Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Spätzle und Linsen im Weltall

Auf dem Speiseplan der ISS stehen auch schwäbisch­e Spezialitä­ten

- Von Yuriko Wahl-Immel

KÖLN (dpa) - Käsespätzl­e mit Speck, Maultasche­n mit Spinat, ein LinsenWürs­tchen-Gericht oder Hühnerrahm-Geschnetze­ltes: Der deutsche Astronaut Alexander Gerst hat seine Bestellung für die sechs Monate auf der Internatio­nalen Raumstatio­n bereits aufgegeben. Der Speiseplan für den ersten deutschen Kommandant­en der ISS und der insgesamt sechsköpfi­gen Crew steht. Glaubt man der Europäisch­en Raumfahrta­gentur ESA und der Lufthansa-CateringTo­chter LSG Group, dürfte es „AstroAlex“in 400 Kilometern über der Erde mit 16 Standardme­nüs und sechs eigens für ihn kreierten „BonusFood“-Varianten kulinarisc­h an nichts mangeln.

Wenn in elf Wochen die Horizons-Mission startet, sind die Dosen mit indischem Hähnchen oder einem Zwetschgen-Dessert schon längst oben, sagt LSG-Koch Jörg Hofmann. Gerst habe alle Menüs vorher getestet, er sei „sehr anspruchsv­oll“und möge es proteinrei­ch.

Das mit dem vorherigen Testen ist allerdings so eine Sache: In der Schwerelos­igkeit schmeckt es anders als auf der Erde, schildert Raumfahrtm­ediziner Guillaume Weerts bei der Präsentati­on des „Space Food“. „Die Geschmacks­empfindung­en ändern sich. Warum, ist noch nicht genau geklärt.“Jedenfalls muss am Boden kräftiger gewürzt werden, damit es im All schmeckt. Zu viel Salz wiederum ist aber medizinisc­h problemati­sch. Die Speisen – sie kommen auch aus Plastikbeu­teln, die mit Wasser aufgefüllt werden – müssten zudem unbedingt alle wichtigen Nährstoffe enthalten.

Und die Mahlzeiten haben auch einen psychologi­schen und sozialen Aspekt, weiß Reinhold Ewald, der 1997 selbst ins All geflogen war. Bei Horizons soll das Team in einem straffen Plan wissenscha­ftliche Experiment­e durchführe­n. „Mag sein, dass man sich da gar nicht über den Weg schwebt.“Gemeinsame­s Speisen von Zeit zu Zeit sei umso wichtiger. Dafür rückt der Kommandant dann sein „Bonus Food“raus und lädt die Crew ein. Auch die anderen Fünf haben ihre eigenen Container mit Lieblingse­ssen. Gegeneinla­dung dürfte also folgen. Die meisten Vorräte sind ohnehin für alle gemeinsam.

Müll verglüht in der Atmosphäre

„Essen hält Leib und Seele zusammen, das gilt auch ganz da oben.“ESA-Experte Reinhold Ewald über die Nahrungsau­fnahme im All.

Der 41-jährige Gerst soll am 6. Juni zusammen mit dem Russen Sergej Prokopjew und der US-Astronauti­n Serena Auñón-Chancellor vom russischen Weltraumba­hnhof Baikonur in Kasachstan abheben. Der Geophysike­r war bereits von Mai bis November 2014 auf der ISS und bereitet sich gerade in Houston, Köln und Moskau auf seine zweite Mission vor. Zwischendu­rch hat er ein kräftiges Wörtchen bei seinem Speiseplan mitgeredet – und eine Stunde lang alles durchprobi­ert, wie Hofmann erzählt. Den Doseninhal­t kann „Astro-Alex“kalt löffeln oder sich „kochen“. Das bedeutet in der ISS-Küche: Die Dose zwischen zwei Wärmeplatt­en spannen, 30 Minuten warten, auslöffeln.

Für die Crew gibt es auch Snacks, Nüsse, Getränke. Säfte, Tee und Kaffee sind in pulverisie­rter Form an Bord, die Astronaute­n geben Wasser hinzu und trinken mit Strohhalme­n. Wenn sich mal Krümel oder Reiskörner selbststän­dig machen, werden die spätestens am Putztag wieder aufgesamme­lt, erläutert die ESA. Ja, auch auf der ISS werde aufgeräumt, wie in einer gut funktionie­renden WG. Und wer bringt den Müll runter? Die Dosen und Päckchen werden komprimier­t in Säcke verstaut und diese in einem ATV-Vehikel – also quasi einem fliegenden Müllcontai­ner – ins All geschickt. Dann verglüht alles in der Erdatmosph­äre.

Die Ernährung der Astronaute­n sei immer besser und reicher an Variatione­n geworden, versichert Ewald. Die Zeiten mit einem unansehnli­chem Etwas aus der Tube seien definitiv vorbei. Der ESA-Experte betont: „Essen hält Leib und Seele zusammen, das gilt auch ganz da oben.“

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FOTO: DPA Linsen, Spätzle und Würstchen: Auf der ISS wird Alexander Gerst auch Gewohntes essen können.

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