Fähigkeiten und Kunstverständnis
Landesamt für Denkmalpflege beleuchtet Höhlen im Ach- und Lonetal
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URSPRING - In der Urspringschule hat ein Bildvortrag zu den Höhlen des Ach- und Lonetales und ihrer Anerkennung als Unesco-Weltkulturebe aufgrund der wertvollen archäologischen Funde stattgefunden. Wertvoll im Sinne der Menschheitsgeschichte, weil die diversen Funde Auskunft über die Fähigkeiten und das Kunstverständnis des vor 40 000 Jahren jungen modernen Menschen geben. Flöten, Tier- und Menschenabbildungen, Mischwesen (Löwenmensch), Schmucksteinchen und nicht zuletzt die Venus vom Hohle Fels als älteste figürliche Abbildung eines Menschen, einer Frau, wurden in den sechs Höhlen von Archäologen in den vergangenen 160 Jahren ans Licht der Öffentlichkeit befördert und am
9. Juli 2017 bei der Zusammenkunft der Unesco-Mitglieder im polnischen Krakau als Weltkulturerbe anerkannt.
Wie die Fundstücke, die Höhlen und das schwäbische Umland aussehen, das durften die Vortragsbesucher zuerst in einem unaufdringlichen, aber eingängig schönen Film bestaunen. Dazu waren Kameradrohnen in die Höhe geschickt worden, um die Höhlen selbst bei winterlichem Raureif in den besten Blick zu rücken – und das verbunden mit einer gedämmten Eroberungsmusik, wie man sie aus Filmen über geschlagene Schlachten kennt. Zu den 80 Vortragsbesuchern gehörten unter anderem der äußerst rührige Museumsgesellschaftsleiter Reiner Blumentritt und als Gastgeber Schulleiter Rainer Wetzler sowie als weiterer wichtiger Wegbereiter künftiger, auch kniffliger Notwendigkeiten, wie zum Beispiel eines Informationszentrums am Hohle Fels trotz räumlicher Einschränkungen durch Bach, Bahn und Bundesstraße, Bürgermeister Ulrich Ruckh.
„Wir haben alle nachweislich noch Neandertalergene in uns“, mahnte Referent Conny Meister, seines Zeichens Master of Science und seit 2012 im Landesamt für Denkmalpflege tätig, in dem er in der Vorbereitung auf die Unesco-Anerkennung eingesetzt wurde, deren erfolgreicher Abschluss sich heuer im Juli jährt. Jetzt geht es um die weitere Bekanntmachung der Fundstellen und Funde. Blaubeuren, Ulm und Stuttgart, aber auch ab und an für den in Ulm beheimateten Löwenmenschen das British Museum in London sind die vorrangigen Ausstellungsorte dieser menschheitsgeschichtlich bedeutenden Funde. Dass der Löwenmensch dem Ulmer Museum gehört, mag, kühn gesagt, dem Neandertalgen im Menschen zugeschrieben werden. Conny Meister erzählte einmal mehr die öffentlich noch wenig bekannte Geschichte vom Tübinger Archäologieprofessor Wetzel, der seine Ausgrabung mit diesem Fund mit seinem Team am Vorabend des Beginns des Zweiten Weltkrieges zum Abschluss brachte.
Mit Schimpf und Schande verjagt
Zurück aus dem Kriegsdienst, wurde der nationalsozialistische Professor mit Schimpf und Schande von der Universität Tübingen verbannt. Und der Löwenmensch, den er aus Trotz nicht den Tübingern, sondern den Ulmer gab, lag 30 Jahre lang in einer Schachtel in einer Museumsschublade, ehe er zusammengefügt ausgestellt wurde.
Ein neugieriges modernes Kind kletterte später einmal verbotenerweise in die Fundstätte und fand ein paar Teile. Die ebenso unerschrockene Mutter erkannte darin einen Wert und gab die Knochensplitter, weder Schimpf noch Schande erleidend, beim Landesamt für Denkmalpflege ab. Deshalb konnte der Löwenmensch „erweitert“und seit 2014/15 in runderer Form ausgestellt werden. Sehen sollen all die Funde in Zukunft immer mehr Menschen, dafür werben die Ortsansässigen und mit ihnen auch Conny Meister. Der Bildvortrag in Urspring ist als weiteres Mosaiksteinchen auf dem Weg der Kunst-, Kultur- und Tourismusförderung und Werbung dafür zu betrachten.