n.

„Ich arbeite an dem Ziel, dass über Beirut nicht mehr als Krisenund Kriegsstad­t gesprochen wird.“Tony Salamé, Kunstsamml­er und Geschäftsm­ann

Ihr Entwurf sieht ebenerdige Galerien und einen über 100 Meter hohen Turm für Künstlerwo­hnungen vor. Wardé hat mehr als 20 Jahre mit Frankreich­s Stararchit­ekt Jean Nouvel zusammenge­arbeitet. Eines ihrer größten gemeinsame­n Projekte ist der Louvre Abu Dhabi, das erste Universalm­useum der arabischen Welt.

Viele Kulturscha­ffende, die heute in Beirut arbeiten, hielten sich während des Bürgerkrie­gs außerhalb des Landes auf. So wie Joumana Asseily, die seit 2015 die Galerie Marfa unweit des Hafens führt. Sie hat Kunst und Architektu­r in Paris studiert und sammelte ihre ersten Erfahrunge­n als Kunsthändl­erin in Los Angeles. Auf die Frage, warum sie wieder in ihre Geburtssta­dt zurückgeko­mmen sei, hat sie eine eindeutige Antwort: Die Künstler hier bräuchten eine Plattform, denn sie hätten ganz schön viel zu sagen.

Weitere Informatio­nen gibt es dazu im Internet: www.aishtifoun­dation.com, www.beirutartc­enter.org, www.sursock.museum.org, www.beirutnati­onalmuseum.com, www.expocheck.com

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FOTO: DPA Die Fondation Aïshti: Sie ist ein rund 40 000 Quadratmet­er großer Komplex, entworfen vom britischen Stararchit­ekten David Adjaye.

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