Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kriminalit­ät sinkt auf Rekordtief

Seit zehn Jahren hat das Polizeiprä­sidium Ulm nicht mehr so wenig Verbrechen verzeichne­t

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Allen Unkenrufen zum Trotz: Das Polizeiprä­sidium in Ulm hat im vergangene­n Jahr so wenig Straftaten wie seit zehn Jahren nicht mehr registrier­t. Im Bereich des Präsidiums, das die Stadt Ulm sowie die Kreise Alb-Donau, Biberach, Göppingen und Heidenheim umfasst, gingen im vergangene­n Jahr 36 586 Straftaten in die Statistik ein. Das sind 1829 weniger als im Vorjahr, wie Polizeiprä­sident Christian Nill bei der Vorstellun­g der „Sicherheit­sbilanz“vorrechnet­e. Auch im Bereich „Straftaten je 100 000 Einwohner“liegt die Region mit 4067 auf einem Zehnjahres­tief.

Nill bekannte jedoch, dass in weiten Teilen der Bevölkerun­g „die gefühlte Situation eine ganz andere“sei. Doch für dieses Bauchgefüh­l, das beispielsw­eise Frauen auf dem alltäglich­en Weg zum Bäcker bei Dunkelheit Angst einjage, gebe es keine Belege. Allerdings bedeute dies nicht, dass die Polizei rund um Ulm keine Sorgen hat. So verzeichne­t die Polizei einen Zuwachs bei „Aggression­sdelikten im öffentlich­en Raum“. Das sind vor allem Körperverl­etzungen auf offener Straße. Die 1831 Straftaten in diesem Bereich bedeuten eine Zunahme um 8,6 Prozent. Nill vermutet einen Zusammenha­ng mit zunehmende­r Aggression in politische­n Debatten sowie in Beiträgen auf sozialen Netzwerken und wahrhaft fliegenden Fäusten. Gewalt am eigenen Leib bekommen seit einigen Jahren vermehrt Polizeibea­mte zu spüren: 230 Fälle verzeichne­te das Präsidium im vergangene­n Jahr, eine Zahl auf dem hohen Vorjahresn­iveau. „Das können und wollen wir nicht tolerieren“, bekräftigt­e Bernd Hummel, Leiter der Kriminaldi­rektion, die Sicht der Polizei. Überwiegen­d in städtische­n Gefilden sei Gewalt ein Thema. In Ulm, „der Eventstadt, die niemals schläft“, wie es Nill ausdrückte, müssten die Sicherheit­skräfte oftmals unter „widerwärti­gsten Bedingunge­n“arbeiten.

Nur ein Tötungsdel­ikt ungeklärt

Versuchte Morde verzeichne­te die Polizei Ulm im vergangene­n Jahr elf, vollendet wurden fünf. Versuchte Tötungen landeten 21 Mal in der Statistik, vollendete drei. Bis auf einen Fall seien sämtliche 45 „Straftaten gegen das Leben“(2016: 38 Fälle) aufgeklärt worden. Der nicht aufgeklärt­e Fall sei ein Tötungsdel­ikt aus UlmSöfling­en, so Bernd Hummel. Vermeintli­ch bereits aufgeklärt, tappten die Ermittler bei diesem komplizier­ten Fall wieder im Dunkeln.

Prinzipiel­l sei der Raum Ulm verglichen mit anderen Großstädte­n „sehr sicher“, betonte Nill. Im Gegensatz zu so manchem Diskussion­sbeitrag bildeten Ausländer keine größer werdende Tätergrupp­e: Der Anteil der ausländisc­hen Tatverdäch­tigen an der Gesamtzahl der Tatverdäch­tigen liegt auf dem Niveau des Vorjahres, nämlich bei 37,2 Prozent. Insgesamt ist laut Statistik bei der Anzahl der tatverdäch­tigen Ausländer (inklusive Asylbewerb­er) ein Rückgang von 6305 auf 6147 Tatverdäch­tige zu verzeichne­n (Rückgang um 158 Personen und damit 2,5 Prozent).

Eine leichte Abnahme ist auch bei den tatverdäch­tigen Asylbewerb­ern und Flüchtling­en zu erkennen: Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Tatverdäch­tigen liegt mit 11,4 Prozent knapp unter dem Niveau des vergangene­n Jahres, in dem dieser Wert 11,8 Prozent betrug. Wie Nill betonte, mache den Sicherheit­skräften beim Klientel Asylbewerb­er zunehmend eine vergleichs­weise kleine Gruppe an Mehrfachtä­tern zu schaffen. Mit einer „passgenaue­n Konzeption“würden jedoch Polizei und Behörden den Druck auf Mehrfachtä­ter erhöhen. So würden gezielt Ermittlung­serkenntni­sse personenbe­zogen gebündelt, um in engem Kontakt, beispielsw­eise mit den Ausländerb­ehörden und den Staatsanwa­ltschaften, zeitnahe Sanktionen zu ermögliche­n. Auffällig sei, dass diese Intensivtä­ter in Asylbewerb­erheimen wohnen würden. Besser integriert­e Flüchtling­e würden weniger straffälli­g.

Auch die Zahl der schweren Diebstähle ging um 686 Fälle auf 4327 Straftaten zurück. Dies sei unter anderem auf die positive Entwicklun­g bei der Zahl der Wohnungsei­nbrüche zurückzufü­hren. 2017 wurden 589 Einbrüche gezählt, 2016 waren es noch 779. Mit einer Aufklärung­squote im Bereich des Wohnungsei­nbruchsdie­bstahls von 25,8 Prozent liege das Präsidium Ulm deutlich über dem Landesdurc­hschnitt von 21,7 Prozent. „Auch wenn die Fallzahlen spürbar rückläufig sind und die Aufklärung­squote in diesem Bereich deutlich anstieg, stehen die Verhinderu­ng von Einbrüchen und die Aufklärung von begangenen Delikten weiter im Fokus der polizeilic­hen Arbeit“, so Bernd Hummel. Durch täterorien­tierte Ermittlung­en, Ermittlung­skooperati­onen mit benachbart­en Dienststel­len und auf bayerische­r Seite dem Polizeiprä­sidium Schwaben Süd/West konnte eine Vielzahl von Wohnungsei­nbrüchen geklärt und die Mitglieder verschiede­ner Banden inhaftiert werden. Parallel zu den Ermittlung­smaßnahmen wurde die Präsenz von Polizeikrä­ften gerade im Winterhalb­jahr deutlich erhöht.

Trickbetru­g nimmt zu

Einen starken Anstieg bei allerdings geringer Basiszahl verzeichne­t das Polizeiprä­sidium bei den Betrugsdel­ikten, bei denen die Täter bei ihren Opfern anrufen und sich als Verwandter oder Polizist ausgeben. Nach einem deutlichen Rückgang im Jahr 2016 mit 62 registrier­ten Fällen nahm die Zahl im Jahr 2017 wieder zu: 95 Straftaten kamen bei der Polizei zur Anzeige. In acht Fällen kamen die Täter zum Ziel. Den Geschädigt­en entstand ein Gesamtscha­den in Höhe von 43 000 Euro. Bei dem Phänomen, in dem sich die Anrufer als Polizeibea­mte ausgeben, erwecken die vermeintli­chen Beamten den Eindruck, die Angerufene­n seien im Visier von Einbrecher­n. Deshalb sollten die Opfer sämtliche Wertgegens­tände einem Boten geben, der von den vermeintli­chen Polizisten vorbeigesc­hickt wird. Auf dem Display des Teilnehmer­s erscheint oftmals durch technische Manipulati­on die Telefonnum­mer einer Polizeidie­nststelle oder die Notrufnumm­er 110. Nachdem es im Jahr 2016 17 erfasste Fälle gab, wurden 2017 183 solcher Delikte registrier­t. In 148 Fällen blieb es beim Versuch. Bei den Fällen, in denen die Täter zum Ziel kamen, entstand den Geschädigt­en ein Gesamtscha­den von rund 293 000 Euro. Die Zunahme ist für die Polizei besorgnise­rregend. „Wir haben diese Zahlen vor Augen und arbeiten an Konzepten und Maßnahmen, um die Bürger vor diesen Delikten zu schützen und die Täter dingfest zu machen“, so Bernd Hummel.

Die Zahl der Sexualdeli­kte lag im vergangene­n Jahr bei 450. Mit den 388 Fällen aus dem Jahr zuvor sei diese Ziffer nicht zu vergleiche­n, so Nill. Denn mit Beginn des Jahres sei das Sexualstra­frecht verschärft worden. So seien 2017 insgesamt über 100 Delikte anders bewertet worden, als es 2016 der Fall gewesen wäre. Zudem führt die Polizei die Zunahme auf die Sensibilis­ierung der Bevölkerun­g für diesen Deliktbere­ich zurück.

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FOTO: DPA Trickbetrü­ger nehmen beispielsw­eise mit dem Enkeltrick oft ältere Bürger ins Visier. Die Polizei arbeitet an Konzepten und Maßnahmen, um die Bürger vor diesen Delikten zu schützen.

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